In der inneren Welt (Band 2). Hero Leander
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Читать онлайн книгу In der inneren Welt (Band 2) - Hero Leander страница 2
Wieder nickte sie.
„Darf ich fragen, wie du heißt?“
„Marina.“
„Wohnst du immer noch in Leutzsch?“
„Ja, wieder. Ich wohne in der Nähe des Diakonissenhauses. Und du?“
„Ich wohne in der Phillip-Reis-Straße. Kennst du sie?“
Jetzt lachte sie kurz auf. „Ich habe als Kind in der Gaußstraße gewohnt. Das ist gleich bei deiner Straße. Das Haus gibt es jetzt aber nicht mehr. Inzwischen ist dort eine große Wiese.“
„Jetzt verstehe ich auch, weshalb du immer gelächelt hast, wenn wir uns begegnet sind. Du hast mich erkannt.“
Sie nickte und stand auf. „Ich müsste jetzt wieder zurück.“
„Darf ich dich noch ein Stück begleiten?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ja.“
Auf dem Weg tauschten sie jetzt Erinnerungen an die Zeit im Schulchor aus, bis sie den Wald verließen. Da meinte sie: „Du musst jetzt nach rechts und ich geradeaus.“
Wolfgang nickte. „Heute ist Sonntag. Treffe ich dich am Sonnabend wieder?“
Sie hob erneut ihre Schultern und sah ihn dabei in die Augen.
„Sagen wir 10.00 Uhr wieder auf der Bank am ehemaligen Wilden Mann?“, fragte er zum zweiten Mal.
Sie nickte nur stumm, verabschiedete sich und ging in ihre Richtung. Wolfgang lief langsam nach Hause. Was war das? Da begegnete er einer Frau, die ihn schon seit der Schulzeit kannte. Vielleicht war das gar kein Zufall, dass sie sich so oft trafen? Vielleicht wollte sie ihm hier im Wald begegnen, da sie ihn ja kannte. Und allein schien sie auch zu sein. Nun dachte er über sie nach und stellte fest, so verkehrt sah sie gar nicht aus. Anfangs fand er sie eher unscheinbar, doch jetzt sah sie in seinen Augen durchaus attraktiv aus. Als er bei sich zu Hause war, stand es für ihn fest. Diese Frau musste er näher kennen lernen. Aber wie?
Die ganze Woche überlegte er, wie er es anstellen könnte, diese Marina besser kennenzulernen, ohne aufdringlich zu wirken. Doch alles, was ihm dazu einfiel, waren billige Anmachversuche, die er ablehnte.
Am Sonnabendvormittag regnete es. Auch das noch, dachte Wolfgang. Vielleicht kommt sie bei diesem Wetter gar nicht. Da hat es sicher wenig Sinn in den Wald zu gehen. Aber wenn sie vielleicht doch kommt und umsonst auf mich wartet? Dann verpassten sie sich ja! Das wollte Wolfgang auf keinen Fall. Also zog er sich wetterfest an, nahm seinen Regenschirm und ging so los, dass er kurz vor 10.00 Uhr an der verabredeten Stelle ankommen würde.
Als er im Wald um die letzte Ecke bog, sah er, wie neben der Bank eine Gestalt unterm Regenschirm stand. Sie ist also doch gekommen! Ein Glück, dass ich nicht auf meine Bequemlichkeit gehört habe. Da merkte er, wie trotz des Wetters Freude in ihm hoch kam.
Mit den Worten: „Das ist vielleicht ein blödes Wetter. Muss denn das ausgerechnet heute regnen?“, begrüßte er sie.
Marina hob wortlos ihre Schultern und sah ihn erwartungsvoll an.
„Hier hinten ist gleich eine große gemauerte Eisenbahnbrücke. Gehen wir am besten dort hin. Darunter ist es wenigstens trocken.“
Sie nickte und so gingen sie die 150 Meter bis zur Brücke. Hier staunten sie nicht schlecht, denn auch unter der Brücke stand eine alte Gartenbank. Sicher hatte die mal irgendjemand bei Regen hierher getragen. Sie schlossen ihre Schirme und setzten sich.
