Verwildert. George Monbiot

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Verwildert - George Monbiot

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es sozusagen wie ein Glas Gurken einzuwecken, soviel wie etwas zu schützen, das wenig Beziehung zur natürlichen Welt aufweist. Zu dieser Sichtweise haben im Übrigen die faszinierendsten wissenschaftlichen Entwicklungen der letzten Zeit beigetragen.

      Ökologen haben in den vergangenen Jahrzehnten die Existenz breitgefächerter trophischer Kaskaden entdeckt. Dabei handelt es sich um Prozesse, die von Tieren an der Spitze der Nahrungskette ausgelöst werden und die bis an die unterste Ebene der Nahrungskette durchschlagen. Prädatoren und große Pflanzenfresser sind in der Lage, die Orte, an denen sie leben, umzuformen. In manchen Fällen verändern sie dabei nicht nur das Ökosystem, sondern auch die Bodenzusammensetzung, das Verhalten von Flüssen, die Chemie der Ozeane und sogar die Zusammensetzung der Atmosphäre. Befunde wie diese legen nahe, dass die natürliche Umwelt aus weit faszinierenderen und komplexeren Systemen besteht, als wir bislang dachten. Mit ihnen verändert sich unser Verständnis vom Funktionieren der Ökosysteme und sie stellen bestimmte Modelle des Naturschutzes radikal infrage. Zudem liefern sie ein stichhaltiges Argument für die Wiedereinführung großer Raubtiere und anderer verschwundener Arten.

      Bei der Recherche zu diesem Buch bin ich mit der Hilfe Adam Thorogoods, eines visionären Försters, auf eine aufwieglerische Idee gestoßen, die mit Ausnahme einer beiläufigen Feststellung in einem Wissenschaftsartikel noch nirgendwo erörtert worden ist.6 Ich hoffe, dass diese Idee dazu anregen wird, die Funktionsweise unserer Ökosysteme und auch das Ausmaß, in dem sie als naturgegeben wahrgenommen werden, neu zu bewerten. Wir glauben, dass es schlagkräftige Indizien für die Annahme gibt, dass sich zahlreiche in Europa heimische Bäume und Büsche unter dem Einfluss von Elefantenattacken entwickelt haben, die zu spezifischen Abwehrstrategien führten. Der europäische Waldelefant (Elephas antiquus), der mit der heute noch in Asien lebenden Art verwandt war, lebte in Europa bis vor etwa 40 000 Jahren, das ist kaum mehr als ein Ticken der Evolutionsuhr.7 Er starb wahrscheinlich durch Überjagung aus. Wenn die Indizien tatsächlich so stringent sind, wie es scheint, dann legen sie nahe, dass diese Art die gemäßigten Zonen Europas dominierte. Unsere Ökosysteme sind offenbar an den Elefanten angepasst.

      Die in unserem veränderten Klima, auf unseren ausgelaugten Böden entstehenden Ökosysteme werden anders aussehen als die in der Vergangenheit vorherrschenden. Wohin sie sich entwickeln, ist nicht vorhersehbar – ein Grund auch, warum dieses Projekt so spannend ist. Wo sich der Naturschutz allzu oft an der Vergangenheit orientiert, blickt die so verstandene Rückverwilderung in die Zukunft.

      Die Rückverwilderung von Land und Meer könnte selbst in ausgelaugten Regionen wie in Großbritannien und Nordeuropa Ökosysteme produzieren, die so überreich und faszinierend sind wie jene Gegenden, die zu Gesicht zu bekommen Enthusiasten um den halben Globus reisen. Ich hoffe zudem, dass durch diese Strategie der Aufenthalt in einer großartigen, freilebenden Tierwelt für jedermann möglich wird.

      Mich interessieren, wie gesagt, zwei Definitionen der Rückverwilderung. Die zweite ist die Rückverwilderung des menschlichen Lebens. Sehen manche Primitivisten einen Konflikt zwischen der zivilisierten und der wilden Welt, hat die Rückverwilderung, wie ich sie im Auge habe, nichts mit dem Abstreifen der Zivilisation im Sinn. Ich bin der Überzeugung, dass wir die Vorzüge einer avancierten Technik ebenso genießen können wie ein Leben, das mehr an Abenteuer und Überraschungen bietet. Bei der Rückverwilderung geht es nicht darum, die Zivilisation aufzugeben, sondern sie zu verbessern. Es gilt, »nicht den Menschen abgewandt, doch mit Natur vertrauter« zu werden.8

