Von Blut & Magie. Melanie Lane
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»Lilly«, brach Nick den Bann, in dem ich mich befunden hatte, und machte einen Schritt auf das Ende der Treppe zu. »Hab keine Angst«, beschwichtigte er mich und hob besänftigend beide Hände.
»Komm.«
»Ich …« verwirrt sah ich zwischen den dreien hin und her. Wobei mein Blick ein wenig länger als nötig an Lucan hängen blieb. Seine Augen verdunkelten sich gefährlich und funkelten mich wütend an. Ernsthaft? Irgendwo zwischen Angst und Neugier mischte sich jetzt auch noch meine eigene Wut in mein Gefühlschaos.
Er hatte mich entführt. Wenn hier jemand wütend sein durfte, dann ich! Meine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen und unbewusst machte ich einen Schritt nach vorne. Die Hand am Geländer schritt ich langsam die große, leicht geschwungene Treppe hinab. Lucan folgte jeder meiner Bewegungen. Mein Kinn hob sich wie von selbst ein paar Zentimeter und verstört, aber auch ein wenig gereizt, wandte ich den Blick von ihm ab und sah zu Nick und Alina. Die junge Frau betrachtete mich regungslos, aber wenigstens war keine Ablehnung in ihrem Blick. Lediglich eine milde Neugier, gepaart mit einer offensichtlichen Schüchternheit. Eine Schüchternheit, die Nick offenbar nicht empfand. Er lächelte mir aufmunternd entgegen und streckte seine Hand einladend nach mir aus. Nicht gerade das, was man von einem irren Entführer erwartete.
»Du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten«, wiederholte er sanft.
Am Fuße der Treppe angekommen, ignorierte ich seine ausgestreckte Hand und verschränkte meine leicht zitternden Hände ineinander. Von hier unten wurde mir schmerzlich bewusst, wie groß die beiden Männer waren. Nick maß locker über 1,90 m und Lucan? Es hätte mich nicht gewundert, wenn er an die zwei Meter herankam. Das und die muskelbepackte Statur des Mannes ließen mich innerlich erschaudern.
»Wo bin ich?«, fragte ich direkt und wandte mich an Nick. Ganz offensichtlich würde ich von ihm am ehesten Antworten bekommen.
»Im Hause der Callahans, in der Welt der Menschen.«
Ah ja. Okay. Möglichst neutral versuchte ich es erneut. »Wo bin ich?«
Irritiert sah Nick mich an. »Im Hause der Callahans …«
»Okay«, unterbrach ich ihn und hob eine Hand, »wenn das hier so eine Art Rollenspiel ist, dann ist es nicht mehr lustig.«
»Rollenspiel?«
»Wer auch immer ihr Typen seid, ich will nach Hause. Sofort.«
»Du bist zu Hause«, erwiderte er ernst.
Zugegeben, das war nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. Der volle Kleiderschrank und die luxuriöse Suite kamen mir in den Sinn und ich begann leicht zu schwitzen.
»Ihr wollt mich hier festhalten?«, fragte ich aufgebracht. »Gegen meinen Willen?«
»Ich verstehe nicht …«
»Heilige Balance, Nickolas«, mischte die hübsche Brünette sich ein. »Kein Wunder, dass sie dir nicht zugehört hat. Eure Hoheit«, wandte sie sich zaghaft lächelnd an mich. »Ich bin Alina. Eure Kammerzofe.«
»Meine was?« Benommen starrte ich sie an.
»Eure Kammerzofe«, wiederholte sie ruhig. »Ihr seid Lillianna Callahan, die Thronerbin Alliandoans und der sieben Welten. Wir haben lange nach Euch gesucht.« Sie schenkte mir ein kleines Lächeln. »Willkommen zu Hause, Eure Hoheit.«
Alles klar. Für was oder wen auch immer diese Leute mich hielten, ich erkannte an ihren Gesichtern, dass sie wirklich daran glaubten. Sogar dieser Lucan starrte mich weiterhin stoisch an. Sein Gesicht gab nichts weiter preis als eine allgemeine Gereiztheit. Irgendetwas sagte mir, dass dies wohl sein normaler Gesichtsausdruck zu sein schien. Welch Überraschung.
