Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
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Abschnitt 2 – Perspektive Betriebsrat
I. Einleitung
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Die Mitbestimmung des Betriebsrats in Entgeltfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG steht seit jeher im Brennpunkt der betriebsverfassungsrechtlichen Diskussion. Dies resultiert aus der grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit (Art. 12 GG) des Arbeitgebers, wobei er zugleich das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung seines Betriebes trägt. Wenn auch das Leitprinzip der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsordnung ist, dass unternehmerische Entscheidungen mitbestimmungsfrei sind,1 hat der Gesetzgeber durch die Schaffung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ein Instrument entwickelt, durch das der Betriebsrat berechtigt ist, mittelbar in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers einzugreifen.2 In der betrieblichen Praxis stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Betriebsrat aufgrund seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung berechtigt ist, Einfluss auf die Vergütungsstruktur und die Verteilungsgrundsätze des Unternehmers zu nehmen. Der folgende Beitrag befasst sich zunächst mit den allgemeinen Grundsätzen des Mitbestimmungsrechts, insbesondere mit der Begriffsbestimmung von Entlohnungsgrundsatz und Entlohnungsmethode sowie deren Verhältnis zueinander. Anschließend wird die Reichweite des Mitbestimmungsrechts anhand von konkreten Fragestellungen dargestellt: Kann der Betriebsrat bei der Aufstellung von Gehaltsbändern mitbestimmen? Kann das einzelvertraglich festgelegte Verhältnis zwischen Festvergütung und variabler Vergütung verändert werden? Kann eine einzelvertraglich festgelegte variable Vergütung zugunsten der Festvergütung abgeschafft werden? Abschließend beschäftigt sich der Beitrag mit der Reichweite des Informationsanspruchs des Betriebsrats.
II. Grundsätze der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG
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Zentrale Norm für die Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich der Vergütungsgestaltung ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Nr. 10 des § 87 BetrVG enthält damit eine Generalklausel, durch die dem Betriebsrat nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Arbeitsentgelts ein umfassendes Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.3 Sie wird ergänzt durch die Regelungen in § 80 Abs. 1 BetrVG sowie in den Nr. 4, 8, 9 und 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG. Gegenstand des Mitbestimmungstatbestands bilden nicht nur Lohn und Gehalt im herkömmlichen Verständnis, also das Arbeitsentgelt, das nach Inhalt und Umfang in einem Synallagma zur Arbeitsleistung steht, sondern es werden von den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung alle vermögenswerten Arbeitgeberleistungen erfasst, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System erfolgt.4 Zum Lohn in diesem Sinne gehören insbesondere laufende Entgelte, übertarifliche Zulagen, Leistungen bei betrieblicher Altersversorgung und sonstige Sozialleistungen sowie einmalige Sonderzahlungen. Zweck des 1972 angepassten Mitbestimmungsrechts ist nicht die Sicherstellung einer gerechten Lohnpolitik, sondern nach einhelliger Auffassung die Lohnfindung unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit.5
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§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG knüpft also an Fragen der betrieblichen Lohngestaltung an. Sie beinhaltet die Festlegung abstrakt-genereller Grundsätze zur Lohnfindung.6
1. Begriffsentwicklung
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Wie vorab bereits ausgeführt, bezieht sich das Mitbestimmungsrecht insbesondere auf Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden. Im Folgenden werden die beiden maßgeblichen Begriffe näher beleuchtet:
a) Entlohnungsgrundsatz
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Literatur und Rechtsprechung bestimmen den Begriff des Entlohnungsgrundsatzes nicht deckungsgleich. Bei Auswertung der Rechtsprechung der letzten zwei Jahre zur Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fällt auf, dass sowohl Entscheidungen einiger LAG7 als auch des 7. und 10. Senats des BAG8 in ihren Ausführungen den Begriff des Entlohnungsgrundsatzes nicht weiter problematisieren und final nicht (mehr) definieren. Dies ist wohl Resultat einer jahrzehntelangen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte.
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Dem entgegen definiert der erste Senat des BAG den Entlohnungsgrundsatz weiterhin stets als abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmten das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden. Entlohnungsgrundsätze seien damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergebe. Zu ihnen zählten neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems.9 Damit übernimmt der 1. Senat des BAG für die Bestimmung des Entlohnungsgrundsatzes die Definition, die ursprünglich für die betriebliche Lohngestaltung verwendet wurden. In der Konsequenz versucht das BAG die Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unter den Begriff des Entlohnungsgrundsatzes zu subsumieren, obwohl eigentlich die betriebliche Lohngestaltung der übergeordnete Begriff ist. Verschiedene LAG haben diese Definition übernommen.10
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In der Literatur wird der Begriff des Entlohnungsgrundsatzes unterschiedlich definiert. So heißt es bspw.: „Entlohnungsgrundsätze sind sowohl die Grundsätze des Lohnsystems als auch die Festlegung abstrakt-genereller Faktoren zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers“11 oder „Die Entlohnungsgrundsätze betreffen die Primärentscheidung über die Einführung des Systems nach dem das Arbeitsentgelt im Betrieb allgemein, d.h. abstrakt-generell für die Belegschaft ermittelt werden soll“12.
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Alle Definitionsversuche der Rechtsprechung und der Literatur haben hierbei gemein, dass Entlohnungsgrundsätze lediglich ein abstraktes System verkörpern, nach welchem der Arbeitgeber Entgelt bemisst.
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