Der Stoff, aus dem die Helden sind. Jürgen Kalwa

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Der Stoff, aus dem die Helden sind - Jürgen Kalwa

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kam es nicht, als ein Berufungsgericht in Philadelphia den Streit endgültig beerdigte.

      Zumindest der Ort Jim Thorpe ist seither mit sich im Frieden.

      (2015)

      Es hat in der Geschichte der Olympischen Spiele nur wenige Fälle gegeben, in denen Athleten eine Medaille wieder zugesprochen wurde, die ihnen zuvor aberkannt wurde. Aus deutscher Sicht ist sogar nur ein Fall aktenkundig: der des Eiskunstlauf-Paares Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler. Die beiden hatten ihre Amateurlaufbahn nach den Olympischen Winterspielen von Innsbruck 1964 beendet, bei der sie die Silbermedaille gewonnen hatten. Später wurde bekannt, dass sie bereits vor der Veranstaltung einen Vertrag über ihren Auftritt in dem Kinofilm Die große Kür unterschrieben hatten. Dies stufte das Internationale Olympische Komitee als Verstoß gegen die damaligen Amateurregeln ein. Nach einigem Hin und Her erklärten sich Kilius und Bäumler 1966 bereit, die Medaille abzutreten. Nach der offiziellen Aufhebung des Amateurstatuts 1987 bekamen sie eine Neuprägung als Geste der Wiedergutmachung. Allerdings werden sie erst seit 2014 wieder offiziell vom IOC in der Statistik der Innsbrucker Spiele geführt.

      Bäumler war nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn als Schlagersänger, Schauspieler und Fernsehmoderator erfolgreich. Marika Kilius nahm ebenfalls Schallplatten auf und landete zweimal auf Platz zwei der deutschen Schlager-Hitparade. Als Unternehmerin entwarf sie Acrylmöbel, baute einen Merchandising-Betrieb auf, führte ein Restaurant und entwickelte eine eigene Kosmetik-Linie.

      MIRACLE ON ICE

      Der Sieg der amerikanischen Eishockey-Amateure bei den Winterspielen von Lake Placid über die sowjetischen Favoriten gilt als der spektakulärste Außenseiter-Sieg aller Zeiten. Buzz Schneider war nicht nur dabei, sondern mittendrin.

      22. Februar 1980. Ein Freitagabend in Lake Placid, einem kleinen Wintersportort auf halber Strecke zwischen New York und der kanadischen Grenze.

      Das erste Eishockey-Spiel des Tages im ausverkauften Olympic Field House ist gerade zu Ende gegangen. Und die 8000 Zuschauer strömen aus der ausverkauften Halle in die Straßen des Dorfs.

      Viele schreien begeistert, stakkatohaft immer nur dieselben drei Buchstaben: „USA! USA! USA!“.

      In vorbeifahrenden Autos liegen die Fahrer auf der Hupe. Und von irgendwo schießt außerplanmäßig ein Feuerwerk in den Himmel, in dem dicke Wolken einen Tanz aus kleinen Schneeflocken entfacht haben.

      Was macht man mit einem angebrochenen Abend wie diesem?

      Buzz Schneider, Ken Morrow und Bobby Suter haben eine Idee: Sie wollen die ausgelassene Stimmung so intensiv wie möglich einatmen. Eine Atmosphäre, die kurz davor ist, eine ganze Nation zu elektrisieren.

      Sie entscheiden sich für das Holiday Inn, aber drehen vorher ihre Trainingsjacken um, damit man sie nicht als Nationalspieler erkennt, und tauchen ein in die Menge im Hotel, die das Match, das soeben zu Ende gegangen ist, nun im Fernsehen sehen will.

      Es ist keine Wiederholung. Zu den wunderlichen Dingen rund um diesen Abend zwei Tage vor dem Ende der dreizehnten Olympischen Winterspiele gehört, dass dieses Spiel in den Vereinigten Staaten nicht live, sondern zeitversetzt mit sage und schreibe drei Stunden Verspätung übertragen wird.

      „Wir haben ein Bier getrunken und mitgejubelt. So wie jeder andere auch“, erinnert sich Schneider 40 Jahre später. Er hat im ersten Drittel das Tor zum 1:1-Ausgleich geschossen und kann nun diesen Augenblick quasi live noch einmal nacherleben. Die Entwicklung. Seinen Sturmlauf auf der linken Seite entlang der Bande. Die kurze, schnelle Ausholbewegung mit dem linken Arm. Und den gewaltigen Schuss aus fast 20 Metern in die linke, obere Ecke des sowjetischen Tores.

