Der Stoff, aus dem die Helden sind. Jürgen Kalwa

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Der Stoff, aus dem die Helden sind - Jürgen Kalwa

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insgesamt 375.000 Dollar an die Amerikanerin, die die Zahlung später als eine Art von Schweigegeld einstufte.

      32 Siehe auch Magier aus einer fernen Welt auf Seite 357ff.

      33 Wörtlich: Moralitätenspiel. Ein im amerikanischen Sportjournalismus gerne benutzter Begriff, wenn es um Themen aus dem Bereich Recht, Moral und Ethik geht. Dieselbe Vokabel kennt man in Deutschland nur in ihrem ursprünglichen Kontext aus dem Bereich des Theaters, wo vor mehr als hundert Jahren Stücke populär waren, die Moralitäten genannt wurden. Sie kamen mit einer simplen Botschaft daher: Dass die Welt eigentlich in Ordnung ist. Eine Welt, in der am Ende, wenn der Vorhang fällt, die tugendhaften Akteure das Übel jedes Mal besiegt haben.

      34 Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Washington und ein neues Gesetz in Kalifornien, das College-Sportlern erstmals gestattete, ihren Namen und ihren Ruhm auf eigene Rechnung zu vermarkten, brach im Laufe des Jahres 2021 das alte System komplett auf. Andere Bundesstaaten zogen nach, weil sie befürchteten, dass sie im Wettbewerb mit jungen Talenten den Kürzeren ziehen, wenn sie ihnen nicht ermöglichen, nebenbei Geld zu verdienen. Eine bundeseinheitliche Regelung wird im Kongress in Washington diskutiert, steht allerdings noch aus.

      35 Ford verfolgt in der über eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten ausgelegten Roman-Serie das Leben seines Protagonisten Richard Bascombe und verwebt im zweiten Titel Unabhängigkeitstag (Berlin 1995) den Besuch von gleich zwei Halls of Fame in den Handlungsstrang – die Basketball Hall of Fame in Springfield im Bundesstaat Massachusetts und die Baseball Hall of Fame in Cooperstown im Bundesstaat New York (siehe auch Denkmalpflege ab Seite 40ff.

      36 Mariah Burton Nelson: „The Stronger Women Get, the More Men Love Football”, New York, 1994

      37 Martin Rogers: The Story behind former Chicago Bulls Center Luc Longley’s Absence in the The Last Dance, 23. August 2021, https://www.foxsports.com/stories/nba/luc-longley-michael-jordan-chicago-bulls-last-dance-documentry-one-giant-leap zuletzt aufgerufen im Dezember 2021

      38 Scottie Pippen mit Michael Arkush: Unguarded, New York, 2021

      39 Jürgen Kalwa: Ehrung von Spielern – Nummer für die Ewigkeit, Deutschlandfunk, 15. August 2020

      Seit hundert Jahren glorifizieren Amerikas Ruhmeshallen den Sport mit Wallfahrtsorten für nostalgiebeseelte Fans. Allen voran: die Baseball Hall of Fame in Cooperstown

      Wenn man im Sommer in Amerika in ein Baseball-Stadion geht und sich ein Spiel der obersten Liga anschaut, fällt einem vor allem eines auf: Auf den Rängen herrscht eine unbeschwerte Stimmung.

      Die produziert ein ständiges Raunen, durch das hin und wieder das Geräusch des Holzschlägers durchklingt. Und das Geschrei der Hot-Dog-Verkäufer.

      In dem Treiben gibt es keine Hooligans. Keine Aggressivität. Keinen tiefsitzenden Hass. Baseball-Fans sind Menschen, die sich beim Spiel eine entspannte Auszeit von ihrem Alltag gönnen wollen.

      Wenn dann der Herbst kommt und die Saison langsam zu Ende geht, erfasst sie eine gewisse Melancholie. Ein Gefühl, über das Bartlett Giamatti vor einigen Jahren einen ganzen Essay geschrieben hat: The Green Fields of the Mind40, eine zu einem Klassiker gewordene literarische Arbeit, inspiriert von einer typischen Saison der Boston Red Sox, deren Anhänger zu seinen Lebzeiten in einer nostalgisch verklärten, fatalistischen Enttäuschungsstarre lebten.41

       „It breaks your heart. It is designed to break your heart.“

      Baseball bricht dein Herz. Es ist entwickelt worden, um dein Herz zu brechen.

