CyberWorld 3.0: Evil Intentions. Nadine Erdmann

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hinter ihr war niemand!

      Zumindest kein albtraumhaftes Geistermädchen. Nur Jemma, die auf dem Barhocker saß, die Beine baumeln ließ und Charlie mit hochgezogener Augenbraue ansah.

      »Alles klar?«

      Charlie stieß die Luft aus und hoffte, dass ihr rasender Herzschlag sich wieder beruhigte. »Mann! Hier war gerade eine echt zombiemäßige Geistergöre. Ich hab sie im Spiegel gesehen.« Vorwurfsvoll fuchtelte sie mit ihrem Säbel vor Jemmas Nase herum. »Du wusstest, dass die hier auftauchen wird!«

      Jemma grinste genauso höllisch wie zuvor das Zombiebalg.

      »Du bist absolut unmöglich!«, wetterte Charlie. »Wir führen hier gerade ein tiefgründiges Beste-Freundinnen-Gespräch, bei dem ich dir den bevorstehenden Wandel in meinem Liebesleben offenbare, und du warnst mich nicht mal vor?!«

      »Doch, tue ich.« Jemma deutete über ihre Schulter. »Die zombiemäßige Geistergöre kriecht gerade hinter dir aus dem Spiegel.«

      »WAS?!«

      Entsetzt fuhr Charlie herum.

      Shit!

      Tatsächlich kroch das Monsterbalg mit zuckenden Bewegungen aus dem Spiegelglas. Die Augen funkelten finster und das Biest streckte fauchend seine Krallenhand aus. Erschrocken stolperte Charlie ein paar Schritte zurück und hackte ihm die Klaue ab. Schwarzes Blut spritzte und das Zombiemädchen zischte wütend, schien sich aber ansonsten nicht weiter am Verlust seiner Gliedmaßen zu stören. Ohne Charlie aus den Augen zu lassen, richtete es sich auf, tappte weiter auf sie zu und grapschte mit seiner anderen Klaue nach ihr.

      Okay, jetzt reicht’s!

      Entschlossen ging Charlie zum Angriff über. So schnell sie konnte ließ sie ihren Säbel kreuz und quer durch die Luft sausen und richtete im Nullkommanichts ein Blutbad an.

      »Nicht schlecht. Im Säbelschwingen bist du echt gut geworden.« Beeindruckt betrachtete Jemma die Sauerei von ihrem Barhocker aus. »Erstklassig filetiert, würde ich sagen. Ich bin echt stolz auf dich! Du wirst noch eine richtig gute Rollenspielerin.«

      Sie schwang sich vom Hocker und legte Charlie einen Arm um die Schultern, obwohl die sie mit einem Blick durchbohrte, der in der echten Welt die Milch von ganz London hätte sauer werden lassen.

      »Vielen Dank für deine Hilfe, du Biest!«

      Jemma zwickte ihr in die Seite. »Das verklemmte Mauerblümchen wusste, dass du mit Evil Edith auch alleine klarkommst.«

      »Toll! Hat mich ja nur gefühlte zehn Jahre meines Lebens gekostet!« Angewidert sah Charlie zu, wie das zerstückelte Zombiemädchen noch einmal kurz aufflackerte und dann verschwand, während das dunkle Blut langsam in den alten Holzdielen des Fußbodens versickerte. »Ist das fiese Gör auf deinem Mist gewachsen oder muss ich Jamie dafür in den Hintern treten?«

      Jemma grinste. »Nein, die Kleine ist ausnahmsweise von mir.«

      »Okay, dreh dich um und mach dich auf den Tritt des Jahrhunderts gefasst!«

      Ungerührt blieb Jemma stehen. »Das wäre aber reichlich unfair. Schließlich ist es allein deine Schuld, dass Edi hier aufgetaucht ist. Du hast sie heraufbeschworen, nicht ich.«

       »Was?« Verständnislos blickte Charlie von Jemma zum alten Wandspiegel. »Wieso? Ich hab doch gar nichts gemacht.«

      »Oh doch, das hast du«, meinte Jemma schadenfroh. »Die kleine Edith hasst eitle Menschen. Wenn also ein Spieler zu viel Zeit damit verbringt, sich im Spiegel zu betrachten, oder sich gar erdreistet, über dieses wunderhübsche Piratenoutfit zu meckern, taucht sie auf, um ihm eine kleine Lektion zu erteilen!«

