Verwildert. George Monbiot

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Verwildert - George Monbiot

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als sonst in die Bucht gekommen seien (die Aufzeichnungen belegen eher das Gegenteil), oder den seit Ende Mai vorherrschenden Nordwestwinden, die wohl die Schwärme auseinandergerissen hätten. Einige Leute verwiesen auf die sogenannten schwarzen Anlandungen durch eine Gruppe betrügerischer Fischer aus Schottland (sie hätten über die Quote hinaus Makrelen und Heringe im Wert von 63 Millionen Pfund angelandet),2 andere auf das Versagen der Europäischen Union, Norwegens, Islands und der Faröer, die jetzt, da die Schwärme im Winter weiter gen Norden zögen, falsche Entscheidungen hinsichtlich der Fangmengen der einzelnen Nationen getroffen hätten;3 oder es wurde der Überfischung der Biskaya durch die spanische Fischereiflotte zugeschrieben, die vor Kurzem fast das Doppelte der erlaubten Quote in ihren Netzen gehabt hätte.

      Ich konnte bislang nicht mit Sicherheit feststellen, ob die in die Cardigan Bay wandernden Fische zu der gleichen Population gehören wie die, die in anderen Gewässern einem immensen Fangdruck ausgesetzt waren. Jedenfalls sind die in die Bucht kommenden Makrelen selbst in besseren Jahren, wenn man in etwa einer Stunde 100 oder 200 Fische an Bord ziehen kann, die zerfledderten Reste einer einst gewaltigen Population. Sie könnten sich noch daran erinnern, sagen die örtlichen Fischer, dass die Schwärme früher bis zu fünf Kilometer lang gewesen seien; heute könne man von Glück reden, wenn man einem Schwarm begegnet, der hundert Meter lang ist. Die Europäische Union klassifiziert den Makrelenbestand in der Irischen See als »innerhalb sicherer biologischer Grenzen«,4 was allerdings mehr über unsere verminderten Erwartungen hinsichtlich einer gesunden Population als über den Zustand der Art aussagt.

      Ein weiteres Stoßen an der Leine, und ich zog einen kleinen braunen Fisch heraus. Ich zögerte, bevor ich ihn ins Boot schwang. An diesem Küstenstrich werden braune Fische nur mit Vorsicht eingeholt, denn sie könnten zu der für Angler gefährlichsten Art in britischen Gewässern gehören.

      Zum ersten Mal kaschte ich einen bei meiner Jungfernfahrt in die Cardigan Bay. Ich hatte Makrelen gefangen, die wild herumschlugen, als ich sie am Haken hatte. Aber dieses Ding blieb unten und schüttelte den Kopf. Die Schwingungen waren über die Leine zu spüren. Ich brachte es an die Oberfläche und sah, dass es 40 bis 50 Zentimeter lang war, eher bleich und braun-weiß gefleckt.

      Als ich es aus dem Wasser zog, begann es sich wie verrückt hinund herzuwerfen. Ich schwang es in Richtung meiner freien Hand, aber gerade als ich es ergreifen wollte, schrillte ein uralter, tief in den Basalganglien eingegrabener Alarm. Ich ließ den Fisch in das Boot fallen und inspizierte ihn, als er auf dem Deck zappelte. Ich hatte gedacht, jede in den britischen Gewässern vorkommende Art zu kennen, aber so etwas hatte ich noch nie gesehen. Ein grün und purpur leuchtender Flossensaum lief den ganzen Körper entlang. Die Seiten waren mit Schlängellinien gezeichnet, Glupschaugen oben auf seinem Kopf und ein riesiges nach oben gerichtetes Maul. Dann, plötzlich, von einem lang vergessenen Buch oder Plakat herrührend, hatte ich den Namen im Kopf.

      Es gab zwei Arten. Der Fisch gehörte nicht der kleineren Art an, die sich bei Ebbe im Sand versteckt und die Ferien von barfuß laufenden Kindern ruinieren kann. Es war ein Großes Petermännchen, das, wie ich später gelesen habe, erwachsene Männer vor Schmerz zum Weinen und Toben bringt. Wie die Viperqueise, die kleinere Art, besaß es drei giftbewehrte Stachel in seiner Rückenflosse und eine auf jedem Kiemendeckel. Wenn ein Stich nicht gleich behandelt wird, können die Schmerzen über Tage andauern. Eine Frau aus der Gegend, die auf einem gecharterten Boot angelte, setzte sich aus Versehen auf einen dieser Fische, den jemand auf Deck abgelegt hatte, und musste sechs Wochen im Rollstuhl verbringen. Ich habe einen Mann getroffen, der sechs Monate lang seine linke Hand nicht bewegen konnte. Es sind nur wenige Todesfälle durch Petermännchen bekannt, doch wenn man in einem Kajak gestochen wird und keine Gegenmittel zur Verfügung hat, wird man kaum aus eigener Kraft zurück an Land gelangen. Schmerz und Schock machen das Paddeln absolut unmöglich.

