Bambis Kinder. Felix Salten
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Читать онлайн книгу Bambis Kinder - Felix Salten страница 8
»Auch der arme Freund Hase hat recht«, meinte Faline, »es ist wirklich nicht angenehm, wenn das Essen schlecht schmeckt, wenn man Hitze und Durst leidet.«
»Ich leide nicht unter der Hitze«, erklärte Geno, »mir tut sie wohl.«
»Ja, du«, antwortete Faline, »du bist noch ein Kind, und Kindern ist es gesund, wenn sie warm haben.«
»Warum, Mutter, gibt es keine Mücken? Ich bin ja froh, daß es keine gibt, aber warum gibt es keine?« Das war die wißbegierige Gurri.
»Weil sie so klein sind«, wollte Geno die Schwester belehren, »und da sterben sie an der Hitze.«
»O nein, mein Sohn«, setzte Faline die Sache auseinander, »die Mücken leben überhaupt nur ganz kurze Zeit. Höchstens eine Reihe von Tagen, dann sterben sie unter allen Umständen, ob es nun heiß ist oder nicht. Aber sie legen ihre Eier in den feuchten, am liebsten in den nassen Boden. Und wenn es wie jetzt überall nur trockenen Staub gibt, kann die Brut nicht ausschlüpfen. Deshalb sind keine Mücken da.«
Niedergetan, hörte Geno, während Mutter und Schwester schliefen, ein paar Fledermäuse flattern, hörte, wie die eine zur anderen sich beschwerte: »Keine einzige habe ich geschnappt.«
Die andere jammerte: »Nicht einmal hier findet man welche! Sonst fliegen sie einem geradezu in den Mund.«
»Ob uns die Vögel alle wegfangen?«
»So viel essen die Vögel unmöglich.«
»Dann verstehe ich das Ganze nicht.«
»Mir ist das Verstehen gleichgültig«, piepte die zweite, »ich habe Hunger.«
Die erste erwiderte: »Rätselhaft! Rätselhaft! Suchen wir Käfer und Schmetterlinge!«
Nun flatterten sie beinahe taumelnd fort.
Geno wollte jetzt auch schlummern.
Da vernahm er das Gespräch der Büsche und Bäume.
»Aus der Erde«, klagte der Haselstrauch, »kriege ich keine Nahrung mehr, meine Nüsse werden taub.«
»Und meine Beeren«, wimmerte die Holunderstaude, »schrumpfen; sie sind ohne Saft.«
Die Eiche seufzte: »Wie ist mir schwer zu Sinn! Die Spitzen meiner Äste dorren. Jeder Windhauch knickt sie mir vom Leib.«
»Aber es regt sich ja kein Lüftchen«, bedauerte die alte Esche daneben.
»Ich dringe mit den Wurzeln tief in die Erde«, ächzte die hohe Buche, »allein, was ich dort trinke, ist viel zu wenig.«
»Wir kommen um«, stöhnte der Ahorn, »mit uns ist es aus!«
Ein schmächtiger, niedriger Eichbaum, den die anderen beschatteten, weinte leise: »Wenn ihr Großen verzagt, bin ich noch früher hin.«
Die hohe Pappel entschied: »Niemand kommt um! Niemand darf verzagen! Es ist eine Zeit der Not, da muß man aushalten und den Mut nicht sinken lassen. Erinnert euch doch, welche Stürme, welche bitteren Entbehrungen wir durchgemacht haben, und wie wir trotzdem gewachsen, trotzdem stark geworden sind. Hört auf zu jammern! Tragt das Leid mit stummer Zuversicht, mit ruhig ergebener Geduld, dann ist es nicht halb so schwer. Und eh ihr's denkt, wird auch die Not vorüber sein.«
Alle schwiegen.
Am Boden der Lattich, die Farne, der Lauch, die anderen Kräuter flüsterten im Chor: »Ihr dort oben könnt leicht reden. Aber uns bleibt nur das Verderben. Wir sind die Armen, und wir ertragen nichts, weil wir arm sind.«
»Still, ihr da unten in der Tiefe«, befahl die Pappel, »gerade die Armen ertragen am meisten, gerade die Armen haben die zäheste Daseinskraft. Das haben wir doch alle oft genug erlebt.«
Ein schüchternes Murren antwortete: »Das sagt man uns immer. Aber von den Unzähligen unter uns, die erliegen, die im Elend sterben, ist nie die Rede!«
»Wer zugrunde geht, geht eben zugrunde!« herrschte die Pappel. »Es ist euer Schicksal, in der Tiefe zu leben. Findet euch damit ab! Nicht alle können groß, hoch und edel sein. Wir haben das nicht so gemacht; es wurde von selbst so.«
Ein höhnisches Kichern ertönte.
»Ihr dort oben«, rief der Hartriegel, »seht ihr nichts? Schaut euch um!«
Der Schlehdorn übertönte ihn: »Wir verschmachten! Du stolze Pappel, vielleicht kannst du uns statt guter Lehren ein wenig Hoffnung spenden!«
Nach einer Weile gab die Pappel Bescheid: »Die Sterne über mir funkeln, doch weiter weg verschwinden sie; wahrscheinlich werden sie von Wolken gedeckt.«
Der Holunderstrauch flüsterte: »Mag sein, daß etwas kommt.«
Alle Büsche raunten durcheinander: »Hoffnung ... mag sein ... Hoffnung!«
Und die Kräuter am Boden bebten unmerklich: »Ja ... Hoffnung ... wenn die uns Armen helfen könnte, wären wir gerettet ...!«
»Unser aller Leben ist Hoffnung!« wies die Pappel sie streng zurecht.
Geno schlief ein.
Als er ein paar Stunden später wach wurde, da war es nicht mehr Tag und noch nicht wieder Nacht. Er meinte, er habe zu lange oder zu kurz geschlafen, fühlte sich verwirrt, denn Mutter und Schwester standen schon auf ihren Läufen; doch sie traten unruhig am Ort umher. Geno wurde bange. »Was geht denn vor?«
»Blick doch hinauf«, riet Gurri. Ihre kleine Stimme hörte sich wie geklemmt an.
Geno hob die Augen. Doch er begriff noch nichts.
Tiefschwarz und drohend hingen die Wolken vom Himmel herab, bedrückend nahe.
Er ließ bestürzt das junge Haupt sinken und trat zur Mutter.
Auch Faline zeigte sich verzagt: »Es kann furchtbar werden.«
»Müssen wir sterben?« drängte Geno.
»Wohl möglich ...«, sagte Faline dumpf.
»Warum denn sterben?« widersprach Gurri, »wieso denn?«
Aber sie wurde nicht gehört. Allen stockte der Atem.
Denn in die lautlose, angespannte Stille, die geherrscht hatte, brach mit einem Mal der Sturm.
Wie ein unsichtbarer Riese fiel er über den Wald her, zornig, erbittert, wild.
Gleich einer Meeresbrandung rauschten die Wipfel, brüllten, ächzten, wimmerten, wie sie gezaust, geschüttelt, gepeitscht wurden.
Blätter wirbelten, von ihrem Wachstum losgerissen, umher, als wären sie von irgendeiner Eile oder von irgendeinem Wahnsinn getrieben. Aeste splitterten mit lautem Knallen oder mit leisen Seufzern und stürzten nieder. Dünnere Baumstämme klirrten jämmerlich aneinander.
Wütend