Little Pearl. Madlen Schaffhauser

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Little Pearl - Madlen Schaffhauser Little Pearl

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macht nichts. Hauptsache er ist wieder unter den ersten drei, damit er eine Chance aufs Final hat.

      »Hopp, mach schon!«, brüllt Kyle neben mir, dabei erleide ich beinahe einen Hörsturz.

      Hannah hopst wie ein Hase auf der Stelle und ruft immer wieder Dads Startnummer, als er auf die erste Kurve zurast.

      Em und Coben pfeifen, was das Zeug hält.

      Mom dreht nervös an ihrem Ehering, beißt sich ständig in die Lippen und beobachtet Dad mit Argusaugen. »Bitte halte dich etwas zurück. Bitte nimm Abstand«, flüstert sie fast ehrfürchtig. »Bitte -«

      Ich verstehe nicht, was sich vor meinen Augen abspielt. Ich verstehe nicht, warum zwei Rennfahrer mit ihren Rollstühlen durch die Luft fliegen. Ich verstehe nicht, wie Dad plötzlich unter seinem Rollstuhl liegt, statt auf ihm zu sitzen, um mit ihm über die Ziellinie zu rasen. Vielleicht will ich es auch einfach nicht wahrhaben. Ich will nicht glauben, dass Dad bewegungslos am Boden liegt.

      Kapitel 6

      Avery

      Ich könnte mir in den Arsch treten. Warum musste ich ausgerechnet gestern eine Panikattacke haben? Ausgerechnet da, wo ich mich um einen Job bewerben wollte. Echt scheiße.

      Aber ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht von mir selbst, dass ich wieder vor dem Fit for Fun stehe und mich mental auf ein Bewerbungsgespräch vorbereite. Wenn es denn überhaupt eines gibt.

      Meine Hände schwitzen vor Nervosität. Dafür ist meine Kehle wie ausgetrocknet, als ich mich endlich überwinde, hineinzugehen. Heute ist es voller als vor einem Tag. Praktisch jeder Hometrainer und jedes Laufband sind besetzt. Vom Raum nebenan höre ich Männer fluchen und keuchen, und das Geräusch von Hanteln, die abgelegt werden. Hinter der Bar ist gerade niemand. Ich blicke zu den Matten in der rechten Ecke. Kein Personaltrainer oder Angestellten in Sicht. Etwas unschlüssig bleibe ich stehen, weiß nicht, ob ich mich auf die Suche nach jemandem, der hier arbeitet, machen oder ob ich mich wieder hinausschleichen soll.

      Gerade als ich mich dazu entscheide, in den Kraftraum zu gehen, öffnet sich die Tür links von mir. Eine Frau mit blondem, wippendem Pferdeschwanz tritt heraus. Sicher zehn andere Frauen folgen ihr. Alle haben ein Tuch um den Hals und sehen erschöpft aber zufrieden aus. Die erste hat ein Tanktop mit dem Logo des Fitnessstudios an.

      »Dann bis zum nächsten Mal, Mädels!«, ruft sie und steuert direkt die Bar an.

      Ich warte, bis sie die durstigen Frauen bedient hat, die mit ihr an die Theke gekommen sind. Dann dreht sie sich zu mir und bevor ich etwas sagen kann, lächelt sie mich freundlich an.

      »Kann ich dir behilflich sein?«

      »Ich ... äh ... ich ...«, fange ich überrumpelt an. Erleichterung überkommt mich, als die Frau um die dreißig das Ruder übernimmt.

      »Ah, du suchst bestimmt Evan. Oder willst du dich bei uns einschreiben?«

      Erkennt sie mich?

      »Geht es dir wieder besser?«

      Ja, sie hat mich erkannt. Bestimmt hat sie nicht vergessen, wie ich neben mir war, nur weil eine Tür hinter mir mit einem Knall ins Schloss gekracht ist. Peinlich. Wenn sich doch bloß ein Loch auftun und mich verschlingen würde. Mein Therapeut meinte immer wieder, ich müsste mich für die Panikattacken nicht schämen. In diesen Momenten fragte ich ihn im Stillen: »Würdest du das auch sagen, wenn du in meiner Situation wärst?«

      Ich ringe mir ein Lächeln ab und versuche mir nichts anmerken zu lassen. »Ist er denn hier?«

      »Ja.« Sie sieht sich im Studio um. »Jedenfalls war er vorhin noch da«, meint sie mit leicht zusammengekniffenen Brauen. »Wahrscheinlich ist er drüben am Gewichte stemmen. Soll ich ihn holen oder willst du ihn selbst suchen gehen?«

      »Ich werde ihn schon finden. Du hast genug um die Ohren, wie ich sehe.« Ich nicke zu den wartenden Leuten, die an der Bar stehen.

