Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben. Lisa Lamp
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»Zu Regans Unterricht«, half mir Nathalia freundlich auf die Sprünge und kicherte, weil es mir nicht zum ersten Mal passierte, dass ich alles in meiner Umgebung vergaß, um in Ruhe grübeln zu können. Mir den Kopf zu zerbrechen, war in den letzten Monaten ein Hobby von mir geworden.
»Ich hatte noch nie eine Stunde bei ihr«, erwiderte ich schnell und widmete mich wieder meinen Gedanken, bis wir das Klassenzimmer erreichten. Ich wusste bereits, warum die drei das Thema so sehr interessierte. Die ganze Schule redete inzwischen über die Schulstunden des jüngsten Ratsmitglieds. Angeblich waren sie spektakulär, anders als alle anderen Unterrichtseinheiten und hatten nur wenig mit Lernen zu tun. Auch ich war schon gespannt gewesen, doch ich wollte es lieber auf mich zukommen lassen. Ich konnte mir sowieso nicht vorstellen, wie Unterricht ohne Lernen aussehen sollte.
Es läutete zur nächsten Stunde und wir beschleunigten unsere Schritte, um vor der Lehrkraft ins Klassenzimmer zu kommen. Gesammelt setzten wir uns in die letzte Reihe. Hunter wartete bereits auf uns und klopfte auf den Platz neben sich, als er mich sah.
»Guten Morgen, Prinzessin«, begrüßte er mich und setzte ein 1000-Watt-Lächeln auf. Augenrollend, aber mit einem Grinsen auf den Lippen, schwang ich mich auf den Stuhl und legte mein Buch auf dem Tisch ab. Wie von selbst fand die Hand des Schwarzhaarigen den Weg zu meinem Oberschenkel und blieb auf meinem Bein liegen. Hin und wieder streichelten seine Finger die Innenseiten meiner Schenkel oder mein Knie, bevor seine Hand wieder ruhig liegen blieb. In den letzten Wochen verging keine Minute, in der Hunter mich nicht berührte oder zumindest in meiner Nähe saß. Ich fand es wundervoll, wie sehr er sich um mich bemühte, doch langsam begann es mich im Unterricht zur Weißglut zu treiben. Ich konnte mich auf nichts anderes als das warme Gefühl, das sich an der Stelle, an der er mich berührte, ausbreitete, konzentrieren. Ich wollte ihm sagen, dass er das unterlassen soll, aber in diesem Moment schwang die Türe auf und Regan betrat den Raum. Sie trug die gleiche Robe wie bei der Verhandlung und dennoch sah sie vollkommen anders aus. Ihre Haare hatten die verschiedenen Violett- und Blautöne verloren und waren nun giftgrün, wobei ihre Spitzen gelb leuchteten. In ihrem Nasenflügel befand sich ein Piercing, wie Du es gehabt hattest, und um ihren Hals hing eine filigrane Kette mit einem Pentagramm als Anhänger. Die Lehrerin lächelte, während ihr Blick durch die Sitzreihen streifte. Kurz musterte sie mich und ich bildete mir ein, dass sich ihr Lächeln vertiefte. Mit einer Handbewegung ließ das Ratsmitglied ein Stück Kreide schweben und schrieb das Thema der heutigen Einheit auf die Tafel.
»Das hatten wir doch schon«, hörte ich einen meiner Mitschüler genervt in seinen nicht vorhandenen Bart murmeln und Stille legte sich über das Klassenzimmer. Regans Augen verengten sich zu Schlitzen. Schlagartig wurde es kalt im Raum und ein reißerischer Wind kam auf, der mir eine Gänsehaut bescherte. Die Haare der Lehrerin flatterten um ihre Wangen, während sie auf den Schüler losraste. Ihr Mantel wehte hinter ihrem Körper her und verlieh ihr einen majestätischen Anblick, der nicht zu ihren zusammengebissenen Zähnen passte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich war ungemein froh, im Moment nicht Regans Aufmerksamkeit zu genießen.
»Wenn du dich so gut mit dem Thema auskennst, warum führst du dann nicht die kommende Stunde?«, fragte Regan lauernd und ihre Stimme klang eisig. Die Pupillen des Schülers weiteten sich und Angst war in seiner Miene ablesbar, als er heftig den Kopf schüttelte. Das Grinsen auf seinen Lippen verschwand, als die Tür durch einen Luftzug zuknallte und er durch den lauten Knall zusammenzuckte. Ängstlich wimmerte der Junge und sah sich hilfesuchend im Klassenraum um.
»Nein, danke«, stotterte er und schlang die Arme schützend um seinen Körper, der unter den Blicken der anderen Schüler erzitterte.
»Gut. Dann kann ich mit dem Unterricht fortfahren oder bin ich deiner Aufmerksamkeit nicht würdig?«, zischte Regan und wieder schien das Zimmer um zehn Grad abzukühlen.
»Doch«, sagte der Brillenträger viel zu schnell und rutschte in seinem Sessel weiter nach unten, um mehr Abstand zwischen sich und die wütende Hexe zu bringen. Wahrscheinlich wäre er weggerannt, wenn Regan nicht genau vor ihm gestanden und ihm somit den Weg versperrt hätte.
