Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
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Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber unter der betrieblichen Lohngestaltung mehr versteht als allein die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung von neuen Entlohnungsmethoden. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die ältere Rechtsprechung zunächst auf dem Begriff der betrieblichen Lohngestaltung eingegangen ist, um im Anschluss als Beispiele Entlohnungsgrundsatz und Entlohnungsmethode zu nennen.28
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Die neuere Rechtsprechung hingegen definiert m.A. den Entlohnungsgrundsatz verkürzend mit der betrieblichen Lohngestaltung und subsumiert alle Fälle unter den Entlohnungsgrundsatz.29 Daraus lässt sich ableiten, dass die Rechtsprechung dem Regelbeispielscharakter des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG keinerlei Bedeutung (mehr) beimisst. Dies kann nicht überzeugen. Denn unter der betrieblichen Lohngestaltung muss weit mehr verstanden werden. Zur Lohngestaltung gehört auch die Festlegung, in welchem Verhältnis verschiedene Entlohnungsgrundsätze zueinander stehen, wenn ein kombiniertes Entgeltsystem gewählt wird.30 Zu den Strukturformen des Entgelts und damit zu den Entgeltfindungsregeln gehören darüber hinaus auch der Aufbau der Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmale.31 Schließlich fällt unter die Lohngestaltung bei zusätzlichen Leistungen des Arbeitgebers die Aufstellung der Verteilungsgrundsätze.32 Diese Regelungsinhalte lassen sich nicht unter den Entlohnungsgrundsatz oder die Entlohnungsmethode subsumieren, sind jedoch gängige Praxis.
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Daher sollte die Rechtsprechung den Begriff der betrieblichen Lohngestaltung wieder stärker in den Blick nehmen, denn er verdeutlicht, dass der Betriebsrat bei weit mehr als allein bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen hat.
III. Reichweite der Mitbestimmung
1. Vergütungsfindung
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§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG umfasst kurzgesagt das Verfahren für die Vergütungsfindung. Dabei geht es um die Frage, nach welchen Kriterien die Vergütung der Beschäftigten festgelegt werden soll. Wie Haberkorn ausführt, versteht er unter Vergütungsfindung nichts anderes als die Einführung eines Vergütungssystems.33 Es ginge um die Strukturformen des Entgeltes und die Grundlagen der Lohnfindung, um die Ausformung des jeweiligen Vergütungssystems und damit die Festlegung derjenigen Elemente, die dieses System im Einzelnen ausgestalten und zu einem in sich geschlossenen machen.34
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Die Festlegung des Gehaltes ist wesentlicher Bestandteil der Vertragsverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei lautet die Frage nicht, ob überhaupt eine Vergütung geschuldet ist, vielmehr allein wie hoch die geschuldete Vergütung ausfällt. Die Höhe der Vergütung wird in Abhängigkeit vom Leistungserbringungsbild des Arbeitnehmers an unterschiedliche Kriterien geknüpft, anhand derer ein Vergütungsmodell bestimmt wird. Die Art und Weise der Leistungserbringung erfordert dabei ein schlichtes oder ein komplexeres Vergütungsmodell. Der Arbeitgeber wird hierbei die ökonomische Lage seines Unternehmens berücksichtigen und der Arbeitnehmer wird hingegen sein Gehalt möglichst hoch ansetzen wollen. Es bedarf somit einer Entgeltfindung, die dem jeweiligen Leistungsbild entspricht, was zu einem komplexen und ausdifferenzierten Gesamtsystem im Unternehmen führen kann. Weitere Einflussnehmer sind Wachstum, Investitionen, Gewinn und Arbeitsmarktgegebenheiten. Schließlich sind soziale Aspekte wie Lebensalter, Familienstand, Betriebszugehörigkeit, Ausbildung sowie branchen- oder rollenspezifische Gehaltserwartungsniveaus zu berücksichtigen.
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Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragspartner (Art. 9 GG) durch den Abschluss eines Branchen-, Flächen- oder Haustarifvertrages die Vergütung der tarifgebundenen Beschäftigten festzulegen. In Ermangelung eines Tarifvertrages, in Ausfüllung eines Tarifvertrages, in Regelungslücken eines Tarifvertrages oder für außertariflich Beschäftigte (§ 77 Abs. 3 BetrVG) ist den Betriebsparteien die Lohnfindung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und in den Grenzen des § 77 Abs. 3 BetrVG eröffnet.
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§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG enthält insoweit eine Generalklausel, durch die dem Betriebsrat bei der Gestaltung des Arbeitsentgeltes ein umfassendes Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.35 Die Mitbestimmung soll, wie das BAG zutreffend feststellt, den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen.36 Maßgeblicher Gesichtspunkt wäre insoweit nicht die konkrete Festlegung der Entgelthöhe, sondern es ginge um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges.37 Zu den mitbestimmungspflichtigen Vergütungsfindungsregeln gehören der Aufbau von Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmale.38
2. Mitbestimmungsfreiheit hinsichtlich der Entgelthöhe
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Die weit überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung geht von der Mitbestimmungsfreiheit bei der Entgelthöhe aus.39 Fragen der betrieblichen Lohngestaltung seien nur diejenigen Regelungen, die sich auf die Lohn- und Gehaltsbemessung beziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG gehöre zu ihnen jedoch nicht die lohnpolitische Entscheidung über die Lohn- und Gehaltshöhe.40
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Im Wesentlichen stützt das BAG diesen Gedanken auf zwei Argumente:
– Erstens zeige die beispielhafte Hervorhebung der Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden, dass die betriebliche Lohngestaltung sich auf die Grundlagen der Lohnfindung, nicht aber auf die Ermittlung der Lohnhöhe beziehe. Die Mitbestimmung in diesem Bereich solle den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es gehe hierbei um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges. Die abstrakte Lohngerechtigkeit innerhalb des Betriebes sei hier der maßgebliche Gesichtspunkt, nicht aber Fragen der Lohn- und Gehaltshöhe.41
– Zweitens ergebe sich aus einem Vergleich zu der Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, die dem Betriebsrat eine zusätzlich Mitbestimmungsbefugnis bei der Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen sowie vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einräume, dass die Lohn- oder Gehaltshöhe in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht angesprochen sei. In der Nr. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG sei die Festsetzung der Geldfaktoren ausdrücklich erwähnt, sodass in diesem Rahmen die Lohnhöhe der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Die Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG sei überflüssig, wenn die Höhe der Entlohnung bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig wäre.42
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Gänzlich überzeugt die Argumentation der Rechtsprechung indes nicht.
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Die Entstehungsgeschichte spricht vielmehr dafür, das Mitbestimmungsrecht auch auf die Lohnhöhe zu beziehen.43 Mit der Vorschrift wollte der Gesetzgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über das geltende Recht hinaus auf alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, soweit