Jung & Alt. Ludwig Hasler

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Jung & Alt - Ludwig Hasler

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die Guetzliversorgung sichergestellt werden.

      Ich werde also entsandt, um Unmengen an Zutaten herbeizuschaffen. Vor allem Butter. Das bringe ich dann der Großmutter, die daheim im Reduit gegen die Pandemie anguetzlet. Und damit ist sie offenbar nicht allein.

      Der Butterbedarf ist in der Schweiz derart gestiegen, dass sogar die Importkontingente erhöht werden mussten. Schon im Frühsommer alarmierte die Branchenorganisation Milch, dass es im Hinblick auf das nationale Guetzlibacken ein größeres Lager brauche. Der Bundesrat reagiert prompt, es dürfen zusätzliche 2000 Tonnen importiert werden.

      Ganz ehrlich, was wollen wir mit so viel Butter? Ich hab mal eine Milchbüechlirechnung gemacht. Geht man von einem durchschnittlichen Kalorienbedarf aus, kann man mit 2000 Tonnen Butter fast acht Millionen Leute einen Tag lang durchfüttern. Das ist fast die ganze Schweiz! Und die 2000 Tonnen, das ist ja nicht mal der Gesamtbedarf. Laut dem Schweizer Bauern beträgt der jedes Jahr 43.000 Tonnen. Wer soll das alles essen?

      Item. Der Bundesrat wird schon wissen, was er tut. Oder so.

      Zum Schluss noch eine Frage, du ahnst es schon: Wie hast du’s mit dem Backen? Hast du schon je einen Kuchen gebacken? Warum backen alte Männer nicht?

       Samantha

       Ist nicht ganz gebacken, wer nicht selber backt?

       #9 Liebe Samantha

      Ertappt! Es geht auf meine 77. Weihnachten zu – und noch nie habe ich selber gebacken, keinen Kuchen, keine Guetzli, nichts. Massenhaft gegessen, klar. Da bin ich ein Fossil, nie wollte mir in den Kopf, was es bringen soll, wenn alle alles machen. Ich mag Arbeitsteilung. Macht jede und jeder, was sie richtig gut können, profitieren alle gegenseitig. Was ich richtig gut kann? Den Christbaum herrichten. Mache ich seit Jahrzehnten, stundenlang hänge ich ihn voll mit Kugeln, Glocken, Barockengeln, Robotern, Kerzen, bis er seine geheimnisvollen Geschichten erzählt.

      Also ja: Backen = Frauensache, in meiner Generation sicher. Mit Backen lässt sich spielend assoziieren: Küche, Ofen, Wärme, Weizen, Hefe, Butter, Ei – quasi die Backstube des Lebens, traditionell typisch weiblich. Typisch für alte Männer dagegen: durch den Wald stiefeln, Tannenbaum fällen, Reh erlegen – und den Rest als Familienoberhaupt herumsitzen. Du stellst dir vor, das wäre für uns »cool« gewesen, so cool, dass wir null Anreiz verspürten, die Ehe, also die Machtverhältnisse zu modernisieren.

      Hat etwas. Nur: Wer zu cool drauf, ist bald weg vom Fenster. Das »Oberhaupt« geriet in die sogenannte »Dialektik von Herr und Knecht«: Der Herr regiert, der Knecht schuftet. Ist praktisch für den Herrn, mühsam für den Knecht. Die Mühe aber lohnt sich, langfristig beherrscht der Knecht all die Techniken, die das Leben braucht und liebt. Der Herr beherrscht nur den Knecht – und auch ihn stets weniger; da er selber nichts kann, wird er komplett abhängig vom Können des Knechts. Am Ende kippt das Verhältnis – es bestimmt der Knecht, der Herr wird pensioniert, bestenfalls.

      Kippt auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau? Weil der Mann zu cool war, nicht backen wollte? Heute backen Buben, aber reicht das? Die Frau hat Vorsprung, sagen Hirnforscher: Das Corpus callosum, der kleine feine Steg zwischen den beiden Hemisphären unseres Hirns, sei bei Frauen auffällig dicker. Das heißt leitfähiger, es läuft mehr hin und her, zwischen rationalen und emotionalen Kräften, zwischen Analyse und Inspiration, zwischen Geradeaus und Abschweifung.