      »Wenn du nicht fündig wirst, kommst du einfach wieder her. Alles klar?«

      »Ja, danke.« Ich gehe in jene Richtung, in die mich die Fitnessfrau mit ihrem Zeigefinger geschickt hat. Bevor ich den Raum verlasse, komme ich an einem Typ vorbei, der sich mit kerzengeradem Körper an einer Klimmstange hochzieht. Mannomann, was für eine Körperbeherrschung. Als der Kerl bemerkt, wie ich ihn anstarre, zwinkert er kurz, ehe er nach unten sinkt und sich wieder hochzieht. Ich werde rot, weshalb ich schnell weiterlaufe und betrete einen Raum, in dem jede Menge unterschiedlicher Geräte stehen.

      Da entdecke ich ihn. Er steht auf einer Matte, leicht in die Knie gebeugt. In der Hand hält er eine Kugelhantel, die er zwischen seinen Beinen hin- und herschwingt. Ich bleibe stehen, wo er mich nicht sehen kann und beobachte ihn, wie er konzentriert die Übung ausführt. Nach ein paar Wiederholungen streckt er die Hantel mit einem Arm über seinem Kopf hoch.

      Ich will mir keine Gedanken darüber machen, wie knackig sein Hinterteil in seiner schwarzen Shorts aussieht. Was sein Tattoo auf der rechten Wade bedeuten mag. Oder wie sich sein Bizeps wölbt, wenn er ein Gewicht hebt. Sein Anblick hat mich bereits bei unserer ersten Begegnung umgehauen. Und seine Augen, wow, seine dunklen Augen, die einen ansehen, als könnte er dich vor allem und jedem beschützen ... Sie lassen mich nicht mehr los.

      Genau deshalb sollte ich mich umdrehen und mich irgendwo anders nach einer Stelle umsehen. Aber meine Füße sind wie festgenagelt. Ich stehe hier und gaffe ihn an, als wäre er mein ganzes Universum.

      Evan, ein schöner Name, habe ich gesagt, als er sich mir vorgestellt hat. Wahrscheinlich fand er meine Bemerkung völlig bekloppt, aber mir ist nichts Besseres eingefallen, das nur annähernd beschreibt, was ich fühle, wenn ich seinen Namen ausspreche. Ich konnte ihm ja wohl schlecht sagen, sein Name fühle sich an, wie Schokolade, die auf der Zunge zergeht. So fühlt er sich an und so glaube ich, würde ich auch unter Evans Händen zergehen.

      Stopp. Stopp. Stopp. Auf keinen Fall dürfen meine Gedanken weiterwandern.

      Komm, Avery, nimm deine Beine in die Hände und geh. Der Typ dort hat dir ja jetzt schon fast den Kopf verdreht. Und du willst niemanden, der dir den Kopf verdreht, oder?

      Meine innere Stimme nervt, aber sie hat recht.

      Evan legt die Hantel weg und greift nach dem Handtuch, das er hinter sich an der Sprossenleiter befestigt hat. Er wischt sich über die Stirn und den Dreitagebart, ehe er sich an ein Gerät setzt, an dem er die Beine trainieren kann. Ein harter Zug ist um seinen Mund. Tiefe Ringe liegen unter seinen Augen. Eigentlich nur unter einem, das andere hat sonst jegliche Farbe bekommen. Er wirkt etwas geknickt.

      Statt, dass er mit der nächsten Übung beginnt, stützt er seine Ellbogen auf den Beinen ab und lässt seinen Kopf in die Hände fallen. Dabei starrt er zu Boden. Er scheint seine Umgebung gar nicht wahrzunehmen. Irgendwas beschäftigt ihn, das ist nicht zu übersehen. Ich würde gerne zu ihm gehen und ihn fragen, was ihm diesen traurigen Ausdruck in die Augen treibt, aber ich bin wahrscheinlich die untauglichste Person, bei der man sich das Herz ausschütten könnte.

      Ich entscheide mich, an einem anderen Tag wiederzukommen, auch wenn ich ungern meinen Posten verlasse, von wo ich Evan unbefangen beobachten kann. Er hat etwas an sich, das mich in seinen Bann zieht - nicht seine jetzige Traurigkeit, sondern die Lebensfreude, die er bei unserem letzten Treffen ausgestrahlt hat. Umso schwerer fällt es mir, ohne mit ihm gesprochen zu haben, umzudrehen und das Fitnessstudio wieder

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