Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen. Alexander Grieger
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Verfassungsrechtlich geschützt ist auch die Möglichkeit des Staates, für verschiedene Bereiche Haftungshöchst- und Mindestsummen zu definieren, wobei dem Staat hierbei nur im Rahmen anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter (wie der Vertragsfreiheit und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3. Abs. 1 GG)) Grenzen gesetzt sind215.
Umgekehrt stellt sich natürlich die Frage, wo die Privatautonomie ihre verfassungsrechtlichen Grenzen findet. Wo die Privatautonomie des einen beginnt, könnte dies die Privatautonomie des anderen beschränken oder übergeordneten verfassungsrechtlichen Zielen zuwider stehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BVerfG ist anerkannt, dass auch das staatliche Eingreifen in die Privatautonomie des strukturell überlegenen Vertragspartners gerade dem Schutz der Privatautonomie des unterlegenen Vertragspartners und somit generell der Zielsetzung der Vertragsfreiheit dienen kann216. Ansatzpunkt ist, wie im später vertretenen Vertragsparitätskonzept tiefergehend erläutert, eine strukturell ungleich verteilte Verhandlungsmacht217. Es wird somit nicht das strenge liberale Modell der Vertragsfreiheit verfolgt, sondern eine vom Staat in gewissen Bereichen korrigierend eingreifendes, „paternalistisches Vertragsfreiheitsmodell“218. Bereits aus der geschilderten rechtshistorischen Entwicklung und angesichts der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie heraus muss die Möglichkeit privatautonomer Haftungsbeschränkungen, zumindest solange dies nicht zu einem vollständigen Haftungsausschluss und somit zur Verletzung der Vertragsfreiheit des anderen Vertragspartners führt, erhalten bleiben219. Genauso wie dem Gesetzgeber aber auch ein weiter Gestaltungsspielraum für die Festlegung angemessener Haftungshöchst- und Mindestsummen gewährt werden muss (z.B. weil eine angemessene Summe stets schwer ermittelbar ist), so muss auch den Wirtschaftssubjekten ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden werden und die Inhaltskontrolle betraglicher Haftungsbeschränkungen darf nicht zu einem „scharfen Schwert“ verkommen220.
Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass keine Gründe ersichtlich sind, weshalb eine Inhaltskontrolle mit den grundgesetzlichen Vorgaben nicht im Einklang stehen sollte221. Vielmehr wird heute nicht mehr von der „Richtigkeitsgewähr“ von Verträgen222 gesprochen, welche infolge eines Aushandelns der Vertragspartner auf Augenhöhe ein optimales Ergebnis liefern, sondern von „Ungleichgewichten“, welche regulierende staatliche Eingriffe geradezu einfordern.
V. Unzureichende Zielerreichung durch §§ 138, 242 BGB
Die gem. Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie, welche gleichzeitig den staatlichen Schutz der schwächeren Vertragspartei bedingt, konnte wie oben dargestellt nur mittels §§ 138, 242 BGB
§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
nicht ausreichend gewahrt werden und erforderte deshalb – gleichsam als „Notrecht“223 – eine formelle Kontrollmöglichkeit mit objektiven Anknüpfungspunkten zur Schaffung eines Ausgleichs zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit224. Eine Kontrolle anhand unscharfer Kriterien im Grenzbereich des § 138 BGB, der die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften nur dann feststellt, wenn diese mit „grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung“225 kollidiert, konnte diesem Anspruch nicht gerecht werden226. Der Richtervorbehalt bei struktureller Überlegenheit eines Vertragspartners und ungewöhnliche Belastungen des anderen Vertragspartners betrifft im Rahmen des § 138 BGB nur krasse Einzelfälle und stellt – genauso wie die kaum greifbare Generalklausel nach § 242 BGB – kein generell geeignetes Mittel zur Inhaltskontrolle von (auch) nachteiligen Verträgen dar227.
Bezogen auf den Betrachtungsgegenstand wird nach heutigem Recht die Sittenwidrigkeit einer individualvertraglich vereinbarten Haftungsausschluss- oder Haftungsbeschränkungsklausel in aller Regel ausscheiden228; im Hinblick auf vorformulierte Klauseln sind ohnehin §§ 305ff. BGB vorrangig229, welche einen strengen Maßstab anlegen und eine Prüfung nach § 138 BGB entbehrlich machen. Sofern die AGB-Kontrolle nicht anwendbar ist, findet eine Kontrolle nach § 242 BGB nur im sehr eingeschränkten Anwendungsbereich notariell beurkundeter Immobilientransaktionen Anwendungen, bei denen infolge unzureichender Aufklärung und Belehrung durch den Notar ein besonderer zusätzlicher Anknüpfungspunkt besteht (vgl. hierzu später unter E.II.2 Notarverträge)230.
VI. Rechtscharakter von AGBs und dogmatische Begründung der AGB-Kontrolle
Die AGBs an sich werden nach der herrschenden Meinung als vertragliche Absprachen innerhalb einer geltenden Rechtsordnung („Vertragstheorie“231) eingeordnet, während die mittlerweile auch durch Rechtsprechung und Gesetzeswortlaut widerlegte Mindermeinung von einer separat geschaffenen Rechtsordnung zwischen den beteiligten Vertragspartnern, insbes. den Verwender der AGBs, ausgehen („Normentheorie“232). Wenngleich die Relevanz dieses Theorienstreits als sehr gering angesehen wird233, so bietet dieser doch einen ersten Ansatzpunkt, um sich der Frage anzunähern, wie sich Privatautonomie und Inhaltskontrolle konzeptionell vereinen lassen.
Nachdem der Gesetzgeber bei der Implementierung von § 310 BGB im Rahmen der Schuldrechtsreform 2001 keine dogmatischen Begründungen geliefert hat234, lohnt sich ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von § 12 AGBG bzw. dem späteren § 24 AGBG, welcher fast unverändert in § 310 BGB übernommen wurde. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung235 zu § 12 Nr. 1 AGBG sollten bestimmte Kontrollnormen keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen finden, „die gegenüber einem Kaufmann verwendet werden, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört“. Nach der Gesetzesbegründung sei eine vollständige Befreiung solcher Verträge von einer AGB-Kontrolle jedoch nicht möglich, nachdem auch für diese der Grundsatz von „Treu und Glauben“ gelte, welche der gesamten Rechtsordnung inne wohne236. Vielmehr könnten in Verbrauchergeschäften nicht geduldete Risikoverlagerungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr im Einzelfall zulässig sein, wobei ein generelles Werturteil zur Vermeidung von unflexiblen Lösungen vermieden werde237. Die Zulässigkeit bestimmter Klauseln solle sich gerade dadurch ergeben können, dass die für eine Vielzahl von B2B-Verträgen geltenden nachteiligen Regelungen durch „Vorteile anderer Art ausgeglichen“238 werden können.
Kurz zusammengefasst soll auf Basis des Grundsatzes von Treu und Glauben trotz einer verringerten Schutzbedürftigkeit im B2B-Bereich die gesetzliche Kontrollmöglichkeit unerwünschte Risikoverlagerungen, welche nicht durch Vorteile anderer Art angemessen ausgeglichen werden, verhindern.
Überraschenderweise werden diese Aspekte heute eher wenig aufgegriffen239 und im Allgemeinen zwei dogmatische Konzepte zur Begründung herangezogen, wobei sich das erste mit dem