      Nachdem ich fast aus dem Boot gefallen war, schaffte ich es, das seltsame Geschöpf vom Haken zu schütteln. Seither habe ich stets einen Holzknüppel dabei. Wann immer ich ein Petermännchen fange, ziehe ich es gegen die Seite des Kajaks und verpasse ihm einen heftigen Schlag. Es hat festes weißes Fleisch, das eine exzellente Bouillabaisse oder ein hervorragendes Curry ergibt. Im Mittelmeer dürfen die Angler auf den Charterbooten alle Fische, die sie fangen, behalten – mit Ausnahme der Petermännchen, die die Crew für sich beansprucht.

      In der Saison zuvor gab es Zeiten, an denen ich Petermännchen in größerer Zahl geangelt habe als Makrelen. Auf dem Boot bin ich nie gestochen worden, doch eines Tages, als ich, zurück am Ufer, den Fisch filetierte, während mein Partner ein Feuer in den Dünen machte, rutsche ich mit der Hand aus und rammte meinen Daumen in einen Stachel. Es fühlte sich an, als hätte ich meinen Daumen auf eine Werkbank platziert, einen Hammer geschwungen und so heftig wie möglich zugeschlagen. Ich erstarrte vor Schmerz und spürte voller Panik eine sich durch den Arm über die Schulter bis zur Brust ausbreitende Taubheit. Obwohl mein Gehirn von rotglühendem Schmerz überflutet war, begann es zu arbeiten. Die Stiche von Petermännchen werden am besten mit heißem Wasser behandelt, was so schnell wie möglich geschehen muss. Am Strand gab es kein heißes Wasser. Da aber Haut wasserabweisend ist, konnte der erwünschte Effekt nicht vom Wasser ausgehen. Es musste die Hitze sein. Das Gift musste hitzeempfindlich sein. Und es spielte keine Rolle, woher die Hitze kam. Wo gab es Hitze? Mit nervösem Blick suchte ich die Gegend ab und sah den Rauch zwischen den Dünen aufsteigen.

      Ich rannte, über meinen Arm gebeugt, den Strand hinauf, sprang über die Dünen und stieß meinen Daumen in die Flammen. Mein Partner starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Doch die Wirkung war bemerkenswert. Binnen einer Minute begann der Schmerz abzuklingen. Ich hielt meinen Daumen so nah ans Feuer, dass er beinahe versengte; der von den Flammen verursachte Schmerz war weniger heftig als der vom Gift herrührende. Schon bald beruhigten sich meine in Aufruhr befindlichen Nerven. Die Taubheit ließ nach und innerhalb einer halben Stunde fühlte ich mich wieder so wohl wie vor dem Moment, als ich mir den Stachel eingerammt hatte.

      Bei dem Fisch allerdings, den ich nun ins Boot zog, handelte es sich nicht um ein Petermännchen. Er hatte eine hohe rechteckige Stirn, ein zartes schnabelförmiges Maul, damastene, kastanienbraune und mit Gold durchsetzte Flanken sowie zinnoberrote Flossen mit türkisen Flecken in der Form spanischer Fächer. Unter der Kehle befanden sich lange knochige Finger, mit denen er die Sedimente nach Nahrung abtastet. Von vorne gesehen sah der rote Knurrhahn wie eine Gans aus, seine Augen saßen seitlich und hoch angesetzt auf seinem beschnabelten Kopf. Von der Seite war er so hübsch wie ein Aquarienfisch. Ich ließ ihn frei und er huschte zurück in die Tiefe.

      Ein paar hundert Meter von der Stelle, an der ich mich befand, brachen die Wellen auf dem Kies. Noch immer die Leine hinter mir her ziehend, mühte ich mich mit schweren Armen und vor Anstrengung zitternden Beinen Richtung Norden, wo eine Reihe weißer Brecher den Rand des Riffs markierte. Ich wickelte die Schnur auf die Rolle, sicherte die Haken und verstaute sie. Kurz darauf passierte ich die Salzgrenze. Eine säuberliche weiße Linie aus Schaum. Auf der einen Seite war das Wasser grün und klar; auf der anderen war es braun und trübe: Aus dem Fluss strömte Süßwasser und drang, sich ausfächernd, ins Meer vor. Der Farbwechsel war so abrupt wie auf einem Diagramm.

      Ich torkelte durch die brechenden Wellen. Sie schlugen gegen die Felsbrocken in der Flussmündung. Sie schubsten das hintere Ende meines Bootes herum und drohten, mich breitseits in die felsige Brandung zu drücken. Ich wurde von dem Ende einer großen rollenden Welle erfasst; sie drehte mich und mein Bug knallte auf einen Felsen. Ich paddelte rückwärts, glitt durch den nächsten Brecher und fand schließlich zwischen zwei Wellen einen Durchgang. Ich drückte mein Paddel ins Wasser und schob mich in die Flussmündung hinein. Aufgrund der steigenden Tide hatte das Wildwasser im Fluss an Tempo verloren und ich vermochte, mich an die Innenseite der Mäander haltend, gegen es anzupaddeln. Kleine Plattfische schossen unter dem Bootsrumpf davon. Nach ein paar hundert Metern stieg das Flussbett an und das Wasser gewann an Macht. Ich paddelte mit aller Kraft, kam aber schon bald nicht mehr vorwärts. Ich klemmte das Paddel zwischen die Steine und glitt aus dem Boot. Müde und erschöpft, wie ich war, verlor ich den Halt, fiel Kopf voran ins Wasser

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