Wenn die Nacht stirbt und die Zeit still steht. Lisa Lamp
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»Hört ihr mir überhaupt zu oder haltet ihr euch für so toll, dass ihr sogar über das Jägerhauptquartier Bescheid wisst?«, zischte Aletheia erzürnt und bedachte Nicole und mich mit einem bösen Blick. Sie war in der Nähe des Buffets stehen geblieben, sodass die ganze Halle uns beobachten konnte. Lautes Tuscheln war zu hören und ich fühlte mich sofort unwohl in meiner Haut. Fast wäre ich gegen Taranee gefallen, die ebenfalls plötzlich vor mir haltgemacht hatte, aber ich konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, um einen peinlichen Zusammenstoß zu verhindern.
»Nachdem aus deinem Mund nur Scheiße kommt und keine Antworten auf unsere Fragen, halte ich es nicht für notwendig, dir meine Aufmerksamkeit zu schenken. Und weil du gefragt hast: Ich halte uns für ziemlich toll.« Nicole reagierte blitzschnell auf Aletheias Gemeinheiten und konterte biestig. Sie warf ihre blonden Haare stilvoll zurück und lächelte ihrer Gegnerin provokant entgegen, während sie vor mich trat und meine anderen Freunde ihr Platz machten, damit sie näherkommen und nicht durch den Raum schreien mussten. Trotzdem hörten alle die Auseinandersetzung. Es war mucksmäuschenstill. Man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können.
Aletheias Gesichtszüge verzogen sich zu einer Fratze, sodass sie mehr Ähnlichkeit mit den tollwütigen Hunden hatte als mit einem Menschen.
»Ich bin mir sicher, dass du mit deinem Erbsenhirn nicht mal eine Frage formulieren kannst.« Aletheia biss die Zähne zusammen und verengte die Augen zu Schlitzen. Sie war ein Stück kleiner als Nicole, sodass meine Freundin auf sie herabsehen konnte, aber das machte die Jägerin nicht weniger furchteinflößend. Ich bewunderte Nicoles Stärke. Sie brach nicht unter dem Blick von Aletheia zusammen und lächelte weiter, obwohl die Anspannung greifbar war und jeder an ihren Lippen klebte.
»Ich hätte gleich eine für dich«, sagte die Eisprinzessin freundlich und tippte gegen ihr Kinn, um den Anschein zu erwecken, nachdenken zu müssen. Aber ich war mir sicher, dass ihr die nächsten Worte bereits auf der Zunge lagen. »Wenn ich dir einen Bleistift in die Halsschlagader ramme und ihn dann wieder anspitze, zählt er dann trotzdem als Mordwaffe?« Schockierte und überraschte Laute der Umstehenden waren zu hören und auch ich riss verblüfft die Augen auf, während ich ein Grinsen unterdrücken musste. Jaimie und Du lachten los, aber euch blieb das Lachen im Hals stecken, als Aletheia laut knurrte, Nicole am Arm packte und sie gegen die nächste Wand warf. Es ging blitzschnell. Selbst wenn wir gewollt hätten, hätten wir ihr nicht helfen können. Die Höllenhexe fiel gegen das Blech der Mauern und ein Scheppern ertönte, bevor sie für einen Augenblick am Boden liegen blieb. Sie keuchte nicht vor Schmerz und betastete auch nicht ihre Rippen. Sie schien sich nicht verletzt zu haben. Trotzdem lähmte eine panische Angst meinen Körper. Meine Hände wurden kalt und ich bekam Schweißausbrüche. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
»Nicole?«, wimmerte ich leise und ging mit erhobenen Händen auf sie zu. »Nicht bewegen!«
In ihrer Rage hatte Aletheia Nicole neben die Hunde geworfen, deren Jaulen zu einem Knurren wurde. Schnaubend sahen sie die Eisprinzessin an und schleuderten ihr Fleisch von sich weg, um an ihrer neuen Beute schnuppern zu können. Das Fressen landete quer im Raum verteilt vor den essenden Jägern, von denen einer leicht grün im Gesicht wurde. Nicole begann zu zittern, obwohl sie versuchte stillzuhalten und sich ihre Angst nicht vor Aletheia anmerken zu lassen, die anders als erwartet auch nicht lachte, sondern besorgt aussah. Nicoles Lippe bebte und sie war schlagartig blass im Gesicht, als hätte ihr jemand die Farben ausgesaugt. Ihre Augen waren verängstigt zusammengepresst, als könnte sie sich die Hunde weit wegwünschen, wenn sie sie nur gut genug ausblendete. Eine Schnauze fuhr über ihre Wange. Spucke lief über das Maul des Hundes und tropfte auf Nicoles Schulter, die daraufhin ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte. Wieder ertönte ein Knurren und ein anderer Hund winselte. Der größte, der Nicole am nächsten stand, schien der Anführer der drei zu sein. Die beiden anderen waren einen halben Schritt hinter ihm und ließen ihm den Vortritt, die Eisprinzessin zu töten und ihr saftiges Fleisch von ihren Knochen zu reißen. In Zeitlupe öffnete die Höllenhexe ihre Augen und drehte ihren Kopf in die Richtung der Monster, die nach ihrem Blut lechzten. Damit war ihr Schicksal besiegelt. Der Hund hielt den Augenkontakt und setzte zum Sprung an.
