Bambis Kinder. Felix Salten
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Читать онлайн книгу Bambis Kinder - Felix Salten страница 11
Er sah einen dicken Nachtfalter, breitete die Schwingen, haschte ihn und entschwebte.
Als sie beim ersten blassen Dämmerschein des Morgens ihrem Schlafplatz zueilten, trat ihnen Bambi entgegen.
Gurri sprang munter an ihm empor. »Vater! Vater!«
Schweigend legte ihm Geno die junge Stirne an die Flanke.
Und Faline sagte demütig: »Zum Gruß.«
»Hört mich an, Kinder«, redete Bambi beinahe feierlich, »sehr bald werde ich eure Mutter zu mir holen. Sie muß lange bei mir bleiben. Versteht ihr mich?«
»Wir kommen mit der Mutter zu dir«, Gurri war vorlaut.
»Das verbiete ich«, gelassen wies Bambi sie zurecht.
»Warum denn?« etwas verschüchtert erlaubte sich Gurri dennoch diesen Einspruch.
»Keine Fragen stellen«, gebot der Vater ruhig, »ich kann euch nicht brauchen.«
»Auch die Mutter kann uns nicht brauchen?« Von Neugier gestoßen, wagte Gurri noch einmal, sich zu melden.
Mild kam die Antwort: »Auch die Mutter nicht, mein Kind.«
Die Geschwister schauten die Mutter an, aber da Falinens Blick liebevoll in Bambis Augen versunken war, wurden die Kinder von einer seltsam fremden Empfindung und von Bangigkeit ergriffen.
Bambi redete weiter: »Ihr zwei werdet allein sein.«
Gurri zitterte. »Ganz allein?«
»Allein miteinander«, sagte der Vater, »ihr seid besser dran als andere Kinder, die keinen Bruder oder keine Schwester haben. Haltet euch zusammen.«
Geno ließ sich stockend vernehmen: »Werden wir lange ... allein ...?«
»Das weiß ich nicht genau, mein Sohn.«
Faline schwieg dauernd weiter und sah Bambi zärtlich ins Antlitz. Den Kindern schien sie wie verwandelt.
»Merkt gut auf«, sprach der Vater, »wenn ihr allein seid, ohne Obhut der Mutter, müßt ihr doppelt wachsam sein und zehnfach vorsichtig. Ihr müßt euch wie Erwachsene betragen und doch nie vergessen, daß ihr als Kinder noch keine Erfahrung habt. Lauscht so emsig ihr könnt. Geht immer so, daß euch die Luft entgegenzieht; da könnt ihr jede Gefahr wittern. Ihr dürft die Warnungszeichen eurer Wächter nicht überhören. Wer sind eure Wächter?«
Geno zählte sie her: »Die Elster ... der Häher ...«
»Die Krähen«, setzte Gurri fort, »das Eichhörnchen, die Amsel ...«
Bambi nickte: »Manchmal auch die Amsel. Es ist gut. Denkt daran, gleich beim ersten Zeichen hinein in die Büsche, dort wo sie am dichtesten sind! Wirst du nicht verspielt und sorglos sein, Gurri?«
»Ich will schon aufpassen, Vater«, sagte Geno fest.
Ehrlich beteuerte Gurri: »Ich werde sehr brav sein ...«
»Kennt ihr den Geruch, den Er ausströmt?« erkundigte sich Bambi.
Die Kinder schüttelten stumm verneinend das Haupt.
»Wenn euch eine Witterung um die Nase haucht, furchtbarer als die von Fuchs und Iltis, drohender als die vom Hund ...«
»Die vom Hund kennen wir auch noch nicht«, unterbrach Gurri.
»Ihr seid eben unerfahrene Kinder«, erwiderte Bambi, »aber sowie nur der leiseste Hauch, den Er verbreitet, euch trifft, überfällt euch eine Erregung, die ihr jetzt kaum ahnt, eine Erregung wie ein Sturm, die das Innerste durchwühlt. Man muß alle Kraft aufbieten, um besonnen zu bleiben. Da heißt es fort! Fort! Fort! So schnell und so weit wie möglich!«
»Fort ... Fort ... Fort!« stammelte Geno erschrocken.
»Und noch etwas«, sprach Bambi weiter, »noch etwas sehr Wichtiges. Andere Kinder, die allein sind, haben die schlechte Gewohnheit, ihre Mutter zu rufen. Aus Angst, aus Sehnsucht, aus Langeweile; was weiß man denn, warum solch dumme Kinder ihre Mutter stören, ihre Eltern in arge Verwirrung bringen? Ihr werdet eure Mutter niemals rufen. Schärft euch das ein! Nie dürft ihr sie rufen! Unter gar keinen Umständen! Sie kommt sicher wieder zurück, sobald ich es ihr erlaube; sie findet euch, wo ihr auch seid. Aber ruft nicht nach ihr. Und somit lebt wohl.«
Er kehrte sich weg, schritt majestätisch davon, lautlos, hocherhobenen Hauptes, darauf die prachtvolle Krone ragte. Er glitt in die dichteste Dickung wie ein Schatten, ohne daß ein Zweig raschelte, ohne daß ein Blatt sich regte.
Die Kinder glaubten, sie hätten den Vater nie zuvor so nahe gesehen, hätten seine gütige Herrscherstimme nie so lange hören können. Sie starrten ihm nach, verzaubert und erschüttert.
»Ich weiß gar nicht, was er gesagt hat«, Gurri war verwirrt; doch sie wußte alles.
Geno erklärte: »Jedes Wort habe ich im Gedächtnis.«
Faline blieb schweigend stehen, wo sie stand; ihre Blicke hafteten an der Stelle, an der Bambi entschwunden war.
Von nun an wurde Faline durch die Kinder bewacht. Sie drängten sich enger ihr zur Seite, ließen sie keinen Moment aus den Augen. Mitten im Schlaf schreckten sie auf, um sich zu versichern, ob die Mutter noch bei ihnen weile.
Aber Faline war in ihren Gedanken schon fern. Sie hörte die Fragen der Kinder oft gar nicht, gab oft verkehrte Antwort. Keine Ermahnungen, keine Ratschläge teilte sie aus. Wie von Träumen umfangen schlich sie umher.
Und eines Morgens, die Sonne glühte heiß hernieder, wurden die Kinder durch ein Zischen des Laubes geweckt.
Das war Faline, die durchs Gebüsch raste.
»Mutter! Mutter!« bat Gurri.
»Nicht rufen!« erinnerte sie Geno, »du darfst sie doch nicht rufen!«
»Jetzt sind wir allein ...« seufzte Gurri.
»Wir müssen es aushalten ...«, bestimmte Geno charaktervoll. Aber auch er seufzte.
»Schlafen wir«, rief er.
Die Kinder taten sich nieder, und während die Vögel sangen, gelang es ihnen zu schlummern.
* * *
V
Anfangs ging alles famos.
Geno und Gurri spielten Erwachsensein und kamen sich sehr wichtig vor.
Bedächtig traten sie mit einbrechender Dunkelheit auf die Wiese, kehrten bei dem ersten blassen Morgenschimmer zu ihrem Lager heim.
Der Waldkauz schrie etliche Male sein U–jj! U–jj! gellender und lauter