Bambis Kinder. Felix Salten

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Bambis Kinder - Felix Salten

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zweiten, tödlichen Biß gelangte der Fuchs nicht.

      Ein kurzer Donner krachte.

      Wie von einer starken Faust geworfen, überschlug sich der Fuchs, fiel zur Seite, zuckte ein wenig mit den Läufen und starb.

      Er lag gerade vor Gurris angst- und schmerzentstelltem Antlitz.

      Sie rührte sich nicht; ihr waren die Sinne geschwunden.

      Von Gurris Rücken strömte das Blut, floß mit dem Blut des Fuchses zusammen und färbte das Gras.

      Jetzt erlebte Geno, der, geschüttelt vor Grauen, im Gebüsch stand, die Furchtbarkeit, die Er verbreitete.

      Jetzt atmete Geno die erstickende und zugleich aufpeitschende Witterung, die Er hatte.

      Jetzt sah Geno, wie Er heranschritt, hörte Ihn sogar sprechen.

      Erstarrt blieb Geno, ohne sich zu regen.

      »Armes Ding«, sagte Er leise, beugte sich zu Gurri nieder, untersuchte die Wunde und hob die Betäubte in seine Arme. »Na, das heilt schon wieder. Du armes Kleines, dich nehme ich mit. Hätte ich eine Sekunde später geschossen, so wäre es schon vorbei mit dir.«

      Mit dem Fuß schleuderte er den Fuchs ins Gebüsch und trug Gurri davon.

      Geno entwich, flüchtete vor dem toten Fuchs, flüchtete vor Ihm, verstört, ratlos, halb irrwitzig.

      Ueber den Verlust der Schwester konnte er sich nicht fassen.

      »Mutter! Mutter!« rief er in seiner Herzensnot.

      Er besann sich nicht mal; er mußte rufen. »Mutter! Mutter!«

      Taumelnd streifte er durch das Buschwerk. Unmöglich, nach solchem Ereignis allein zu bleiben. »Mutter! Mutter!«

      Rascheln, Knistern bewegte die Zweige.

      Faline tauchte vor ihm auf; doch er nahm sie in seiner Verwirrtheit nicht gleich wahr, weinte ihr ins Gesicht: »Mutter! Mutter!«

      »Da bin ich ja«, redete Faline, »was gibt's denn?«

      Hinter ihr klang Bambis Stimme verwundert: »Du, Geno? Hab ich euch nicht verboten ...?«

      Geno würgte hervor: »Gurri ... Gurri ...«

      »Wo ist Gurri?« drang Faline und war von Verzweiflung gepackt, als Geno in abgerissenen Schluchzworten erzählte: »Der Fuchs ... sie ... angesprungen ... Blut ... dann ... dann Er ... mit der Feuerhand ... tot ...«

      »Und Gurri?« schrie Faline.

      »Was war mit Gurri?« fragte Bambi erregt.

      »Die ...«, stotterte Geno, »... die hat Er genommen ... fort ... mit ihr ... Er ist mit ihr ... fort ...«

      Bambi und Faline schwiegen, als hätte die Katastrophe sie stumm gemacht.

      Dann sagte Bambi still: »Mein schönes kleines Kind ...«

      Davon wurde Geno im Tiefsten ergriffen. Unklar hatte er eine winzige Hoffnung gehegt; wenn nur die Eltern da wären, könnte alles wieder gut werden. Nun löschte dieses schmächtige Lichtchen aus; nicht einmal die Eltern vermochten zu helfen.

      Faline weinte leise vor sich hin: »Ich hätte die Kinder nicht allein lassen dürfen. Nie hätte ich das dürfen. Meine Gurri, meine geliebte, arme Gurri ...«

      Geno gab ihr recht, sie hätte uns nicht allein lassen sollen ... wäre sie bei uns geblieben, hätte das nie geschehen können; er sah den Kummer der Mutter, ihre Reue, den Schmerz des Vaters und sagte kein Wort.

      Er verschwieg auch, wie leichtfertig, wie achtlos trotz aller Warnungszeichen Gurri sich der Gefahr preisgegeben hatte. Damit wollte er die Eltern verschonen.

      »Ist sie ...«, Bambi stockte, »... ist sie ... tot?«

      »Ich weiß es nicht ...«, zitterte Geno, »... wirklich ... das weiß ich nicht ...«

      Zu dritt gingen sie langsam bis an den Saum der Dickung, standen dort voll Ekel vor dem erschossenen Fuchs, der mit zerfetzter Flanke ausgestreckt im Unterwuchs lag.

      »Elender Mörder ...«, brachte Faline hervor.

      »Manchmal«, sagte Bambi, »manchmal übt Er Gerechtigkeit ... nicht immer ... doch zuweilen tut Er es.«

      »Vielleicht«, meinte Faline verzagt, »vielleicht ... ist Er ein Retter gewesen ...«

      Beide dachten jetzt an Gobo, den ja Er bewahrt und gepflegt hatte; allein es war eine trübselige Erinnerung.

      Sie traten hinaus auf die Wiese, wo das Blut Gurris mit dem Fuchsblut noch im Gras versickerte.

      »Da hat sie gelitten«, schluchzte Faline, »meine Gurri ... meine zierliche Gurri ...«

      Die Nase am Boden, entfernte sich Bambi quer durch die nachtfinstere Wiese, nahm die Fährte auf, die Er hinterlassen hatte. Am nächsten Morgen war der Fuchs verschwunden, doch Er ließ sich noch deutlicher spüren.

      Bambi verbarg sich in der Nähe.

Zeichnung: Hans Bertle

       * * *

      VI

      Faline blieb jetzt immer mit Geno beisammen.

      Den Gatten und Vater bekamen sie nie zu Gesicht.

      Hin und wieder berichtete das Eichhörnchen, es habe Bambi gesehen.

      Er ging seltsame Wege, wurde in Gegenden getroffen, wo man ihn vorher nie vermutet hätte.

      Das Eichhörnchen zeigte sich sehr teilnehmend an Gurris Verlust. »Ach, ich war gerade am Einschlafen, als ich den Donner hörte. Dem Fuchs gönne ich ja, daß Er ihn umgeworfen hat ... nur das kleine Prinzeßchen ... es ist zu traurig ... zu traurig ...«

      Aufrecht saß das Eichhörnchen, an seine wehende Fahne gelehnt, beide Vorderpfötchen gegen die weiße Brust gedrückt, um sein Beileid zu beweisen. Doch die hochgespitzten Ohren, die von netten Büscheln überragt wurden, die glänzenden Augen, das wirkte nur fröhlich.

      Von der Elster und vom Häher erfuhr Faline, was Geno ihr verheimlicht hatte.

      »Mich trifft keine Schuld«, rechtfertigte sich die Elster, »den Fuchs habe ich lange bemerkt, habe auch gewußt, wo Er lauert. Wie ich auch rief und warnte, es war vergeblich. Die kleine Prinzessin hörte nicht.«

      »Sie wollte nicht hören«, verteidigte sich der Häher, »was habe ich geschrien und geschrien! Umsonst! Das junge Ding muß einem leid tun! Sehr leid!«

      »Ganz gut war es zu vermeiden«, schakerte die Elster, »denn Er hat ja nur auf den Fuchs gewartet.«

      Faline stöhnte

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