Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3 - Holger Dahl страница 7
![Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3 - Holger Dahl Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3 - Holger Dahl Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch](/cover_pre1170334.jpg)
1. Höhe der Vergütung
22
Dem Wortlaut nach betrifft das Mitbestimmungsrecht „Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung“. Von besonderer Bedeutung erscheint zunächst die Frage, ob dies dem Betriebsrat eine Mitbestimmung über die Entgelthöhe ermöglicht.
a) Wortlaut und Systematik
23
Oberbegriff des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist die betriebliche Lohngestaltung, was eine Mitbestimmung über die Lohnhöhe nicht zwingend ausschließt. Der Gesetzgeber hat seine Vorstellungen dieser Lohngestaltung jedoch in einer nicht abschließenden Aufzählung („insbesondere“) konkretisiert. Dass er dabei den Begriff der Entlohnungsgrundsätze benutzte, deutet darauf hin, dass lediglich die Aufstellung allgemeiner Regelungen der Mitbestimmung unterworfen werden sollte. Sofern der Gesetzgeber auch die Entgelthöhe miteinbeziehen wollte, hätte er die Aufzählung wohl schlicht um ein weiteres Beispiel ergänzt.
24
Ein noch stichhaltigeres Argument bietet daneben der Vergleich mit § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. Dessen Anwendungsbereich schließt „Geldfaktoren“ ausdrücklich mit ein und gewährt somit in bestimmten Fällen ein Mitbestimmungsrecht auch über die Höhe des Entgelts.32 Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Höhe der Entlohnung bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig wäre.33
b) Unternehmerische Freiheit und Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer
25
Daneben spricht für eine Grenze der Mitbestimmung, dass die Festsetzung der Höhe der Vergütung zum Kern der unternehmerischen Freiheit zu zählen ist.34 Eine Einschränkung dieser Freiheit in ihrem Kern verstieße gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit.
26
Dieses Ergebnis wird auch durch eine Betrachtung der Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer gestützt. Die Vereinbarung der Höhe des Arbeitsentgelts zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht der betrieblichen Eingliederung des Arbeitnehmers voraus. Anders als im laufenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber in diesem Stadium keine betrieblich bedingte Gestaltungsmacht ausüben. Dieser ist der Arbeitnehmer erst dann ausgesetzt, wenn er bereits Teil der Belegschaft geworden ist. Bis dahin ist er jedoch nicht in besonderem Maße schutzbedürftig, er ist durch die eigene Vertragsfreiheit hinreichend geschützt. Es ist namentlich nicht Aufgabe des Betriebsrats, für den Arbeitnehmer insofern als Verhandlungsführer zu agieren.
27
Gleiches gilt, wenn sich der Arbeitgeber im Verlauf der Zeit dazu veranlasst sieht, den Arbeitnehmern zusätzliche, freiwillige Leistungen zu gewähren. Auf solche Leistung hat der einzelne Arbeitnehmer keinen individuellen Anspruch und ist daher hinsichtlich des „Ob“ und der Höhe einer zusätzlichen Leistung nicht schutzbedürftig. Entsprechend besteht hinsichtlich dieser Fragen auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.35 Dies gilt umgekehrt auch bei der Kürzung oder Einstellung einer zusätzlichen Leistung.36 Erst wenn es um die Verteilung der Mittel geht, also um das „Wie“ der Leistung, können die Arbeitnehmer der betrieblich bedingten Gestaltungsmacht des Arbeitgebers ausgesetzt sein und auch erst dann kommt ein Mitbestimmungsrecht in Betracht.
c) Innerbetriebliche Lohngerechtigkeit
28
Dass die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Entgelthöhe nicht erfasst, entspricht auch der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung37 und Literatur.38 Geht man mit der herrschenden Ansicht jedoch davon aus, dass der Zweck des Mitbestimmungsrechts in der Gewährleistung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit liege,39 fällt es schwer, die Festsetzung der Lohnhöhe als Grenze der Mitbestimmung herzuleiten.
29
Der Begriff der Lohngerechtigkeit lässt sich unproblematisch so auslegen, dass er sich sowohl auf das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber wie auch auf das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander bezieht.40 Die Bewertung, ob der Lohn im Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber gerecht festgesetzt ist, setzt allerdings eine Betrachtung der Lohnhöhe voraus. Diese soll nach der herrschenden Ansicht der Mitbestimmung jedoch gerade entzogen sein.
30
Selbst wenn man den Zusatz der Innerbetrieblichkeit so auslegt, dass nur das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander bewertet werden soll, führt dies nicht automatisch dazu, dass die Lohnhöhe außer Acht gelassen werden kann. Denn der Verdienst eines Mitarbeiters in einer Schlüsselposition kann denjenigen seiner Kollegen um ein Vielfaches übersteigen, ohne dass das innerbetriebliche Lohngefüge notwendigerweise als ungerecht gelten muss.41 In diesem Fall käme man nicht umhin, auch die konkrete Höhe der Vergütung zu berücksichtigen.
31
Diese Überlegungen zeigen erneut nachdrücklich, dass der Begriff der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zur Herleitung der Grenzen des Mitbestimmungsrechts ungeeignet ist. Es ist daher auch wenig wundersam, dass die illustre Formulierung zur Begründung der Grenzziehung kaum jemals herangezogen wird – ironischerweise verzichtet insbesondere die Rechtsprechung darauf, sich mit dem Begriff der Lohngerechtigkeit insofern weiter auseinanderzusetzen.
d) Zwischenergebnis
32
Im Ergebnis geht die herrschende Ansicht zu Recht davon aus, dass sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht auf die Lohnhöhe erstreckt. Jedoch lässt sich diese wohl wichtigste Grenze der Mitbestimmung nicht mit dem vermeintlichen Zweck der Norm begründen. Dies sollte dem Bundesarbeitsgericht eigentlich Grund genug sein, diese Formulierung in Zukunft aufzugeben oder zu ersetzen.
2. Zweckbestimmung und Festlegung des begünstigten Personenkreises
33
Zwar lässt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes herleiten, allerdings muss der Arbeitgeber auch den Zweck einer Leistung mitbestimmungsfrei vorgeben können.42 Auch die Zweckbestimmung muss dem Kern unternehmerischer Freiheit zugeordnet werden.43 Die Erreichung dieses Zwecks ist allerdings nur dann möglich, wenn auch die Festlegung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich nicht von der Mitbestimmung erfasst ist. Die Arbeitnehmer sind hinsichtlich der Frage des „Warum“ nicht besonders schutzbedürftig. Oft wird der Arbeitgeber bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung darauf abzielen, eine bestimmte Arbeitnehmergruppe an das Unternehmen zu binden. Dieser Zweck könnte nicht im selben Maß verfolgt werden, wenn der Betriebsrat zum Beispiel erzwingen könnte, dass die bewilligten Mittel betriebsübergreifend aufgeteilt werden.
34
Diesem Ergebnis entspricht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.44 Beachtenswert ist insofern, dass das Gericht scheinbar nicht davon ausgeht, diese Grenzziehung näher begründen zu müssen. In einer anderen