      Der Oktoberwind pfiff kalt ums Gebäude und klatschte dicke Regentropfen an die Fensterscheiben. Wie immer an solch ungemütlichen Tagen mieden die Schüler den Schulhof und in der Mittagspause drängten alle in die Cafeteria der Liongate Academy. Da noch einen Platz zu ergattern, erforderte entweder Glück oder eine ausgefeilte Strategie – und Zack verließ sich ungern nur auf Ersteres. Eine der letzten freien Tischnischen lag nur noch ungefähr sechs Meter von ihnen entfernt und er hatte nicht vor, sie sich von den vier Mädchen wegschnappen zu lassen, die im Schneckentempo vor ihnen herschlichen und die Ballakrobatik begafften, die einige Fußballer am Tisch der Schulmannschaft angeberisch zum Besten gaben. Zack holte aus, warf seine Lunchtüte in schwungvollem Bogen über ihre Köpfe – und sie landete punktgenau in der Mitte des Tisches.

      »Yes!« Triumphierend riss er die Arme hoch. »Basketball ist so viel alltagstauglicher als Fußball!«

      »Hey!« Ein Mädchen mit kurzen roten Haaren drehte sich empört zu ihm um. »Das war unser Tisch!«

      »Oh, tut mir leid.« Zack setzte sein entwaffnendstes Lächeln auf und strahlte in die Runde, während Ned sich am Rotschopf und ihren Freundinnen vorbeischlängelte und die Tischnische endgültig sicherte. »Ich dachte, ihr seid auf dem Weg zu unseren Fußballstars.«

      »Wohl kaum!«

      »Echt nicht? Ich dachte, Adrian hätte euch gerade zugewinkt.« Noch immer lächelte Zack gewinnend in die Runde, doch sein Blick machte gleichzeitig unmissverständlich deutlich, dass der Tisch erobert war.

      Die Rothaarige schnaubte, verkniff sich aber einen weiteren Kommentar, als Jamie zu ihnen trat. Mit einem kurzen Blick in seine Richtung wandte sie sich an ihre Freundinnen. »Kommt, Leute. Da hinten ist auch noch was frei.« Ohne Zack, Ned oder Jamie noch eines Blickes zu würdigen, zog die kleine Truppe von dannen.

      »Na, das lief doch perfekt.« Zufrieden ließ Zack sich Ned gegenüber auf die Sitzbank fallen.

      Der zog eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf. »Irgendwann fängst du dir für so eine Aktion nicht nur böse Blicke, sondern ein paar Ohrfeigen ein, das ist dir klar, ja?«

      »Bei dem Charme, den ich versprühe?« Zack schnappte sich seine Lunchtüte und begutachtete das Sandwich, das seinen Wurfgeschosseinsatz erfreulich unlädiert überstanden hatte. »Außerdem such ich mir immer nur Gruppen, die vollbeladene Tabletts mit sich rumschleppen. Das hilft, das Ohrfeigenrisiko in überschaubaren Grenzen zu halten.« Er grinste. »Und Lächeln ist ja bekanntlich immer noch die eleganteste Art, jemandem die Zähne zu zeigen, oder nicht?«

      »Du hörst dich an wie ein Glückskeks.« Augenrollend lehnte Jamie seine Krücken gegen den Tisch, streifte seinen Rucksack von den Schultern und rutschte neben Zack auf die Bank. »Beim nächsten Mal darfst du übrigens gerne ein bisschen weniger Charme versprühen. Die Kleine mit den braunen Locken hat ganz weiche Knie bekommen, als du sie angestrahlt hast. Ich glaube, die hat das mit dem Lächeln und Zähnezeigen nicht so ganz geschnallt.«

      Lachend zog Zack ihn an sich. »Eifersüchtig? Dafür hast du überhaupt keinen Grund, Kleiner.« Er gab ihm einen Kuss.

      »Blödmann.« Jamie boxte ihm in die Rippen. »Und nenn mich nicht Kleiner! Als ob du selbst ein Riese wärst!«

      Zack strubbelte ihm durch die Haare. »Aber immerhin bin ich locker größer als du!«

      »Na ja, das ist aber auch echt keine Kunst.« Ned gab sich nicht mal Mühe, sein unverschämtes Grinsen zu verstecken.

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