Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen. Alexander Grieger
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1. Vertragstheoretischer Ansatz: Individualaspekte
Der bereits angesprochene Rationalisierungsgedanke, der bei der Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen zu Tage tritt, wird von nicht gewünschten Risikoverlagerungstendenzen zwischen den beteiligten Vertragspartnern begleitet242. Der Schutzzweck der §§ 305ff. BGB wird dahingehend gesehen, dass der Verwendungsgegner vor einer einseitigen Ausnutzung der Vertragsfreiheit243 bzw. Privatautonomie durch den Verwender – d.h. durch das Stellen einseitig optimierter Vertragsklauseln – geschützt werden solle244. Demzufolge genießen auch individuelle Absprachen, welche dem Idealbild privatautonomer Entscheidung entstammen und gleichsam „auf Augenhöhe“245 verhandelt wurden, einen höheren Stellenwert und somit höheren Kontrollhürden als einseitig vorgegebene AGBs246.
Interessanterweise wird bei der rechtsdogmatischen Begründung für die Notwendigkeit der AGB-Kontrolle nicht auf die Überlegenheit des Verwenders (z.B. in wirtschaftlicher oder gar intellektueller Hinsicht) abgestellt247. Begründet wird dies hauptsächlich mit dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, der rein auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305ff. BGB) und nicht auf die generelle Überlegenheit des Verwendungsgegners abstellt248. Die unzulässige Ausnutzung einseitiger Vertragsfreiheit249 ergibt sich hierbei aus der Möglichkeit des Verwenders, die verwendeten Klauseln einseitig, vorab ohne Zeitdruck und ggfs. unter Heranziehung rechtlichen Rats umfassend zu gestalten, während der Verwendungsgegner in die Situation kommen kann, mangels beschränkter Informationsaufnahme und -verarbeitungsmöglichkeit weder zeitlich noch inhaltlich die vorgelegten Klauseln im selben Verhältnis prüfen zu können250. Dem Verwendungsgegner wird insoweit auch zugerechnet, dass ihm eine Prüfung im gleichen Maßstab regelmäßig gar nicht zugemutet werden könne: Während der Verwendungsgegner die Klauseln mit ggfs. großem Zeitaufwand und umfassender Rechtsberatung für eine Vielzahl von Fällen vorbereite, mache es für den Verwendungsgegner in dem ihm betreffenden Einzelfall keinen Sinn, vergleichbar hohen Zeitaufwand und Kosten in die Prüfung der vorgelegten Klauseln zu investieren (sog. „prohibitiv hohe Transaktionskosten“251). Der Verwendungsgegner hat somit in der Vertragsabschlusssituation (deshalb auch z.T. „situative Unterlegenheit“252 genannt) nicht das gleiche Maß an Information in Bezug auf die Inhalte und Tragweite der ihm vorgelegten Klauseln, wodurch sich die bereits eingangs beschriebene Informationsasymmetrie einstellt. Auch ein Vergleich zwischen den AGBs mehrerer Verwendungsgegner führt infolge der nochmals steigenden Transaktionskosten eher zu einer zusätzlichen Benachteiligung des Verwendungsgegners. Würde sich der Verwendungsgegner auf die Suche nach Anbietern begeben, welche rein auf Basis der gesetzlichen Regelungen zu einem Vertragsabschluss bereit wären, so wäre dies mit unverhältnismäßigen Suchkosten verbunden und würde zudem voraussetzen, dass man sich im vollen Umfang der gesetzlich anzuwendenden Regelungen, die im Einzelfall für den geplanten Vertragsabschluss passend sein müssen253, bewusst sein muss. Wenngleich ein vom Gesetzgeber als neutrale Stelle für jedes denkbare Vertragsverhältnis geschaffenes Regelwerk aus Sicht der Interessenwahrung seinen Charme haben mag, so scheitert dies jedoch bereits an der Schnelllebigkeit und Komplexität des Wirtschaftslebens und den beschränkten Kapazitäten des Gesetzgebers254. Zudem hat auch der Verwendungsgegner ein Interesse daran, die Erfahrungswerte des Verwenders bei der Strukturierung der Vertragsabwicklung zu nutzen255. Scheidet sowohl eine Suche nach günstigeren AGBs als auch den Rückzug auf das dispositive Recht aus, so bliebe nur die Option des Nichtabschlusses, was jedoch unabhängig von den individuell zu befriedigenden Bedürfnissen auch gesamtwirtschaftlich nicht gewünscht sein kann.
