Schöne Heimat. Kit Schulte
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Seit den 1860er-Jahren ist es in deutschen Familien der Oberschicht (und auch in solchen, die danach strebten, zur Oberschicht zu gehören) üblich, an Sonn- und Feiertagen Porzellangeschirr mit dem bekannten „Zwiebelmuster“ zu verwenden; es wurde ursprünglich 1740 von der Meissen Porzellanmanufaktur hergestellt.
WIE ICH ZUM FOODIE WURDE
Ich bin in Arnsberg aufgewachsen, einer kleinen westfälischen Provinzstadt inmitten der alten Bundesrepublik Deutschland. Meine Mutter führte den Haushalt für eine siebenköpfige Familie. Sie kochte klassisches deutsches Essen nach regionalen Rezepten, entweder von meiner Großmutter überliefert oder aus deutschen Kochbüchern entnommen. Diese traditionelle Erziehung bedeutete drei Mahlzeiten am Tag: Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.
Frühstück war und ist immer noch eine aufwendige Angelegenheit in ganz Deutschland, besonders sonntags. Meine Familie versammelte sich um einen gedeckten Tisch, darauf Aufschnitt, Käse, gekochte Eier, Brötchen, Toast, selbst gemachte Marmelade, Quark, Zuckerrübensirup und Nutella. An Wochentagen, wenn wir frühmorgens zur Schule eilen mussten, lieferte uns der örtliche Bäcker eine riesige Tüte warmer Brötchen an die Tür, die wir schnell mit einem der oben genannten süßen Aufstrichen aßen.
Das Mittagessen war die wichtigste Mahlzeit des Tages. An Wochentagen wurde es um 13 Uhr serviert, wenn unser Vater seine Mittagspause machte und wir Kinder von der Schule nach Hause kamen. Es bestand in der Regel aus zwei Gängen: einem warmen Hauptgericht und einem Nachtisch, z. B. Joghurt oder Obst. Meistens gab es Schweinefleisch in allen Variationen, begleitet von Kartoffeln, Kohl, Blumenkohl, Kohlrabi, grünen Bohnen, Lauch oder im Sommer Salat. Meine Mutter servierte auch Suppen und Eintöpfe.
Wie viele andere deutsche Ehefrauen und Mütter nach 1955 kochte meine Mutter Gerichte, bei denen das Fleisch immer die Hauptrolle spielte, Gemüse und Kartoffeln nur eine Nebenrolle: Würstchen, Schweinekoteletts, Schnitzel, Braten, Gulasch, Leberkäs etc., dazu eine Beilage. Und da meine Mutter weder Nudeln noch Reis mochte, haben wir immer Kartoffeln gegessen. Als Kind habe ich deshalb geglaubt, dass Kartoffeln aus Deutschland stammen. Erst viel später und zu meiner großen Überraschung habe ich erfahren, dass sie von spanischen Kolonialisten aus Südamerika nach Europa gebracht wurden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Im Sommer gab es bei uns Gurken, Blatt- und Tomatensalat. Meine Mutter und ich waren die Einzigen in der Familie, die Pilze liebten, und so waren frische Pfifferlinge oder Steinpilze im Spätsommer und Herbst ein rarer Genuss. Rot- und Weißkohl, Wirsing und Rosenkohl wurden im Herbst und Winter (über) gekocht serviert. Im späten Frühjahr und Sommer wurde es dann wieder frischer, wenn Kohlrabi, Blumenkohl und Lauch erneut auf dem Speiseplan standen.
Eine siebenköpfige Familie in einem großen Haus zu managen und dabei ein Niveau zu halten, das Ehemann, Nachbarn und Freunde beeindruckte, machte sich meine Mutter zur Aufgabe. Es war ihre Leidenschaft, aber auch ihr Fluch. Frische Produkte und selbst zubereitete Speisen hatten für sie keine Priorität, da der Einkauf und die Zubereitung viel Zeit und Mühe kosteten. Stattdessen ließ sie Tiefkühlkost liefern, füllte eine Vorratskammer mit Konserven, und einmal im Jahr fand ein ganzes Schwein, das bereits in Stücke zerlegt war, ein neues Zuhause in unserer XXL-Tiefkühltruhe.
Das Abendbrot war oft eher eine Laissez-faire-Angelegenheit. Meine Mutter bereitete eine große Platte vor, darauf mit Käse und Aufschnitt belegte Brotscheiben, manchmal zusätzlich mit Gurkenscheiben. Wir durften während des Essens fernsehen – Zeichentrickfilme und amerikanische TV-Serien der 1970er-Jahre.
