In der inneren Welt (Band 2). Hero Leander
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Читать онлайн книгу In der inneren Welt (Band 2) - Hero Leander страница 3
„Da bist du vom Leben aber auch nicht gerade verwöhnt worden.“
Wieder nickte sie und zuckte mit den Schultern.
Er nahm einen Schluck. Den angebotenen Zucker lehnte Wolfgang ab. Der Tee schmeckte auch so.
„Später werde ich mir auch wieder eine richtige Wohnung suchen, aber dazu muss ich erst einmal genug Geld zusammen haben.“
„Und was arbeitest du?“
„Ich bin Frisörin, aber dabei kann man nicht reich werden. Deshalb wohne ich ja vorläufig hier.“
„Friseuse?“, sagte Wolfgang anerkennend. „Und wie sind die beiden Studentinnen?“
„Ach, die sind schon in Ordnung. Aber sie leben natürlich ganz anders als ich.“
„Ja klar, Studenten.“ Er wusste, wie Studenten leben.
„Ich kann dir nicht einmal etwas anbieten. Du bist mein erster Besuch, seit ich hier wohne.“
Wieder sah Wolfgang in ihre unglücklichen Augen. Kurz entschlossen sagte er ihr: „Ich lade dich ein. Wir gehen essen.“
Marina sah ihn erstaunt an und nickte leicht.
Nachdem sie ausgetrunken hatten, verließen sie die Wohnung und fuhren mit der Straßenbahn die drei Haltestellen bis zu Wolfgangs Straße. Vor seinem Haus stand sein Auto. Mit diesem fuhren sie jetzt zu einer Gaststätte, die Wolfgang recht gut kannte. Sie war abseits der Zivilisation an einem Wäldchen, in dem zu DDR-Zeiten ein Schießplatz war.
Marina wunderte sich beim Essen, dass Wolfgang vegetarisch bestellt hatte. Deshalb fragte sie: „Du isst kein Fleisch?“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht mehr! Mir tun einfach die Tiere leid, die sterben müssen, nur damit ich Fleisch essen kann. Ich will nicht, dass sie wegen mir ihr Leben lassen müssen.“
Erstaunt sah sie ihn an. „So habe ich das noch nie gesehen.“
Nach dem Essen spazierten sie dann noch durch das kleine Wäldchen, welches zu einem Berg gehörte, der Bienitz hieß. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen und Wolfgang zeigte ihr hier, wo er als Kind oft Ski gefahren war. Marina kannte zwar den Bienitz aus den Erzählungen anderer, ist aber selbst nie hier gewesen. Abends brachte Wolfgang sie wieder nach Hause und fragte sie nach dem morgigen Sonntag.
Am Tag darauf holte er Marina nachmittags von ihrer Wohnung ab und lud sie nach dem ausgedehnten Waldspaziergang zum Teetrinken in seine kleine Zweiraumwohnung ein.
Hier bei ihm zu Hause erzählte Marina, dass die Mädchen damals im Schulchor immer ehrfürchtig zu den großen Jungs hochgeschaut hatten. Doch als er ihr vor fast zwanzig Jahren auf der Chorfahrt im Februar in der Jugendherberge eine Musikkassette repariert hatte, bewunderte sie ihn. Auf der Kassette war Musik von den Puhdys und ihr Kassettenrecorder Mira hatte beim Zurückspulen das Band zerrissen. Damals war sie unendlich traurig, weil es ihre Lieblingskassette war. Und er hatte damals viel Verständnis für sie, ließ sich die Kassette geben und brachte ihr sie in wenigen Minuten repariert zurück. Sie freute sich schon damals immer, wenn sie ihn in der Schule oder irgendwo anders zufällig traf.
Nun hatte sie ihn auch nach langer Zeit bei den Begegnungen im Wald sofort wieder erkannt.