      „The game begins in the spring, when everything else begins again, and it blossoms in the summer, filling the afternoons and evenings, and then as soon as the chill rains come, it stops and leaves you to face the fall alone.“

      Das Spiel fängt im Frühling an, wenn alles andere wieder beginnt. Und es blüht im Sommer, wenn es die Nachmittage und Abende füllt. Und dann, sobald der kalte Regen kommt, hört es auf und lässt dich mit dem Herbst allein.

      Giamatti, ein kleiner, korpulenter Mann mit einer kräftigen Stimme, war einer jener zahllosen amerikanischen Intellektuellen, die in dieser eigentlich profanen Sportart etwas mehr sehen als nur ein Mannschaftsspiel mit einem Holzknüppel und einem harten, faustgroßen Lederball.

      Seine berufliche Laufbahn begann er als Literaturprofessor und Kenner der Renaissance. Als Präsident der Elite-Universität Yale machte er Karriere. Und schließlich – als Chef der amerikanischen Profi-Baseball-Liga, genannt Major League Baseball – machte er sich einen Namen. Sein Text spiegelt eine ureigene Wahrnehmung von Sport wider: eine Mischung aus Nostalgie und Poesie.

      Bartlett Giamatti, genannt Bart, starb 1989 im Alter von nur 51 Jahren. Der Kettenraucher erlitt einen Infarkt.

      An einem Ort weit weg von Yale und ebenso weit weg von dem Treiben des Profi-Baseball hat man ihm eine Art von Denkmal gesetzt: in der Baseball Hall of Fame in Cooperstown. Eröffnet in den dreißiger-Jahren und seitdem Inbegriff des Personenkults im Sport. Der Kult geht allerdings längst über das Interesse an den Athleten hinaus. Auch die Hohepriester werden geehrt. Weshalb die Bibliothek seit ein paar Jahren diesen Namen trägt: Giamatti Research Center.

      Warum auch nicht? Der Bücher schreibende Akademiker hatte einst in seiner kurzen Zeit als Commissioner den Aufbau dieser Bibliothek besonders gefördert. Auf dem Weg dorthin geht man durch einen hohen, lichtdurchfluteten, eichengetäfelten Raum, der wie das Mittelschiff einer Kirche wirkt. An den Wänden: mehr als 300 Bronzetafeln mit den Gesichtern von Spielern, Managern, Trainern und Schiedsrichtern aus mehr als hundert Jahren Baseballgeschichte, die alle etwas gemeinsam haben. Durch ihre Leistungen auf dem grünen Rasen und ihre Rolle hinter den Kulissen sind sie unvergesslich geworden. Oder wie Pressesprecher Craig Muder bei einem Rundgang sagt: unsterblich.

      Er bleibt einen Moment lang vor den Bronzetafeln stehen und erklärt: „Die Ruhmeshalle sind insgesamt drei Einrichtungen unter einem Dach. Es ist auch ein Museum. Wir haben mehr als 38.000 Objekte, Schläger, Bälle, Handschuhe, Schuhe, von denen an in der Ausstellung jeweils nur zehn Prozent sehen kann. Der Rest befindet sich in einem klimatisierten Archiv unter unseren Füßen. Die Geschichte des Spiels: Wir bewahren sie auf.“

      Es handelt sich um mehr als nur um bloßes Aufbewahren. Die Einrichtung ist das Gegenstück zu einer religiösen Kultstätte, sagt der New Yorker Journalist Zev Chafets. Er hat das Buch Cooperstown Confidential42 geschrieben, ein kritischer Blick in die Geschichte der Einrichtung.

      „Für Amerika ist Baseball etwas Besonderes. Es hat sich zu einer Heldenmaschine entwickelt. Das gibt es sonst nur in Hollywood. Baseballgeschichte und Baseballtradition sind viel populärer als Football oder jede andere Sportart. In die Baseball Hall of Fame aufgenommen zu werden, ist so etwas wie durch den Ritterschlag in den Adelsstand erhoben zu werden. Eine größere Ehre gibt es nicht. Die Baseball Hall of Fame wird von Leuten gerne als Schrein bezeichnet. Die Reise dahin nennen sie eine Wallfahrt. Cooperstown ist eine säkulare religiöse Institution.“

      Weshalb einem auf einer Reise nach Cooperstown, in die kleine Stadt vier Stunden von New York, die Worte von Annie Savoy einfallen,

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