»Zeus! Odin! Thor! Halt!«, brüllte eine männliche Stimme von der Tür des Raumes und Aletheias erschrockener Schrei war zu hören. Die Krallen des Tieres legten sich auf Nicoles Brustkörper und sie fiel auf den Rücken, weil sie nicht gegen das Gewicht des Köters ankam. Der junge Mann, dessen Schrei immer noch in meinen Ohren widerhallte, sprintete los und überbrückte die Distanz zwischen Nicole und sich. Mit geöffnetem Maul und gefletschten Reißzähnen senkte der Hund währenddessen seinen Kopf. Selbst wenn er das Tempo beibehalten würde, würde der Jäger die Eisprinzessin nicht rechtzeitig erreichen, bevor diese Monster ihr das halbe Gesicht zerrissen hatten. Panik schnürte mir die Kehle zu und mein Innerstes verkrampfte sich. Es fühlte sich an, als würde mein Magen sich um meine anderen Organe schlingen und sie zerquetschen. Das Tier schnupperte noch einmal an Nicoles Haut und schleckte dann ihre Wange ab. Und ihren Hals. Und ihr Dekolleté. Er hörte gar nicht mehr auf. Der Köter japste fröhlich, als Nicole ihre Hand in das Fell legte und ihren Kopf reckte, damit der Hund nicht über ihren Mund lecken konnte.
»Aus! Böser Hund!«, schimpfte sie lachend und versuchte der Zunge auszuweichen, die trotz aller Bemühungen ihr Gesicht durchnässte. Der laufende Mann stockte in der Bewegung und sah Nicole verwirrt an. Sein grimmiger Gesichtsausdruck schien noch düsterer zu werden und die Muskeln seines breiten Rückens spannten sich an. Die Verspannungen waren mir seltsam vertraut und erinnerten mich an den Schützen auf dem Pferd, der den brennenden Pfeil in meine Richtung abgefeuert hatte. Ob er das gewesen war?
»Ernsthaft? Was soll das? Sonst hassen diese Viecher auch alles und jeden, außer Orion, und bei der dummen Schnepfe machen sie eine Ausnahme? Was stimmt mit der nicht?«, entrüstete sich Aletheia und machte ihrer Wut Luft. Sie war rot angelaufen und hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt.
»Das war Absicht?«, fragte der Mann lauernd, der nur Orion sein konnte, weil er als einziger keine Angst vor den Hunden zu haben schien. Ihren Fehler erkennend, drehte Aletheia sich ertappt weg und lächelte versöhnend, als hätte sie Furcht vor der Reaktion des Hundebesitzers, der zu sehr mit Nicole beschäftigt war, um die Jägerin zusammenzustauchen. »Meine Gefährten hätten das Mädchen umbringen können«, brummte er lediglich und streckte Nicole die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. Die Hunde ließen von ihr ab, setzten sich zu den Füßen ihres Herrchens und warteten freudig bellend. Orion musterte die Höllenhexe von Kopf bis Fuß. Am Anfang, um sicherzugehen, dass sie wirklich unverletzt war, doch dann veränderte sich das Glitzern in seinen Iriden, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie gold oder gelb waren. Seine Augen funkelten hell. Sie leuchteten richtig, als hätten sie nie so etwas Schönes wie Nicole gesehen.
»Danke.« Auch die Eisprinzessin starrte ihr Gegenüber unverblümt an und setzte ein aphroditisches Lächeln auf. »Nette Hunde«, säuselte sie, obwohl sie immer noch leicht zitterte und aus ihren Worten ihre Unsicherheit herauszuhören war.
»Das erste Mal, dass ich das höre.«
Eine Gänsehaut bildete sich auf Nicoles Haut beim Klang seiner Stimme und Orion fuhr sanft mit seinem Daumen über ihre Wange, um den Speichel einer seiner Hunde wegzuwischen. »Sie können nicht gut mit Menschen, weshalb sich alle von ihnen fernhalten.« Die beiden standen sich so nah, dass kaum ein Blatt zwischen sie gepasst hätte, und trotzdem schien ihnen das nicht zu reichen. Er war zwei Köpfe größer als sie, doch er senkte den Kopf leicht, um ihr noch näher zu sein. »Genau wie von mir«, setzte Orion hinterher, als er auf gleicher Höhe mit ihrem Ohr war, und zerstörte den Augenblick. Der Klang seiner Worte wurde hart und seine Miene ausdruckslos. Er