Der Stoff, aus dem die Helden sind. Jürgen Kalwa

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Der Stoff, aus dem die Helden sind - Jürgen Kalwa

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      Dies war das Sprungbrett für den großen Karriereschritt vier Jahre danach zum Cheftrainer der Green Bay Packers. In dieser Position wurde er wenig später so etwas wie der Chefideologe einer schlichten Weltsicht. Die eines autoritären Denkens – als Teamgeist verbrämt –, wie es im Volkssport American Football verankert ist.

      Das Anforderungsprofil, das seine Spieler erfüllen mussten, so sagte er mal in einem Interview, bestehe aus nur drei Dingen: Familiensinn, Religiosität und Einsatzbereitschaft:

       „There is three things as far as I am concerned. One is the man’s family and two is religion and number three must be the Packer football team.“

      Football ist ein Spiel voller Gewalt und militärtaktischer Disziplin. Seine wichtigsten Figuren sind nicht die Gladiatoren auf dem Platz, sondern die Trainer am Rand. Feldherrn und Marionettenspieler. Mystiker und Poeten eines erbarmungslosen Körperkults.

      In dieser Rolle brillierte Vince Lombardi wie kein anderer. Denn seine Packers gewannen und bestätigten auf diese Weise seine Aura, durch die er für ein paar Jahre so etwas wie der Pädagoge der Nation wurde.

      Ein harter Mann in einem harten Geschäft, dessen Organisatoren sich auf eine einfache Weise bei ihm bedankten. Sie gaben dem Pokal, den die siegreiche Mannschaft beim Super Bowl erhält, seinen Namen.

      Um eine solche Figur auf die Bühne zu bringen, brauchte der stämmige Hauptdarsteller Dan Lauria kaum Requisiten. Nur eine Brille, eine mit schwarzer Farbe vorgetäuschte Zahnlücke und diesen deftigen New Yorker Akzent: „We’re only here because we wanna win and when we lose we’re gone. Therefore we have to win.“

      „Wir sind nur hier, weil wir gewinnen wollen. Wenn wir verlieren, sind wir weg vom Fenster. Also müssen wir gewinnen.“

      Gewinnen – das war von Anfang an natürlich auch das Ziel von Eric Simonson, dem Autor des Stückes, der vor fünf Jahren einen Oskar für den Dokumentarfilm A Note of Triumph erhielt. Die Rechnung scheint aufgegangen. Die Produktion ist ein Publikumserfolg.

      Ein Docudrama, wie die Zeitung USA Today nach der Premiere im Oktober schrieb – „vorhersehbar und verdaulich“. Leider beschäftigt sich das Schauspiel nur wenig mit den inneren Befindlichkeiten des Menschen Lombardi, in dem ein Vulkan gebrodelt haben muss. Stattdessen geht es einmal mehr um sein Rollenspiel als Trainer, Stratege und Phrasendrescher. Mit anderen Worten: Eine vertane Chance. So besteht die eigentliche Leistung des Bühnenwerks vor allem darin, die proletarisch geprägte Footballkundschaft an den Broadway zu locken.

      Das Timing für die Produktion hätte übrigens nicht besser sein können. Denn die Packers von heute genügen zum ersten Mal seit langem wieder Lombardis Ansprüchen. Sie sind erfolgreich und haben beste Chancen, den Super Bowl gegen die Pittsburgh Steelers zu gewinnen.

      In den Übertragungen vom Super Bowl erfährt man nur wenig darüber, auf welch vielfältige Weise sich in den USA immer wieder Sport und der klassische Kulturbetrieb begegnen. Dabei waren und sind dies höchst anregende und unterhaltsame Experimente. Selbst dann, wenn sie gar nicht erst versuchen, die sperrige kultische Dimension von Sport einer gebührenden kritischen Aufarbeitung zu unterziehen, sondern eher die Legendenbildung vorantreiben. Kinofilme über das Leben und Leiden von Baseball-Profis wie Babe Ruth oder Lou Gehrig oder ironische Komödien voller Sympathien für ihre Charaktere wie Bull Durham oder Slap Shot wollen ihre Zuschauer vor allem unterhalten. Die Anregung zum Nachdenken verstehen sie nicht als ihre Aufgabe.

      Trotzdem nimmt immer mal wieder jemand die Folie des Sports und arbeitet sie konsequent in ein Stück Literatur ein – so wie etwa Don DeLillo in seinem Roman Unterwelt von 1997, in dem ein historischer Homerun als Zeitachse für das große Ganze dient – von den Katakomben des Kalten Krieges bis zu den Müllhalden der Zivilisation.