Unsere Blicke begegneten sich und fragend hob er eine Augenbraue. Er glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass ich ihnen diesen Mist abkaufte? Alliandoan? Sieben Welten? Das klang ja ganz so, als wäre ich in einem Mittelalter Spiel gelandet. Cosplay vielleicht, dachte ich und musterte die drei Gestalten vor mir genauer. Nicks Klamotten waren normal, eine dunkle Anzughose und ein heller Pulli, nichts Besonderes. Alina und Lucan jedoch waren ein wenig außergewöhnlicher gekleidet. Alinas Kleid schien aus Leinen zu sein und war elegant geschnitten, mit einem hohen Kragen und langen Ärmeln. Das zarte Blau unterstrich den etwas dunkleren Teint ihrer Haut. Lucan hingegen war ganz in schwarz gekleidet. Schwarze Boots und eine schmal geschnittene Hose betonten seine langen Beine wirkungsvoll. Die ebenfalls schwarze Tunika, die er trug, hatte einen asymmetrischen Schnitt, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Mehrere Lagen Stoff verdeckten den beeindruckenden Oberkörper des Mannes vor mir. Am Kragen sowie am rechten Handgelenk blitzten das Ende oder der Anfang eines Tattoos hervor. Alles in allem sah er bedrohlich, geheimnisvoll und zugegebenermaßen, ziemlich heiß aus. Was ein völlig unpassender Gedanke jemandem gegenüber war, der mich vor kurzem aus meiner Wohnung verschleppt hatte.
Ich wandte mich an Alina. »Was seid ihr für Typen? Cosplay? Fantasy League?«
Verständnislos sah sie mich an.
»Das alles hier kann nicht euer Ernst sein«, fuhr ich fort, »und der Kleiderschrank da oben? Das ist unheimlich. Sehr, sehr unheimlich!« Aufgebracht wandte ich mich an Nick. »War es das, was du wolltest? Bastelst du dir so deine eigene, kranke Familie, indem du Leute entführst?«
»Okay, hier liegt ein Missverständnis vor, ich …«
»Fass sie an.«
Nick verstummte und ruckartig sahen wir alle zu Lucan. Die Arme nun lässig vor der Brust verschränkt, sah er gelangweilt auf uns herab. »Nun fass sie schon an und bring es hinter dich. So vergeudest du nur meine Zeit.«
Seine Zeit wurde vergeudet? Und niemand hier würde mich einfach anfassen, nicht, wenn ich … schneller als das bloße Auge es registrieren konnte, schoss Nicks Hand nach vorn und umklammerte mein Handgelenk beinahe schmerzhaft. Erschrocken schaute ich auf. Bereits bei unserer ersten flüchtigen Berührung im Café hatte ich etwas gespürt, aber das hier fühlte sich anders an. Ganz anders.
»Nimm deine Finger von mir, du …«
Die Worte blieben mir im Hals stecken, als dort, wo er mich berührte, ein regelrechtes Feuer auf meiner Haut explodierte. Hitze stieg in mir auf und fassungslos sah ich auf die Stelle, an der unsere Körper sich berührten. Es begann mit einem leisen Knistern in der Luft, das immer lauter zu werden schien. Die Atmosphäre um uns herum fühlte sich auf einmal wie elektrisiert an und an meinem Handgelenk erschienen aus dem Nichts kleine blaue Flammen.
Flammen.
Instinktiv wollte ich meinen Arm zurückziehen, aber Nick hielt mich fest.
»Lass mich los«, flehte ich mit zittriger Stimme.
»Sieh hin«, befahl er mir sanft.
Alle Augenpaare waren auf uns gerichtet und ich spürte, wie die Hitze mir in die Wangen stieg. Nicht aus Wut oder Scham, sondern weil das Blut immer schneller durch meine Adern pumpte und mein Hirn zu verstehen versuchte, was hier gerade geschah. Was ich mit eigenen Augen sehen konnte. Etwas, das rein logisch betrachtet, nicht möglich war. Da waren Flammen auf meinem Arm. Blaue, reale Flammen!
»Was