Mein Vater wuchs auf einem Bauernhof auf und erbte eine tiefe Leidenschaft für die Natur und ein ausgeprägtes Naturbewusstsein. Wenn er nicht gerade als Ingenieur arbeitete, kümmerte er sich um seine Forellenzucht mit drei Teichen, um seinen Bio-Gemüsegarten und fand fast täglich Zeit für Waldspaziergänge.
Mit zehn Jahren lernte ich, eine Forelle zu fangen, zu töten und zu säubern. Als Kind war das eine aufregende Aufgabe, die immer mit dem Verzehr der geräucherten, gekochten oder gebratenen Forellen endete. Viele Freunde meiner Eltern waren Jäger, und so wurden Forellen gegen Reh, Wildschwein, Kaninchen und manchmal Fasan getauscht. Das Fleisch wurde eingefroren und von meiner Mutter an Feiertagen oder zu anderen besonderen Anlässen zubereitet.
Ich verließ meine Heimatstadt und Deutschland mit 17 Jahren als amerikanische Austauschschülerin in Missouri. Meine Gastmutter war ebenfalls Deutsche und mit einem ehemaligen amerikanischen Offizier verheiratet, den sie nach dem Krieg in Frankfurt kennengelernt hatte. Das Essen in Missouri war dem, was ich von zu Hause kannte, sehr ähnlich. Ausnahmen waren Hamburger, Hotdogs und so etwas wie Deutscher Schokoladenkuchen (eine amerikanische Erfindung).
Ich verlängerte meinen Aufenthalt, um in Atlanta, Georgia, Kunst zu studieren. Hier verliebte ich mich in einen Kunststudenten, der zum Koch ausgebildet war. Als wir zusammen in eine WG gezogen waren, nahm er mich zu einem riesigen überdachten Bauernmarkt mit. Mein erster Besuch dort hinterließ einen tiefen Eindruck und veränderte meine Beziehung zum Essen und zu Lebensmitteln von Grund auf. Wir kauften Zutaten für ein einfaches, frisches Gericht, darunter eine meiner damals absoluten Lieblingskombinationen: frische Fettuccine-Nudeln mit frischem Estragon und Jakobsmuscheln in Weißweinsoße. Nach dieser Erleuchtung hörte ich auf, Fleisch und Kartoffeln zu essen, und stürzte mich kopfüber in die vegetarische Küche.
Die Fischteiche meines Vaters im Sauerland.
Meine Großmutter väterlicherseits beim Salatpflücken, ca. 1950.
Ich erinnere mich gut an mein erstes vegetarisches Kochbuch, „The Enchanted Broccoli Forest“ von Molly Katzen. Es inspirierte mich, Geschmäcker aus fernen Kulturen zu erforschen, und ich erstellte lange Listen mit Gewürzen, die ich kaufen wollte, und träumte von exotischen Gerichten. Ein weiteres Jahr in Kalifornien war für mich der Beginn eines ganz neuen Kapitels: die Entdeckung der mexikanischen Küche.
Nach meiner Rückkehr und einem Studium in Berlin zog es mich erneut nach San Francisco, wo ich 13 Jahre blieb. In Kalifornien gab es eine große Auswahl an frischen biologischen Produkten, die ich oft in der Berkeley Bowl, einem berühmten Bauernmarkt, besorgte. Wenn Heimweh gelegentlich Heißhunger auf deutsches Essen auslöste, gab es zum Glück Lehr’s German Specialties in San Franciscos Noe Valley. Dieser kleine Laden hatte fast alles, was man zur Befriedigung dieses Heimweh-Hungers brauchte: Quark, Landjäger, Rollmops, Bahlsen Butterkekse (um Kalten Hund zu machen), Kinder Schokolade, Hanuta und eine große Auswahl an Haribo Gummibärchen.
Meine Großmutter mütterlicherseits bereitet Spargel-Schinken-Röllchen vor, ca.1975.
Schließlich zog ich wieder zurück nach Deutschland und wohnte in der Nähe des Winterfeldtplatzes in Berlin-Schöneberg, wo einer der berühmtesten Bauernmärkte der Stadt, der Winterfeldtmarkt, jeden Mittwoch und Samstag stattfindet. Jahrelang hatte ich alle möglichen Küchen, Lebensmittel und Gewürze kennengelernt, aber ich war erstaunt, wie vielfältig das Angebot an Gemüse und Obst in meinem Heimatland ist. Hatte ich etwas verpasst? Wann hatte sich das deutsche Essen über Bratwurst, Kartoffeln und Sauerkraut hinaus entwickelt?
Ich begann, mich intensiver mit der traditionellen deutschen Küche zu befassen, erinnerte mich