Wenn die Nacht stirbt und die Zeit still steht. Lisa Lamp

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Wenn die Nacht stirbt und die Zeit still steht - Lisa Lamp

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jung zu sterben? War das ein Zeichen? Lohnte es sich überhaupt, gegen Rabiana zu kämpfen, wenn mein Schicksal schon vorherbestimmt war?

      »Read, bitte! Beweg dich!« Diese Stimme war mir auch bekannt, aber sie klang harscher, weniger piepsig und das Schütteln an meiner Schulter wurde stärker. Ohne die Augen aufzuschlagen wusste ich, dass Du mich angesprochen hattest und wie eine Wahnsinnige an mir zerrtest, aber ich verstand nicht wieso. Warum war es so wichtig, dass ich aufwachte? Wo waren wir und wie lange hatte ich geschlafen? Ich war noch so unendlich müde. Mein Körper fühlte sich schwer an, als würde jemand auf meiner Brust sitzen und mich nach unten drücken.

      »Was ist mit ihr? Ist sie tot?«, mischte sich jemand ein und seufzte genervt. »Dann sollten wir sie kühlen, bevor sie den ganzen Raum verpestet. In den nächsten Tagen wird sich schon eine Möglichkeit finden, sie wegzubringen.« Diesmal machte ich mir gar nicht die Mühe, die Tonlage einem meiner Freunde zuzuordnen. Nicole war manchmal ein Miststück, aber selbst aus ihrem Mund wären niemals solche Worte gekommen. Doch wer war die Person, mit der meine Freunde sprachen? Ich durchforstete mein Gehirn und fuhr schweißnass aus dem Schlaf hoch. Ich schlug meine Hände vor den Mund. Tränen stiegen mir in die Augen und ich keuchte erschüttert, als die Bilder von blutverschmierten Pferdemäulern, brennenden Pfeilen und einem verprügelten Hunter auf mich einstürzten. Kerzengerade saß ich in einem weichen Bett und blickte in Deine Augen, die grün leuchteten, statt wie stürmische Seen blau zu funkeln. Sorge lag in Deinem Gesicht, das sich freudig verzog, als ich Dich ansah.

      »Na endlich! Wir dachten schon, du stirbst uns einfach weg, nachdem wir dich gerettet haben.« Wieder die Fremde, aber jetzt war ihre Stimme näher. Glasklar hörte ich sie und drehte meinen Kopf, um das Mädchen betrachten zu können, das anscheinend von Mitleid noch nie etwas vernommen hatte. Auf den ersten Blick erinnerte sie mich an einen Fisch. Ihre Haut war leicht bläulich und ihr Kopf war schmal. Die anliegenden Ohren, die mit Ohrringen geschmückt waren, sodass von ihrer Ohrmuschel kaum etwas zu sehen war, ließen sie noch dünner aussehen. Sie war nicht hässlich, auch wenn ihr ein riesiger Zinken aus der Mitte ihres Gesichts sprang, der ihre Nase darstellen sollte. Trotzdem war der größte Hingucker das Zeichen über ihrem Auge. Es war in schwarzer Farbe gehalten und begann bei der Spitze ihrer rechten Augenbraue. Es zog sich über ihr Lid bis hinunter zu ihrem hohen Wangenknochen. Noch nie hatte ich eine derartige Tätowierung gesehen.

      »Gerettet? Ihr habt uns eher einen Heidenschreck eingejagt. Der Kampf war schon lange vorbei, bevor ihr euch eingemischt habt. Es wäre besser gewesen, wenn ihr euch einfach wieder vom Acker gemacht hättet, anstatt uns gefangen zu nehmen und uns zu verschleppen, nur damit Mama Morgan ihrem Sohn Guten Tag sagen kann.« Nicole plusterte sich vor dem Mädchen auf, das für meine Freundin nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig hatte. Sie strich sich durch den Scheitel und schnaubte amüsiert, sodass ihr Kopf sich leicht drehte. Die Haare der Fremden waren auf einer Seite abrasiert. Bis zur Haut war das schwarze Haar abgeschoren, sodass man auch hier Zeichen erkennen konnte. Sie ähnelten dem in ihrem Gesicht, doch die Schnörkel verliefen ein wenig anders. Viel hätte man über die Fremde sagen können, aber nicht, dass sie besonders mädchenhaft aussah.

      »Wie putzig«, erwiderte sie augenverdrehend. »Reg dich ab, Prinzessin! Unser Boss wird ihre Gründe gehabt haben.«