»Doch, Professorin Terrent-Wilkes«, verbesserte die Lehrerin bissig und der Schüler beeilte sich ihre Worte zu wiederholen. Terrent?, fragte ich mich im Stillen. Ob sie mit der Direktorin verwandt war?
Die Stimmung änderte sich wieder, als der Sturm nachließ und das Glühen in den Augen der Professorin verschwand. Es wurde kuschelig warm, meine Gänsehaut ließ nach und Regan nahm wieder vor der Tafel ihren Platz ein, während die Schüler unruhig zu Boden starrten. Gedanklich notierte ich mir, niemals unüberlegt in ihrem Unterricht den Mund aufzumachen. Ich wollte unter keinen Umständen ihren Zorn auf mich ziehen, da ich mir nicht sicher war, ob sie ihre Augen als Flammenwerfer nutzen konnte, wenn sie wütend genug war. Auch wenn Regan mit ihren flippigen Haaren jugendlich wirkte, war sie eine furchteinflößende Frau und ich schätzte sie als eine Kriegerin ein, die immer an vorderster Front stand. Sie war eine Urgewalt. Wenn sie bereits so reagierte, wenn ein Schüler eine blöde Bemerkung machte, wie würde sie dann erst agieren, wenn sie jemand wirklich verärgerte? Unter ihrer Leitung wäre ein Krieg wahrscheinlich bereits nach vierundzwanzig Stunden beendet, weil sie die streitenden Parteien an den Ohren zueinander schleifen und sie zur Aussprache zwingen würde.
»Gut. Wenn wir das geklärt haben, können wir fortfahren. Gleich vorweg: Den Widerwillen zu lernen oder jegliche Art von Unfriede dulde ich in meinen Stunden nicht. Jeder, der sich der Aufgabe, für wenige Minuten am Tag fleißig zu sein, nicht gewachsen fühlt, hat die Möglichkeit ohne Erklärung den Unterricht von meiner Kollegin Deroux zu besuchen und meine Zeit nicht zu verschwenden. Für diejenigen unter Ihnen, die wirklich etwas aus Ihrem Leben machen wollen, werde ich ein Programm basierend auf Ihren Interessen zusammenstellen«, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Rates und setzte ein kühles Lächeln auf. Ein wenig überraschte es mich schon, dass über die Hälfte der Schüler geschlossen aufstand und den Raum verließ, obwohl Regans Gesichtsausdruck nicht daran zweifeln ließ, dass sie Rabiana für eine inkompetente Lehrerin hielt. Entsetzen und Verwirrung war auf den Mienen der sitzen gebliebenen Schüler zu lesen, doch Regan reagierte gar nicht darauf, dass die Jugendlichen einfach gingen, als hätte es zum Unterrichtsende geläutet.
»Diesbezüglich würde ich Sie bitten je drei Themen auf ein Stück Papier zu schreiben und es bei mir abzugeben«, redete die Älteste einfach weiter, noch bevor der letzte Schüler, die Brillenschlange, die von Regan zusammengestaucht worden war, die Tür hinter sich zugeknallt hatte. Schnell kramte ich in meiner Tasche nach einem Zettel und überlegte mir Themen, über die ich gerne mehr erfahren würde. Ganz oben in die erste Zeile schrieb ich »Hexen und ihre Gemahle«, da ich wieder Hunters Hand spürte, die mich zärtlich streichelte. Unser Verhältnis hatte sich verbessert. Wir waren kein Liebespaar, weil ich zuerst herausfinden wollte, ob wir ohne unsere besondere Verbindung eine Zuneigung entwickelt hätten. Aber wir unternahmen viel miteinander und waren mehr als Freunde. Ich konnte einfach nicht mit dem Gedanken leben, dass ich kein Mitspracherecht bei der Wahl meines Mannes hatte, auch wenn ich meine Gefühle für Hunter nicht einmal in Worte fassen konnte. Mein Herz schien in Flammen zu stehen, wenn er mich ansah, und meine Haut kribbelte bei jeder seiner Berührungen. Bei jedem Kuss glaubte ich, durch seine weichen Lippen dahinzuschmelzen, und jedes seiner Worte raubte mir den Atem. Ein Leben ohne diesen Mann wäre für mich nicht mehr vorstellbar und ich hatte mich nicht erst einmal gefragt, wie ich vor meiner Erwählung zur Hexe ohne ihn auskommen konnte. Aber irgendetwas nagte an mir und lähmte mich, wenn ich dem jüngsten Morgan meine Gefühle gestehen wollte. Es war, als würde eine Hand mich würgen, bis ich keine Luft mehr bekam und dann kein Wort über meine Lippen brachte. Dem Schwarzhaarigen war es in den ersten Tagen schwergefallen, meine Entscheidung, nicht sofort das restliche Leben miteinander zu verbringen, zu akzeptieren, aber mit der Zeit hatte sich etwas entwickelt, dass ich nicht