      Zu den gelungenen Ergebnissen, Sportalltag und künstlerische Ambitionen zu verflechten, gehört übrigens ebenfalls eine Broadway-Produktion: das Baseball-Musical Damn Yankees von 1955 von Richard Adler und Jerry Ross, eine moderne Form des klassischen Faust-Stoffs. Es wurde auch in der Film-Version 1958 ein Erfolg. Ein Hollywood-Remake ist im Gespräch.

      Ein Film über das Leben des Footballtrainers Vince Lombardiist seitdem ebenfalls geplant. Niemand anderer als Robert De Niro soll ihn spielen.

      (2011)

      Verglichen mit der Popularität des amerikanischen Sports sind Versuche, seine Themenwelt auf die Bühne zu bringen, eher dünn gesät. Immerhin: Es gibt und gab eine Reihe von Musicals wie Damn Yankees oder Good News, das ein bedeutendes Football-Spiel als Aufhänger nutzt und in den zwanziger-Jahren entstand. Es fand zu jener Zeit durchaus sein Publikum. Ebenso wie Golden Boy, ein Stoff aus dem Boxer-Milieu der dreißiger-Jahren, das in der Fassung mit Sammy Davis Jr. in der Hauptrolle 1964 Premiere hatte. Der erfolgreiche Musical-Komponist Andrew Lloyd Webber (Cats, Jesus Christ Superstar, The Phantom of the Opera) nahm 2000 mit The Beautiful Game Fußball ins Visier.

      Dramen ohne musikalische Elemente gab es häufiger. Beispielsweise The Changing Room von David Storey (1973), das als Schauplatz eine englische Rugby-Umkleidekabine nutzt. Howard Sackler schrieb in den Sechziger-Jahren ein Drama vor dem Hintergrund der Rassenproblematik im Boxen: The Great White Hope. Experimente gab es auch, wie 2012 die Produktion Magic/Bird über die besondere Beziehung der Basketball-Rivalen Magic Johnson and Larry Bird, an dem Kritiker des New Yorker vor allem die eingespielten Archivvideo-Elemente gefielen. Die Inszenierung selbst wirkte in ihrem Versuch, diese beiden Sportler mit gesellschaftlich relevanten Aspekten ihrer Biographien zu verknüpfen, allerdings eher „gestelzt“.

      Manchmal sind scheinbar griffige Titel eher irreführend. In Federer Versus Murray zum Beispiel spielt Tennis nur eine Nebenrolle (im Hintergrund läuft die Fernsehübertragung eines Spiels der beiden).

      52 Die Green Bay Packers gewannen in diesem Jahr (2011) tatsächlich den Super Bowl – zum vierten und vorerst letzten Mal. Die Mannschaft bezwang die Pittsburgh Steelers mit 31:25.

      VORNE WEG

      Das Gelbe Trikot der Tour de France ist das berühmteste Stück Stoff im internationalen Sport. Ein knallfarbenes Hemd mit einer scheckigen Geschichte

      Die Szene zeigt einen Mann, der sich barfuß, in T-Shirt und in kurzen Hosen betont entspannt auf seinem Sofa ausgestreckt hat. Über ihm an der Wand – ordentlich gerahmt und aufgereiht und von einzelnen Lichtkegeln angestrahlt: sieben Trikots unter Glas.

      Alle gelb.

      Alle mit ausgebreiteten Ärmeln.

      Alle aufgeladen mit ganz viel Symbolwert und Assoziationsmöglichkeiten.

      Wer den Schnappschuss aufgenommen hat, ist nicht bekannt. Klar wurde allerdings anhand des Textes, den der Mann auf dem Sofa zusammen mit der Aufnahme im November 2012 auf Twitter hochlud, was mit diesem Bild ausgedrückt werden sollte. Es sollte dem Rest der Welt, darunter den knapp vier Millionen Menschen, die ihm damals auf dem Kurznachrichtendienst folgten, eine selbstbewusste Botschaft vermitteln: Dass er, Lance Armstrong, sich in seinem eigenen Reich noch immer wie der erfolgreichste Teilnehmer in der Geschichte der Tour de France fühlte, obwohl ihn die amerikanische Anti-Doping-Agentur auf Lebenszeit gesperrt hatte. Eigentlich war in dieser Welt nichts Weltbewegendes passiert. „Ich bin wieder zurück in Austin“, hatte er geschrieben „und liege einfach nur rum.“

      Was

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