Nun erzählten sie wieder über ihre Erlebnisse in der Schule und im Schulchor, über die Lehrer, die sie mochten und die, auf die sie damals sehr gern verzichtet hätten.
Nach einer Stunde sagte sie: „Mir ist kalt. Ich muss nach Hause.“
Auch Wolfgang kroch die Nässe langsam unter die Sachen. Er nickte und antwortete: „Ich habe Zeit und bringe dich nach Hause.“ Gespannt wartete er ihre Reaktion ab. Doch sie nickte nur. Also standen sie auf und verließen den Wald in ihre Richtung.
Vor ihrem Haus fragte er sie: „Darf ich mich bei dir etwas aufwärmen? Meine Schuhe sind durch.“
Marina holte tief Luft, sah ihn traurig an und erwiderte: „Ich verstehe dich, aber ich bin nicht auf Besuch vorbereitet.“
„Aber das macht doch nichts. Darf ich mich trotzdem etwas aufwärmen?“
Verständnisvoll nickte sie. Auf der Treppe erklärte sie ihm, dass sie mit zwei Studentinnen in einer Wohngemeinschaft leben würde und nur ein Zimmer hätte. Dabei beobachtete sie ihn ängstlich, wie er wohl darauf reagieren würde. Doch Wolfgang sagte nur lächelnd: „Hauptsache es ist warm und trocken.“
Eine der beiden Studentinnen begrüßte ihn in der Wohnung mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ihre Ablehnung ihm gegenüber war deutlich zu spüren. In Marinas Zimmer sah sich Wolfgang um und wunderte sich, wie spartanisch sie doch lebte.
Als ob sie es erraten hatte, erklärte sie ihm: „Wundere dich bitte nicht. Ich erkläre dir gleich, warum ich hier so einfach eingerichtet bin. Erst einmal koche ich uns einen Kaffee zum Aufwärmen.“
„Mir bitte nicht. Ich trinke keinen Kaffee.“
„Was trinkst du dann?“
„Tee, aber bitte keinen Schwarzen.“
„Kräutertee?“
„Ja gern.“
Marina verschwand in die Küche und Wolfgang sah sich noch einmal in ihrem Zimmer um. Hier stand wirklich nur das Notwendigste, ein Schrank, eine Couch, ein Tisch, zwei Stühle, ein Computertisch mit Schreibtischstuhl und ein kleines Schränkchen, auf dem ein Kofferradio stand. Er setzte sich auf die Couch und überlegte, wie er das Mittagessen lösen könnte. Schließlich war es schon nach 13.00 Uhr und sein Magen meldete sich langsam. Doch da kam Marina schon mit zwei dampfenden Tassen herein und setzte sich neben ihn.
Nun begann sie seufzend: „Ich hatte auch mal eine kleine, aber nett eingerichtete Wohnung. Später habe ich meinen Freund kennen gelernt und bin irgendwann zu ihm gezogen. Da er eine komplette Wohnung hatte, habe ich mich von dem meisten aus meiner Wohnung getrennt. Voriges Jahr im September ist er mit seinem Motorrad tödlich verunglückt. Kurz danach haben seine Eltern darauf bestanden, dass ich möglichst bald aus seiner Wohnung ausziehen möge, aber all sein Hab und Gut dabei zurück lassen soll. So bin ich hier in der WG gelandet. Ich wohne erst seit zwei Monaten hier. Das ist alles, was ich mitnehmen durfte.“ Sie hob die Schultern und sah ihn wie ein Häufchen Unglück an.
„Und deine Eltern?“
„Die sind gleich, nachdem ich meine Wohnung hatte, zur Schwester meiner Mutter in den Schwarzwald gezogen.“, meinte sie und in ihrer Stimme schwang leichte Wehmut mit. „Ich war kein Wunschkind und das habe ich immer gespürt.“ Traurigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Dann kam ein Freund und ich habe geglaubt, jetzt endlich eine richtige Familie gefunden zu haben.“
„Du hast ihn sicher sehr gern gehabt?“