2. Rechtsökonomischer Ansatz: Marktaspekte
Während man ursprünglich davon ausging, dass sich der Markt selbst heile und sich bei nachteiligen AGBs infolge Abwanderungsmöglichkeiten zu günstigeren Marktteilnehmern letztlich ein optimales (in der Sprache der Volkswirtschaftslehre „wohlfahrtsmaximierendes“256) AGB-Niveau ergebe257, dominiert aus marktwirtschaftlicher Sicht mittlerweile doch die Einsicht von der Ineffizienz des Marktes („Marktversagen“258 oder je nach beteiligten Unternehmensgruppen bzw. Einzelsituation auch nur „partielles Marktversagen“259), im vorliegenden Fall nicht durch Externe Effekte, Öffentliche Güter oder fehlende vollkommene Konkurrenz260 verursacht, sondern durch Asymmetrische Informationsverteilungen. Nach Adam sei die Informationsasymmetrie über die Qualität (d.h. den Inhalt und Nutzen) der kontaktieren AGBs ausschlaggebend für das Marktversagen, da es für den Einzelnen infolge des zuvor beschriebenen Zeit- und Kostenaufwands nicht Effizienz steigernd sei, mittels eingeschaltetem Rechtsrat die Qualität der AGBs zu prüfen261. Allerdings würde im Zeitablauf durch eigene und fremde Erfahrungswerte, welche z.B. aus Testzeitschriften oder heute wohl eher auch aus dem Internet gewonnen werden können, diese Informationsasymmetrien behoben werden und ein effizienter Markt geschaffen262. Diese benötigte Zeitdauer mit den dabei auftretenden Wohlfahrtsverlusten könne durch staatliche Vorgaben zur Ausgestaltung von AGBs abgekürzt werden, selbst wenn auch die richterliche Rechtsfortbildung nach Einführung eines neuen Gesetzes nicht unberücksichtigt bleiben dürfte263. Durch die staatlich verordnete Vereinheitlichung würden Transaktionskosten (wie die rechtliche Prüfung verschiedener AGBs von ausgesuchten Anbietern) entfallen. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen sei – selbst unter expliziter Berücksichtigung eines Zusatzaufwandes für z.B. das gesetzlich geforderte Aushandeln individueller Klauseln264 – durch eine AGB-Kontrolle somit gegeben265.
VII. Eigener dogmatischer Ansatz: Vertragsparitätskonzept
Dem individualrechtlichen sowie marktbezogenem Konzept wohnt m.E. der gleiche Gedanke inne, auch wenn dieser durch die beiden Konzepte und auch verschiedene Strömungen innerhalb der Konzepte unterschiedlich begründet wird266: Die Vertragspartner erzielen infolge unterschiedlicher Verhandlungsmacht267 nicht das gewünschte pareto-optimale Gleichgewicht, d.h. ein Ergebnis, welches bei einer Abweichung in die eine oder andere Richtung jeweils zu Nachteilen für zumindest einen Vertragspartner führt und somit nicht Gemeinwohl-maximierend ist268.
Aus der Marktsicht heraus ist hervorzuheben, dass – wie die Informationsasymmetrie – Marktmacht als eigenständige Begründung für Marktversagen anerkannt ist und keinen Subtypus der Informationsasymmetrie darstellt269. Durch dieses Marktversagen wird die modellhaft ideale Risikozuordnung270, die sich danach richtet, wer das Risiko am besten versichern (chepeast insurer) oder vermeiden kann (cheapest cost avoider), ausgehebelt; zudem fehlt den beteiligten Akteuren eine vollständige Information über alle zukünftigen Risiken und deren tatsächliche Realisierung271. Desweiteren fokussiert sich das etablierte Modell der ökonomischen Analyse des Rechts stark auf den Preis bzw. Kosten als Steuerungsgröße und vernachlässigt nach Ansicht des Verfassers, dass auch auf die schwächere Vertragspartei abgewälzte Risiken aus Sicht des betrieblichen Risikomanagements einen wirtschaftlich erstrebenswerten Vorteil darstellen272, der für den konkreten Gegenstand dieser Arbeit in den Vordergrund zu stellen ist.
Dass der BGH jedoch einem Marktmachts-Ansatz – auch im B2B-Bereich – ablehnend gegenübersteht, hat er bereits 1976 klar zum Ausdruck gebracht:
„Die Ungleichheit der Geschäftspartner ist aber auch zwischen Kaufleuten anzutreffen. Es ist daher nicht sachgerecht, zwischen den Beteiligten zu differenzieren. Die Rechtsprechung des BGH verzichtet deshalb bewußt darauf, ein wirtschaftliches oder intellektuelles Übergewicht auf Seiten des Aufstellers der AGB oder die Schutzbedürftigkeit des anderen Vertragspartners festzustellen (...).“273
Allerdings hat der BGH im Jahre 2014 an anderer Stelle diese Überlegungen aufgegriffen, u.a. in Bezug auf eine Bestätigungsklausel zum Aushandeln:
„Das aus dem Normzweck der §§ 305ff. BGB abgeleitete Ergebnis ist zudem verfassungsrechtlich abgesichert. Zwar ist die Vertragsfreiheit über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, aber nicht schrankenlos. Solche Schranken sind unentbehrlich, weil Privatautonomie auf dem Prinzip der