      »Ich bin hier nicht die Prinzessin, aber du solltest der Richtigen mehr Respekt entgegenbringen, sonst wird es hier nicht mehr so friedlich ablaufen wie die letzten Tage, Miststück.« Nicole sprang von dem Bett neben mir, auf dem sie bis jetzt gesessen und mich betrachtet hatte. Sie ging bedrohlich auf die Unbekannte zu, die instinktiv zu ihrem Gürtel griff, von dem ich nicht wissen wollte, was sie darunter versteckt hatte. Die Eisprinzessin richtete sich auf und streckte die Brust raus. Sie schien unverletzt zu sein und geduscht zu haben. Ihre blonden Haare strahlten und sie trug Kleidung, die weder Flecken von Erde noch Löcher von Messern aufwiesen. Verwirrt sah ich mir auch meine anderen Freunde an. Tara lag in einem Bett, nicht weit von mir entfernt, und beobachtete eingehüllt in eine blaue Decke das Geschehen. Sie wirkte nicht beunruhigt, als Nicole die Fremde beleidigte, obwohl die beiden Streitenden aussahen, als würden sie gleich aufeinander losgehen. Als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie mich an und nickte, als wolle sie mir zeigen, dass alles gut war. Ähnlich reagierte auch Alex, die auf einem Stuhl an der Wand saß und ein Buch las, dessen Titel in einer Sprache war, die ich nicht kannte. War das Rumänisch oder Kroatisch? Ich wusste es nicht, aber Alex vergrub ihr Gesicht in den Seiten und ignorierte den Aufruhr. Jona und Jaimie saßen auf dem Boden, obwohl überall im Raum verstreut Sesseln standen. Dein Bruder hatte meine Decke unbekümmert über dem Schoß liegen und hatte sich wieder dem Kartenspiel vor ihm zugewandt, als ich aufgewacht war. Sie alle schienen, bis auf ein paar blaue Flecken und neuen Narben, unverletzt zu sein. Trotzdem war ich beunruhigt. Hunter fehlte. Er war nicht da und bis jetzt hatte ihn niemand erwähnt. Wie lange war ich in meinen Erinnerungen gefangen gewesen? Wie lange waren wir schon hier? Und viel wichtiger: Wo war hier eigentlich? In meinem nächsten Leben musste ich dringend dafür sorgen, dass ich nicht immer an unbekannten Orten aufwachte. Irgendwann würde mich das noch umbringen.

      »Es reicht!«, testete ich meine Stimme, die klang, als hätte ich sie jahrelang nicht benutzt. Sie glich einem Krächzen und brach bei der zweiten Silbe, weshalb ich noch mal ansetzen musste. Nicole hörte auf mich und fuhr die Krallen wieder ein. Wütend drehte sie sich von der Fremden weg. Nicht weil sie mir gehorchte, sondern weil sie der Unbekannten zeigen wollte, dass wir ein Team waren und sie mich mit mehr Respekt behandeln sollte, da wir das untereinander auch taten. Dass es nicht immer harmonisch bei uns ablief, wollte Nicole ihr wohl nicht auf die Nase binden.

      »Du hast mir überhaupt nichts zu sagen«, schnauzte das Mädchen ohne Namen mich an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du kannst froh sein, wenn du dir von mir nichts sagen lassen musst, kapiert? Hier gelten andere Regeln.« Gerade als sie ihren Satz beendet hatte und auf mich zugehen wollte, öffnete sich knarrend die Tür und Hunter betrat mit mürrischem Gesichtsausdruck den Raum. Während er sich ein Bild von der Situation machte, blieb mir genug Zeit ihn zu mustern, obwohl mein Herz anfing, schmerzhaft zu pochen, sobald ich ihn sah. Hunter trug andere Kleidung und er humpelte nicht, auch wenn ich das nach den vielen Schlägen auf seine Kniescheiben erwartet hätte. Sein Gesicht war ebenfalls unverletzt. Nichts zeugte mehr davon, dass er beinahe von seinem Bruder umgebracht worden war. Zu Brei geschlagen, verbesserte ich mich. Jona hätte ihn nicht umgebracht, auch wenn eine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte, dass es verdammt knapp gewesen war.

      »Sie vielleicht nicht, Aletheia, aber ich könnte mir vorstellen, dass du lieber auf mich hörst. Du hast mitbekommen, was Mutter mir versprochen hat. Read wird nicht verletzt.« Hunter klang kraftvoll und auch er sprach von einer mysteriösen Mutter. Ob die Jäger ihren Anführer so nannten, so wie wir die Göttin als Mutter der Hexen bezeichneten?

      »Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte ich Dich flüsternd, damit die Unbekannte mich nicht hören konnte. Wie hatte Hunter sie genannt? Aletheia? Sie war der erste und würde vermutlich der letzte Mensch mit diesem Namen sein, der mir begegnete, aber ich hätte zu gern gewusst, was er bedeutete. Vielleicht irgendwas Passendes wie eiskaltes Miststück oder herzlose Bitch.

      »Ungefähr einen Monat. Solange sperren sie uns schon in diesem Raum ein, ohne uns zu sagen, was hier läuft. Außer Hunter. Der spaziert hier fröhlich rein und raus, wie er will, aber hat bis jetzt auch kein Wort gesagt. Wir bekommen genug Essen und Kleidung, aber langsam schien ihnen die Geduld ausgegangen zu sein. Sie wollten, dass du aufwachst, weshalb auch immer das wichtig ist.« Auch Du sprachst leise und das löste in meiner Magengrube ein ungutes Gefühl aus. Die anderen bedachten Hunter mit einem misstrauischen Blick und das gefiel mir noch weniger. Du hattest Dich für ihn eingesetzt, aber auch Du schienst nicht zu wissen, was Du von der Situation halten solltest. Was war hier los?

      »Ich wollte nur die Blondine aufschlitzen«, sagte Aletheia sachlich, als wäre es das Normalste der Welt, und Hunter lachte. Was war daran lustig? Nicole war seine Ex-Freundin und was noch wichtiger war, sie war unsere Verbündete. Meine Freundin.

      »Auch

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