      Würde man eine ausgefeilte, von hohen Ernteerträgen gestützte Ökonomie aufgeben, wäre das katastrophal. Bevor der Ackerbau auf der Britischen Insel begann, hat sie offenbar höchstens 5000 Menschen ernährt.9 Wenn diese Menschen gleichmäßig verstreut gewohnt hätten, hätte jede Person 54 Quadratkilometer beansprucht, eine Fläche, die etwas größer ist als das Stadtgebiet von Southampton (das heute 240 000 Einwohner beherbergt).10 Das war anscheinend die Anzahl der Menschen, die sich durch Jagen und Sammeln ernähren ließ. (Gleichwohl haben die Männer und Frauen der Mittelsteinzeit das Vorkommen großer Säugetiere beträchtlich reduziert.) Ich habe Primitivisten getroffen, die mit der Fantasie liebäugelten, zu einer Jäger-und-Sammler-Ökonomie zurückzukehren. Allerdings würde dies die Eliminierung fast aller Menschen voraussetzen.

      Aus dem gleichen Grund bin ich der Auffassung, dass eine extensive Rückverwilderung nicht auf ertragsfähigem Land erfolgen sollte. Sie kommt besser an Orten zur Anwendung, an denen die Ertragsfähigkeit so niedrig ist, dass Ackerbau nur noch aufgrund der Großzügigkeit der Steuerzahler stattfinden kann, insbesondere etwa in den Bergregionen. Da aufgrund mangelnder Finanzierung die Grundversorgungsleistungen allerorts in Europa (und in einigen anderen Teilen der Welt) gekappt werden, können Landwirtschaftssubventionen in ihrer heutigen Form sicherlich nicht länger ausbezahlt werden. Ohne sie allerdings kann man sich schwerlich vorstellen, wie der Landbau in den genannten Regionen noch aufrecht erhalten werden soll: zum Guten oder Schlechten wird er nach und nach aus den Bergregionen verschwinden.

      Für manche Leute bedeutet Rückverwilderung den Rückzug des Menschen aus der Natur; für mich bedeutet sie seine neuerliche Einbindung. Ich würde nicht nur gerne eine Wiedereinführung von Wolf, Luchs, Vielfraß, Biber, Wildschwein, Elch, Wisent und – vielleicht eines Tages, in ferner Zukunft – von Elefanten und anderen Arten erleben, sondern auch von Menschen. In anderen Worten: Ich sehe in der Rückverwilderung eine verbesserte Möglichkeit für den Menschen, sich mit der natürlichen Welt zu verbinden und sich an ihr zu erfreuen.

      Verwildert nimmt auch jenes Leben ins Visier, das wir nicht mehr führen können, so wie die – oft unabdingbaren – Zwänge, die uns davon abhalten, unsere vernachlässigten Fähigkeiten zu üben. Es legt dar, wie ich selbst versucht habe, innerhalb dieser Zwänge mein eigenes Leben wieder wilder zu machen und der ökologischen Langeweile zu entrinnen. Mit Sicherheit bin ich nicht der Einzige, der ein unerfülltes Bedürfnis nach einem wilderen Leben verspürt, und ich möchte behaupten, dass dieses Bedürfnis zu einer bemerkenswerten kollektiven Wahnvorstellung geführt haben dürfte, an der heute tausende Menschen leiden und die in der fast perfekten Abkapselung des Wunsches nach einem weniger gebändigten, weniger vorhersehbaren Ökosystem zu bestehen scheint.

      Wenn Sie mit Ihrem Leben in all seinen Facetten zufrieden sind, wenn es bereits so bunt und überraschend ist, wie Sie es sich immer gewünscht haben, wenn das Entenfüttern schon das höchste der Naturgefühle ist, das sie erleben möchten, dann ist dieses Buch wahrscheinlich nichts für Sie. Wenn Sie aber, wie manchmal ich, das Gefühl haben, Sie kratzten an den Mauern Ihres Lebens, wenn Sie hoffen, einen Ausweg in eine hinter den Mauern liegende größere Welt zu finden, dann dürften Sie in diesem Buch etwas entdecken, in dem Sie sich wiedererkennen. Wie wir unseren Platz in der Welt verorten, ihre Ökosysteme verstehen und die Mittel, mit denen wir uns mit ihnen verbinden können, wahrnehmen, möchte ich auf den Prüfstand stellen.

      Damit

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