Von Blut & Magie. Melanie Lane
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Es war schlimm genug, dass ich mich bereits jetzt zum Narren machte. Die Polizei wollte ich ganz sicher nicht involvieren. Was hätte ich ihnen auch sagen sollen? Dass sich jemand mit mir hatte unterhalten wollen und ich völlig ausgerastet war? Nein, danke.
Ich atmete tief durch und sah die beiden Männer vor mir mit einem gezwungenen Lächeln an.
»Es geht mir gut, wirklich. Ich habe nur ein wenig Kreislaufprobleme, das ist alles.«
»Sie braucht etwas zu Essen und ein großes Glas vino«, verkündete Marco und tätschelte mir beruhigend den Rücken. »Ich kümmere mich darum, bonita.«
Verschwunden war er. Tatsächlich hörte sich ein Glas Rotwein absolut himmlisch an. Und es würde meine noch immer wild flatternden Nerven beruhigen.
»Lilly«, sagte Todd und verlangte so meine Aufmerksamkeit, »du hast in einer halben Stunde sowieso Feierabend. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, okay?«
Verständnisvoll, obwohl er nicht einmal wusste, was mich so aufgewühlt hatte, blickte er auf mich herab. Er war ein wirklich netter und durchaus attraktiver Mann. Mit seiner unbeabsichtigt trendigen Hornbrille und den schmalen Hosenträgern über den breiten Schultern zog er so manchen Blick auf sich. Ich jedoch fühlte nichts. Nichts außer einer milden Zuneigung und Dankbarkeit.
»Danke, Todd. Das weiß ich zu schätzen, wirklich.«
»Ich würde alles für dich tun, Lilly, das weißt du, oder?«
Ernst sah er mich an. Ja, verdammt das wusste ich. So unsensibel es aber auch war, Todds Gefühle waren aktuell das Letzte, womit ich mich beschäftigen wollte. Nicht, wenn ich noch in meinem eigenen Drama feststeckte.
»Todd, ich fühle mich wirklich sehr geschmeichelt«, geschmeichelter zumindest als bei unserer letzten Weihnachtsfeier, bei der ich Todds betrunkene Avancen in nüchternem Zustand hatte abwehren müssen, »aber ich weiß wirklich nicht …«
»Ich warte«, unterbrach er mich sanft und griff nach meiner Hand. Ich versteifte mich automatisch. Ein zutiefst verletzter Ausdruck trat in Todds braune Augen. »Wir kennen uns seit über fünf Jahren, Lilly. Wovor hast du Angst?«
Angst hatte ich keine. Desinteresse wohl eher. Da ich aber an meinem Job hing und nicht in der Stimmung war, Todd meine Gefühlswelt näher zu erläutern, schenkte ich ihm ein Lächeln.
»Können wir da vielleicht ein anderes Mal drüber reden?« Eine feige Ausrede. »Bitte?«
Todd nickte brüsk und ließ meine Hand endlich wieder los. »Ein anderes Mal«, bestätigte er.
»Bald!«
Nie hätte ich lieber sagen wollen. Für heute aber reichte es mir, wenn ich Feierabend machen und endlich nach Hause gehen konnte. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich unsere große Altbauwohnung verkauft und war in ein süßes, kleines Loft-Studio gezogen. Ein Zimmer nur für mich alleine. Ich brauchte keine vier Zimmer, wenn ich doch nur alleine war. Und es war okay. Ich hatte meinen Frieden damit gemacht. Zumindest sagte ich mir das täglich, wenn ich meine Wohnung aufschloss, um es mir vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Oder ein heißes Bad zu nehmen. Alleine. Es war okay. Da ich keine Geschwister oder andere lebende Verwandte hatte, war Annabelles Besitz komplett auf mich übergegangen. Eine hübsche Summe hatte meine Mutter auf der hohen Kante gehabt. Ich hätte das Geld zwar sofort eingetauscht, um sie wieder zurückzubekommen, aber da das unmöglich war, machte mir das kleine Vermögen mein Leben immerhin ein wenig leichter. Die Hintertür wurde erneut geöffnet und Marco lugte hindurch.
»Es ist angerichtet, guapa. Komm rein und iss.« Er warf unserem Boss einen bedeutungsschweren Blick zu. »Und Todd?«
»Ja?«
»Du solltest Susie helfen.«
Mit einem unterdrückten Fluchen wandte Todd sich von mir ab und stakste zurück ins Café.
