Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
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3. Fehlender Regelungsspielraum des Arbeitgebers
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Problematisch ist die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG insbesondere auch bei moderneren Methoden der Vermögensförderung. Prominentes Beispiel hierfür sind Aktienoptionspläne. Eine Aktienoption gewährt ihrem Inhaber das Recht, eine Aktie des gewährenden Unternehmens unter bestimmten Bedingungen zu erwerben. In internationalen Konzernen werden diese Optionen zumeist von der ausländischen Konzernmuttergesellschaft und nicht von der Arbeitgebergesellschaft gewährt. Für die Frage nach der Mitbestimmung ist dies in vielerlei Hinsicht problematisch.46
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Grundsätzlich ausscheiden muss ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Bereitstellung des Aktienoptionsplans allein auf einer Entscheidung der Konzernmuttergesellschaft beruht und der Arbeitgebergesellschaft bei der Zuteilung der Optionen kein Gestaltungsspielraum verbleibt. Denn in diesem Fall kann das Mitbestimmungsrecht an keine Handlung des Arbeitgebers anknüpfen.47 Der Arbeitgeber übt mithin keine betriebliche Gestaltungsmacht aus, vor der die Arbeitnehmer zu schützen wären. Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Bei einer konzernweiten Regelung unterfiele die Mitbestimmungszuständigkeit dem Konzernbetriebsrat. Ist dieser nicht gebildet oder nicht vorhanden, weil die Konzernmuttergesellschaft keinen Sitz in Deutschland hat, kann dies nicht dazu führen, dass die örtlichen Betriebsräte zuständig werden.48
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Dies bedeutet nicht, dass ein Mitbestimmungsrecht bei Aktienoptionsplänen grundsätzlich ausscheiden muss. Dies wird teilweise mit der Begründung vertreten, es handele sich bei der Gewährung von Aktienoptionen um die Leistung eines Dritten und damit nicht um „Lohn“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.49 Maßgebliches Kriterium muss insofern sein, ob die Leistung nach Abrede der Arbeitsvertragsparteien an Stelle oder neben dem zwischen ihnen vereinbarten Arbeitsentgelt erbracht werden soll.50 Dies ist nur dann der Fall, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Teilnahme des Arbeitnehmers am Aktienoptionsplan der Konzernmuttergesellschaft ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben.51 Sind diese Voraussetzungen gegeben und ist dem Arbeitgeber bei der Verteilung der Aktienoptionen durch die Konzernmuttergesellschaft ein Gestaltungsspielraum eingeräumt worden, kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – trotz vermeintlicher Leistung eines Dritten – in Betracht.52 Dies lässt sich jedoch durch geschickte Vertragsgestaltung und -umsetzung vermeiden.
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Nach den gleichen Maßstäben besteht auch bei sonstigen Leistungen einer Drittgesellschaft kein Mitbestimmungsrecht. Wird beispielsweise für ein grenzüberschreitend arbeitendes Vertriebsteam von der englischen Konzerngesellschaft ein Commission Plan ausgerollt, der für alle europäischen Vertriebsmitarbeiter gleichermaßen gilt und bei dem ausschließlich die englische Konzerngesellschaft Vertragspartner ist und auch die Zahlungen leistet, besteht hinsichtlich dieses Commission Plans kein Mitbestimmungsrecht des deutschen Betriebsrats. Freilich sind in diesen Fällen auch stets die steuerlichen Konsequenzen für die Konzerngesellschaft zu beachten.
V. Bedeutung für die Praxis
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Die hier aufgezeigten Grenzen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entsprechen der ständigen Rechtsprechung. Auffällig ist, dass sich das Bundesarbeitsgericht scheinbar scheut, diese Grenzziehungen näher zu begründen. Auf die Bedeutung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit wird nicht ausdrücklich hingewiesen. Indem das Gericht jedoch beispielsweise die Lohnhöhe ohne Begründung von der Mitbestimmung ausnimmt, trägt sie dem Schutz des Unternehmers doch wenigstens im Ergebnis Rechnung. Seine Vorstellung des Normzwecks wie auch der Grenzen des Mitbestimmungstatbestandes vertritt das Bundesarbeitsgericht mit einiger Beharrlichkeit. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass es in näherer Zukunft zu einem Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung zur Mitbestimmung über Fragen der betrieblichen Lohngestaltung kommt.
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Für den Fall, dass die hier aufgezeigten Grenzen nicht greifen, hat der Gesetzgeber die Mitbestimmung in weitreichendem Umfang ermöglicht. Der Begriff der Lohngestaltung stellt insofern eine Generalklausel53 für eine Vielfalt an Mitgestaltungsmöglichkeiten dar. Dabei ist die Mitbestimmung nicht auf bestimmte Lohnbestandteile begrenzt.54 Umso mehr sollten Arbeitgeber darauf beharren, dass die notwendigen Grenzen der Mitbestimmung eingehalten werden. Sofern der Betriebsrat – wie in der Praxis häufig zu beobachten – den Zweck einer zusätzlichen Leistung mitbestimmen möchte, sollte dem beharrlich entgegengetreten werden.
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Im Vorfeld der Verhandlungen lässt sich dies dadurch gewährleisten, dass der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen, den Zweck der Leistung sowie den begünstigten Personenkreis eindeutig vorgibt. Hat der Arbeitgeber bei der Aufstellung eines Aktienoptionsplans (oder eines Commission Plans) aufgrund einer Entscheidung der Konzernmutter keinen eigenen Gestaltungsspielraum, sollte dies dem Betriebsrat offengelegt und auf die neueste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen werden, um Auseinandersetzungen im Kern zu ersticken.
VI. Fazit
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– Grundtatbestand für die Mitbestimmung in Fragen des Entgelts ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dieser kann je nach Fallgestaltung durch das Eingreifen weiterer Mitbestimmungstatbestände erweitert werden.
– Rechtsprechung und Literatur sehen den Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ohne Begründung in der Gewährleistung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit. Indem die Rechtsprechung ihre Entscheidungen nicht auf einen definierbaren Normzweck stützt, verpasst sie die Gelegenheit, die eigenen Entscheidungen zu strukturieren und so vorhersehbar zu machen.
– Der Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG liegt richtigerweise in der Gewährleistung des Schutzes der Arbeitnehmer. Eine weitergehende Konkretisierung ist nicht geboten und würde vielmehr dazu verleiten, den Anwendungsbereich der Norm allzu weit zu fassen.
– Bei der Grenzziehung muss die grundrechtlich garantierte unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Bei der verfassungskonformen Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Dies hat zur Folge, dass auch die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einfließt.
– Ungeschriebene Grenzen der Mitbestimmung sind die Festsetzung der Lohnhöhe, die Bestimmung des verfolgten Zwecks sowie die Festlegung des begünstigten Personenkreises. Zudem scheidet ein Mitbestimmungsrecht aus, wenn an keine Handlung des Arbeitgebers angeknüpft werden kann.