Da versuchte Wolfgang erneut Erinnerungen an sie in sich zu finden, aber da war nichts. Deshalb fragte er: „Wo war denn das mit der Jugendherberge?“
„In den Winterferien in Goseck. Kennst du das noch?“
„Wooo?“ Wolfgang riss die Augen auf und glaubte falsch zu hören. Ihm lief es eiskalt den Rücken herunter. „Wo war das?“
Marina antwortete verwundert: „In Goseck in der Herberge. Sie war wohl in einem Schloss. Das muss in der Nähe von Naumburg gewesen sein. Kannst du dich daran nicht mehr erinnern?“
Wolfgang schüttelte mit dem Kopf. „Goseck kenne ich gut, aber dass wir mit dem Schulchor dort waren …“ Immer noch schüttelte er seinen Kopf. „Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. Jetzt ist dort im Schlosshof ein Museum und …“ Er sah Marina an. Sollte er ihr jetzt von seinem Urlaub in Posid erzählen? Nein! Das würde sie ganz sicher nicht glauben. Und so schwieg er.
„Das Museum ist in der Jugendherberge?“, fragte Marina.
„Nein, die muss gegenüber gewesen sein.“
Nun erzählte Marina, was sie von Goseck noch wusste und er nickte öfters. Das war das gleiche Goseck, was er auch kannte.
Sie aßen noch zum Abend und anschließend brachte Wolfgang seine Begleiterin nach Hause.
Als er wieder zurück bei sich zu Hause war, ließ er alles noch einmal Revue passieren. Die Erwähnung von Goseck hatte ihn total aufgewühlt. Er war kurz vor der Wende mit dem Schulchor in Goseck. Wieso erinnerte er sich nicht daran? Das hätte ihm doch schon im vergangenen Sommer auffallen müssen. Am Ende kam er zu der Vermutung, dass das alles kein Zufall war, dass der Ausgangspunkt für das Kennenlernen von Diane und auch von Marina Goseck war. Ein recht kleines Dorf, was ohne das Sonnenobservatorium kaum von Bedeutung war. Merkwürdig!
Von nun an verbrachten sie fast jedes Wochenende zusammen. Marina gefiel ihm. Sie war ruhig und sehr einfühlsam. Von Woche zu Woche verband ihn mit ihr immer mehr und Diane verlor im Gegenzug in ihm langsam an Bedeutung. Das Leben begann für Wolfgang wieder farbig zu werden. Marina füllte die Lücke, die Diane so schmerzlich in ihm hinterlassen hatte. Bald war er genau so verliebt, wie damals in Posid. Trotzdem erzählte er Marina natürlich nichts von Diane. Was hätte er ihr auch sagen sollen? Etwa, dass er in eine Atlanterin verliebt sei, die im Inneren der Erde wohnte. Das hätte auf dieser Welt niemand verstanden und Marina ganz besonders nicht. Und so behielt er sein Erlebnis vom Sommer 2007 für sich. Die beiden Rosen aus seinem Schlafzimmer pflanzte er nun unten im Hof in die Blumenrabatte am Nachbarhaus. So waren sie immer noch in seiner Nähe, aber es ersparte ihm unangenehme Erklärungen.
Bald blieb Marina das ganze Wochenende bei ihm und im Dezember zog sie ganz zu Wolfgang. Hier in ihrer alten Heimat blühte sie wieder richtig auf.
Im folgenden Jahr heirateten Marina und Wolfgang in der zweiten Julihälfte und lebten von da an glücklich zusammen. In Marina hatte er die Frau gefunden, die er schon so lange gesucht hatte. Auch wenn sie manchmal etwas zu ruhig war, liebte er sie über alles. Jetzt zahlte sich aus, was er über bedingungslose Liebe in Posid gelernt hatte.
Marina war immer wieder glücklich über sein großes Verständnis und seine Zuneigung. Sie war so froh, dass sie die Probleme vieler anderer Frauen mit ihren Partnern mit ihrem Wolfgang nicht hatte. Er war irgendwie anders, als ob er aus einer anderen Welt käme. Aber gerade das gefiel ihr so sehr an ihm. Hatte sie doch in der Vergangenheit nicht viele gute Erfahrungen mit Männern gemacht. Um so mehr stach Wolfgang von den anderen ab. Er trug sie auf Händen und sie genoss es in vollen Zügen. Nach all den schwierigen Beziehungen der Vergangenheit kam sie sich jetzt wie im Himmel vor. Selbst wenn sie bei einer Feier mal einen anderen Mann voller Übermut einfach umarmte, hatte Wolfgang dafür immer Verständnis. Es gab deshalb nie ein böses Wort oder auch nur eine Ermahnung. Im Gegenteil! Er fand das lustig, als ob er gar nicht eifersüchtig werden könnte.
Als Marina ihn einmal darauf ansprach, antwortete