»Susie helfen?«
Marco erwiderte mein Grinsen. »Jemand musste dich doch vor ihm retten.«
Seufzend ergriff ich seine ausgestreckte Hand und ließ mich von ihm in die Küche ziehen. Liebevoll hatte er einen kleinen Tisch in der Ecke gedeckt. Eine große Portion Pasta und ein noch größeres Glas Wein warteten bereits auf mich.
»Das sieht himmlisch aus, Marco!« Plötzlich wie ausgehungert setzte ich mich und griff beherzt nach der Gabel. »Und Todd ist einer von den Guten«, fügte ich hinzu. Ich wollte nicht, dass Marco einen falschen Eindruck von ihm bekam. Mein Boss war in den letzten fünf Jahren wirklich gut zu mir gewesen und er hatte mir viel durchgehen lassen.
»Dennoch muss er verstehen, dass ein no, ist ein no. No?« Tja, wenn man es so betrachtete.
»Vermutlich«, gestand ich und machte mich dann über meinen Teller Pasta her. Genug jetzt mit dem Männer Drama. Ich würde mir dieses Festmahl nicht kaputt machen lassen. Ob dieser Nick noch im Café wartete? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich war er geflüchtet, nachdem er, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, eine solch verwirrende Reaktion in mir hervorgerufen hatte. Leise seufzend trank ich einen großen Schluck Rotwein, und begann mich zu entspannen. Ich würde das Café heute jedenfalls nicht mehr betreten, denn entweder hatte der Fremde tatsächlich etwas Merkwürdiges von mir gewollt oder ich hatte mich komplett zum Affen gemacht. So oder so würde ich nach diesem kleinen Festmahl nach Hause gehen und diesen Tag einfach hinter mir lassen.
Eine knappe Stunde später stand ich, mit zwei Flaschen Rotwein bewaffnet, in meinem Hausflur und kramte in den tiefen meiner Tasche nach dem Schlüssel. Da ich im fünften Stock wohnte, hatte ich niemanden mehr über oder neben mir. Die letzten Stufen des Hausflurs führten lediglich zu meiner Wohnungstür unter dem Dach. Und genauso liebte ich es. Die Flaschen in meinem Arm klirrten gefährlich, als ich aufschloss und meine Wohnung betrat. Der Schlüssel landete automatisch auf einer kleinen Konsole neben dem Eingang. Ich schloss die Tür mit der Hüfte und stellte die beiden Flaschen auf dem dunklen Tresen meiner offenen Wohnküche ab. Das Loft und ich? Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Ich ging zum großen, antiken Schrank links von meinem Bett, um mir etwas Bequemes anzuziehen. Die übliche schwarze Yogahose und der graue, weiche Oversize Sweater meiner Mom lagen schon griffbereit ganz oben auf dem Haufen frischer Wäsche, die ich vorgestern lustlos in den Schrank gestopft hatte. Ich schlenderte ins Bad, wusch mir das Gesicht und befand mich drei Schritte weiter zurück in meiner Küche. Die Wohnung mochte klein sein, aber sie war optimal geschnitten. Die offene Wohnküche, das kleine Badezimmer mit Wanne sowie mein Bett und der Kleiderschrank, ein Erbstück unserer Familie, waren alles, was ich brauchte. Das, und mein bequemes, graues Lümmel-Sofa mit den hübschen blauen Kissen. In der Mitte zwischen Bett und Sofa stand ein kleiner Tisch mit Fernseher. Mittlerweile entspannt und wieder mehr ich selbst, griff ich nach der ersten Flasche Wein auf dem Tresen. Mit einem lauten Plopp, das wie Musik in meinen Ohren klang, entkorkte ich die Flasche und schenkte mir ein großzügiges Glas ein. Es war nicht so, dass ich regelmäßig trank. Da ich, was Alkohol anging, einen seltsamen Stoffwechsel hatte, hatten Partys und Clubs noch nie einen großen Reiz auf mich ausgeübt.
Auf unserer letzten Weihnachtsfeier waren sowohl Todd und Marco als auch Susie feucht fröhlich nach Hause gegangen. Ich jedoch hatte nach vier Gläsern Wein und zwei Gin Tonic so gut wie nichts gemerkt. Also hatte ich es aufgegeben. Lediglich Rotwein war als absolute Schwäche geblieben, denn ich liebte den Geschmack. Und es hatte etwas von Gemütlichkeit und Geselligkeit, sich mit einem Glas Wein vor