      So atemlos klang das damals im amerikanischen Fernsehen: „Pavelich holt sich den Puck für die USA. Pavelich. Vorne ist Schneider. Schlagschuss. Er geht rein. Buzz Schneider. Die Vereinigten Staaten gleichen das Spiel nach 14 Minuten und drei Sekunden aus. Buzz Schneider, der einzige von ihnen, der ‚76 in Innsbruck dabei war. Was für ein Turnier für ihn. Das ist Buzz‘ fünftes Tor.“

      Seitdem hat er die Szene zigmal gesehen. Aber für denjenigen, der sie nicht kennt, ruft er sie gern noch mal aus dem Gedächtnis ab: „Das hat mein Center Mark Pavelich eingefädelt. Er hatte den Puck und stürmte los, aber hat dabei alle nach rechts gezogen. Und dann hat er die Scheibe nach links gepasst.“

      Schneider braucht nach so vielen Jahren für die Nacherzählung deutlich länger als die vier Sekunden, die damals zwischen dem Beginn des Angriffs und seinem wuchtigen Schuss vergehen. In seiner Rückbesinnung spielen auch Kleinigkeiten eine Rolle. Zum Beispiel, wie er Wladislaw Tretjak bezwang, den 1,85 Meter großen Major der Roten Armee, damals der beste Torwart der Welt.

      „Ich war auf dem linken Flügel und habe ziemlich schnell abgezogen. Das hat Tretjak überrascht, der sich von einer Seite auf die andere bewegte. Ich wusste, dass ich den Puck gut getroffen hatte. Ich habe bewusst auf den oberen Teil des Tores gezielt. In die Ecke. Und so habe ich ihn kalt erwischt.“

      Die drei Spieler bleiben allerdings nicht bis zum Schluss der Übertragung. Sie wissen, was passieren wird, sobald die Menge im Hotel nicht mehr gebannt auf den Fernsehschirm starrt, sondern auf sie. „Keiner von uns wollte, dass man herausfindet, wer wir sind.“

      Es gibt für die drei keinen Grund, sich von der Stimmung mitreißen und womöglich einlullen zu lassen. Amerikas Eishockeynationalmannschaft hat zwar an diesem Abend Großartiges vollbracht, aber eigentlich noch nichts gewonnen. Erst zwei Tage später gegen Finnland geht es um den großen Preis: die Goldmedaille. Herb Brooks hämmert ihnen dies einen Tag nach dem Triumph noch einmal ein, wie Buzz Schneider sich erinnert.

      „Nachdem wir die Russen geschlagen hatten, trafen am nächsten Tag Telegramme von überall her ein, und es wurden in der Umkleidekabine Schläger unterschrieben. Herb kam herein und fegte die Schläger vom Tisch. Er sagte: ‚Ihr Jungs habt noch nichts gewonnen.‘ Dann sind wir rausgegangen und haben trainiert. Wir hatten – einen Tag vor dem Spiel um die Goldmedaille – eine der härtesten Trainingseinheiten des Jahres. Er hat dafür gesorgt, dass unsere Köpfe nicht zu sehr anschwellen. Dafür, dass wir bei der Sache waren.“

      Die Begegnung und die Goldmedaille gewinnen sie. Und das vor allem deshalb, weil sie einmal mehr, wenn auch relativ spät im Match, ihre überragende Kondition ausspielen und so den 4:2-Sieg sicherstellen.

      Dass man vorher in mehreren Spielen immer wieder am Rand zu einer Niederlage steht, ist eine der nachdrücklichen Erfahrungen des Teams während des ganzen Turniers. Zum Beispiel zwei Tage vorher in der letzten Partie der Vorrunde unmittelbar vor der Auseinandersetzung mit den haushohen Favoriten aus der UdSSR. Gegen einen ziemlich eckigen Gegner namens West Germany liegt man nach dem ersten Drittel mit 0:2 zurück, weil Torwart Jim Craig gleich bei zwei Distanzschüssen zu spät reagiert. Derselbe Craig, der gegen die Sowjetunion wie eine Wand so gut wie alles abwehrt, was auf ihn zukommt. Was bitternötig ist. Denn die Angreifer der UdSSR dominieren. In der Statistik der Torschüsse sieht die Übermacht geradezu überwältigend aus: Die Sowjetunion verbucht 39. Die USA gerade mal 16.

      Die Amerikaner kontern jedoch in den beiden restlichen Dritteln gegen die Bundesrepublik und gewinnen mit 4:2. Nicht genug für manche US-Experten, die auf einen höheren Erfolg gesetzt haben, mit dem sich das Team in der Vorrundentabelle vor die Schweden geschoben hätte und einen sofortigen Showdown mit den Sowjets vermieden.

      Die amerikanischen Spieler finden solche Überlegungen unsinnig. „Worin besteht denn da der Unterschied?“ sagt Torwart Craig. „Wir müssen doch so oder so gegen sie

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