Einsatzrecht - Basisausbildung gehobener Dienst. Patrick Lerm
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Dieses Teilgebiet gehört zwar zur Repression, aber das Einschreiten der Behörden erfolgt nach dem Opportunitätsprinzip (s. auch § 53 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG). Demnach haben die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach pflichtgemäßen Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.
Anhand eines Beispiels aus dem bundespolizeilichen Aufgabenbereich soll die Entscheidung dargestellt werden:
► BPOLI Hamburg – Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten (FAA) zugeht.
Wie schreiten Sie hier ein? Wie lautet Ihre Entscheidung? (präventiv oder repressiv)?
Lösung
Der Schaden am Rechtsgut Eigentum der DB AG ist hier noch nicht eingetreten. Daher versuchen Sie hier, den Schadenseintritt zu verhindern und fordern die Person auf, die Spraydose auf den Boden zu legen. Man spricht hier von einer bevorstehenden Rechtsgutverletzung (in diesem Fall für das Eigentum).
Beachten Sie, dass polizeiliche Situationen dynamisch sind. Situationen können sich rasch ändern. Deshalb ist die Frage nach der Entscheidung stets eine Momentaufnahme. Die Situation wird für einen kurzen Moment eingefroren und Sie müssen sich entscheiden.
Sobald der Schaden am Rechtsgut eingetreten ist, spricht man von einem Schadenseintritt, siehe Übersicht. Dies wäre dann der Fall, wenn die Person bereits begonnen hat, den Automaten zu besprühen bzw. sie immer noch dabei ist, ihn zu besprühen. Das Verhalten stellt (zumindest) den Verdacht einer Straftat nach § 303 II StGB (Sachbeschädigung) dar. Die Polizeibeamten müssen demnach (auch) zwingend das Legalitätsprinzip beachten.
Sprüht die Person schon bzw. sprüht sie weiter, wird das Eigentum der DB AG immer weiter verletzt. Daher fordern Sie die Peron auf, unverzüglich mit dem Sprühen aufzuhören und die Dose auf den Boden zu stellen. Sie müssen demnach zunächst eine weitere Schadensvertiefung verhindern. Sie schreiten zuerst präventiv ein.
Kommt die Person der Aufforderung nach (also ist die Gefahr der Schadensvertiefung abgewehrt), werden im Anschluss repressive Maßnahmen eingeleitet wie z. B. eine IDF gem. § 163b I StPO. Sie schreiten demnach im Anschluss repressiv ein. Dies bezeichnet man auch als anhaltende Rechtsgutverletzung.
Nun zur dritten Rechtsgutverletzung:
Diese liegt dann vor, wenn es keine Gefahr mehr abzuwehren gilt. Der Schaden ist bereits eingetreten und eine Schadensvertiefung ist nicht mehr möglich.
Im Fall mit dem Sprayer würde das bedeuten, die Person hat gerade mit dem Sprühen aufgehört und beginnt, sich vom Tatort zu entfernen. Gerade in diesem Moment kommen Sie als Streife zum Ereignisort.
Es handelt sich demnach um eine abgeschlossene Rechtsgutverletzung. Sie schreiten (nur noch) repressiv ein.
Zusammenfassung am o. g. Beispiel
Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zugeht. | Sie sehen die Person, wie diese gerade den Automaten besprüht. | Sie sehen, dass die Person gerade mit dem Sprühen aufgehört hat und sich vom Tatort entfernt. |
Noch kein Schaden eingetreten | Schaden ist bereits eingetreten | Schaden ist bereits eingetreten |
Schadenseintritt steht unmittelbar bevor | Schadensvertiefung ist möglich | Schadensvertiefung ist nicht möglich |
Bevorstehende RGV | Anhaltende RGV | Abgeschlossene RGV |
Präventives Einschreiten | Erst präventives, dann repressives Einschreiten | Repressives Einschreiten |
Soweit zu den theoretischen Grundlagen der Entscheidung.
Für die Ausformulierung der Entscheidung gibt es ein kleines Schema, welches die Abarbeitung vereinfacht:
1. Kurzwiedergabe des Sachverhaltes
2. Benennung des beeinträchtigten Rechtsgutes
3. Feststellung, ob bereits ein Schaden eingetreten ist / ggf. Benennung der Straftat
4. Repressives Einschreiten möglich / nicht möglich
5. Schadensprognose (ist ein Schadenseintritt / Schadensvertiefung möglich)
6. Präventives Einschreiten möglich / nicht möglich
7. Feststellung der Art der Rechtsgutverletzung
8. Entscheidung zu repressiven / präventiven Einschreiten
Anhand der drei Sachverhaltskonstellationen und des Schemas finden sie auf den folgenden Seiten die entsprechenden Ausformulierungen:
Fall 1
Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zugeht.
Fall 2
Sie sehen die Person, wie diese gerade den Automaten besprüht.
Fall 3
Sie sehen, dass die Person gerade mit dem Sprühen aufgehört hat und sich vom Tatort entfernt.
Fall 1
1. Die Person hat eine Spraydose in der Hand und läuft zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zu.
2. Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut Eigentum der DB AG beeinträchtigt.
3. Ein Schaden ist noch nicht eingetreten.
4. Repressives Einschreiten ist nicht möglich.
5. Die Person könnte mit dem Besprühen beginnen. Der Schadenseintritt steht unmittelbar bevor.
6. Präventives Einschreiten ist möglich.
7. Es handelt sich um eine bevorstehende RGV.
8. Ich schreite präventiv ein.
Fall 2
1. Ich sehe gerade die Person, wie diese gerade den Fahrausweisautomaten besprüht.
2. Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut Eigentum der DB AG beeinträchtigt.
3. Ein Schaden ist bereits eingetreten. Es kommt hier eine Straftat gem. § 303 II StGB (Sachbeschädigung) in Betracht.
4. Repressives Einschreiten ist möglich.
5. Die Person könnte immer weiter sprühen. Daher ist eine Schadensvertiefung