      Kurz: Frauen switchen besser. Im 21. Jahrhundert matchentscheidend. Da wird alles derart komplex, dass cooler Verstand nicht mehr hinreicht, jetzt brauchen wir ein situatives Gespür fürs Zufällige, Unberechenbare. Mit dem Unberechenbaren aber – Kinder! Kunst! Kuchen! – haben Frauen mehr Übung, sind besser trainiert im kreativen Handeln. Inzwischen mehrheitlich auch besser ausgebildet. Warum übernehmt ihr nicht einfach?

      Weißt du, was ich glaube? Ihr seid zu schlau, ihr hütet euch vor der Rolle als Oberhaupt. Ihr wisst, was blüht. Siehe Landesmuseum, aktuelle Schau: »Der erschöpfte Mann«.

       Ludwig

       Die Männerquote

       #10 Lieber Ludwig

      Hab ich’s mir gedacht mit dem Backen. Ich muss zwar zugeben, ich bin auch keine große Bäckerin. Backen macht Freude, sagt vielleicht Dr. Oetker. Backen macht hässig, sage ich. Damit bin ich wohl eher generationenuntypisch. Mein Insta-Feed ist jedenfalls voller Bananenbrot und Sauerteig.

      Aber nun zum eigentlichen Thema. Du glaubst, Frauen hätten mehr Fähigkeiten, die heute wichtig sind und seien mittlerweile oft besser ausgebildet.

      Kann ich alles bestätigen. Woher kommt es also, dass nicht sämtliche Unternehmen von Frauen geführt werden? Dass nur noch Frauen in den Verwaltungsräten sitzen? Dass es im Bundesrat überhaupt noch Männer gibt?

      Du stellst die Vermutung auf, wir seien zu schlau. Wir wollten die ganze Verantwortung gar nicht und würden uns vor der Rolle als Oberhaupt drücken. Chabis.

      Es ist vielmehr so, dass die echte Chancengleichheit noch immer weit weg ist. Dass in der Berufswelt noch immer Bedingungen herrschen, die Frauen Karriere schwer machen.

      Sie würden übrigens auch Männern die Karriere schwer machen, wenn nicht die Frauen üblicherweise den Löwinnenateil der Familienarbeit leisten würden. Darum sträube ich mich auch gegen den Begriff frauenfreundlich. Item. Dass Frauen einfach nicht wollen, ist jedenfalls eine faule Ausrede.

      Unter dem Hashtag #ichwill ging im Herbst in Deutschland ein Video viral. Mehr als 50 Frauen aus verschiedenen Branchen forderten darin eine verbindliche Frauenquote.

      Damit wollten sie Druck ausüben auf die Politik. Und sie hatten Erfolg: 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten von Unternehmen des Bundes und Vorgaben zu den Vorständen von börsenkotierten Unternehmen. Die Frauenquote ist quasi Fakt.

      Und das ist gut. Denn wie weit wir mit Freiwilligkeit kommen, haben wir in den letzten 50 Jahren ja gesehen.

      »Aber dann bekommt nicht mehr die Person den Job, die am besten qualifiziert ist«, sagen Kritiker. Unangenehme Überraschung: Das ist schon jetzt nicht der Fall. Wenn Menschen anhand ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe benachteiligt werden, bedeutet das automatisch einen Vorteil für alle, die der Norm entsprechen. Sprich: Weiße Männer haben Jobs nicht, weil sie am besten qualifiziert sind, sondern weil sie weiße Männer sind.

      Meritokratie, die Idee, dass harte Arbeit automatisch zu Erfolg führt, ist ein Mythos. Ich denke, wir sollten über Privilegien sprechen. Das Thema ist zugegebenermaßen unangenehm. Aber ich erlebe, wie meine Generation zunehmend beginnt, sich damit zu beschäftigen. Bist du dir deiner Privilegien bewusst?

       Samantha

       Wie dankbar bin ich Eva, dass sie in den Apfel biss

       #11 Liebe Samantha

      Unser Wortwechsel rutschte Ende Jahr von Jung & Alt zu Frau & Mann. Begann mit Backen. Landete bei Verwaltungsräten. Der Generationendialog als Genderdebatte? Siehst du das so? Weil der Typ Mann retro aussieht, Typ Frau eher nach Futur? Seh ich manchmal selber so, der Spur nach.

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