Compliance-Handbuch Kartellrecht. Jörg-Martin Schultze

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Compliance-Handbuch Kartellrecht - Jörg-Martin Schultze Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch

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Schadensdurchsetzung (des private enforcement) zu stellen und für Geschädigte europaweit ein vergleichbares Schutzniveau herzustellen. Das Instrument der dezentralen Kartellrechtsdurchsetzung durch Privatklagen nimmt in anderen Rechtskreisen, namentlich den USA, schon lange eine herausragende Bedeutung ein. Dies wird insbesondere durch den – in Europa nicht verfolgten – US-Ansatz der punitive oder treble damages getragen, der dem Geschädigten den dreifachen Schadensersatz einräumt, was häufig durch class actions (Sammelklagen) durchgesetzt wird.

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      Ebenfalls gesetzlich erheblich erleichtert ist für Ansprüche, die nach dem 26.12.2016 entstanden sind, die Geltendmachung von Schadensersatz durch mittelbar Geschädigte, die sich auf eine gesetzliche Vermutung der Schadensabwälzung gemäß § 33c GWB berufen können. Die Gesetzesreform hat zudem Ermittlungserleichterungen für potenzielle Kläger mit sich gebracht. So können Geschädigte nach § 33g GWB die Herausgabe von Unterlagen und Erteilung von Auskünften seitens der Kartellanten verlangen, die zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erforderlich sind.

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      Nach deutschem Recht haften Kartellanten gegenüber den Geschädigten als Gesamtschuldner. Dies bedeutet konkret, dass ein Geschädigter seinen gesamten Schaden gegenüber einem Kartellanten geltend machen könnte, ohne dass er zu diesem Unternehmen überhaupt in einer Vertragsbeziehung gestanden haben muss. Kronzeugen haften für Ansprüche nach dem 26.12.2016 nur gegenüber ihren eigenen direkten und indirekten Abnehmern und sind auch beim entsprechenden Gesamtschuldnerinnenausgleich gegenüber anderen Kartellanten privilegiert.

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      Unternehmen, die wegen eines Kronzeugenantrags volle oder teilweise Bußgeldfreiheit erlangt haben, haben vor der Umsetzung der 9. GWB-Novelle das uneingeschränkte Risiko getragen, zu gleichrangigen Beklagten im Rahmen nachgelagerter Schadensersatzforderungen zu werden. Da die erfolgreiche Rolle des Kronzeugen die Einräumung des kartellrechtswidrigen Sachverhaltes voraussetzt, hat sich die für einen Kronzeugenantrag erforderliche Kooperation damit später durchaus als nachteilig bei der Verteidigung gegen Schadensersatzforderungen erwiesen. Das Folgerisiko von Schadensersatzklagen ist für Kronzeugen auch mit der Umsetzung der Gesetzesreformen nicht grundsätzlich beseitigt. Kronzeugen haften ihren direkten und indirekten Abnehmern nach wie vor vollumfänglich für die durch die Kartellrechtsverletzung entstandenen Schäden. Wie oben aufgeführt, werden sie allerdings gegenüber Schadensersatzforderungen Dritter privilegiert, die sie lediglich im Rahmen der Haftung aller Kartellanten als Gesamtschuldner treffen. Auch vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage ist also nach wie vor in die Risikoabwägung einzubeziehen, ob ein Kronzeugenantrag in der konkreten Situation für das Unternehmen der richtige Schritt ist (siehe dazu ausführlich unter Rn. D 4ff.).

       6. Kommerzielle Risiken durch Reputationsverlust, Kundenreaktionen, langwierige Untersuchungen, personelle Konsequenzen

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      Kartellrechtsverstöße ziehen nicht nur Risiken aus unmittelbaren Rechtsfolgen nach sich, sondern führen auch zu einer Reihe weiterer kommerzieller Risiken, die erheblichen Einfluss auf das weitere Schicksal des Unternehmens haben können.

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      Investoren und Anlegern sind die Konsequenzen des ungünstigen Ausgangs eines Verfahrens durch die Kartellbehörden gut bekannt. Muss ein Unternehmen einräumen, Beteiligter in einem Kartell- oder Missbrauchsverfahren zu sein, hat dies insbesondere bei börsennotierten Unternehmen regelmäßig einen unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenswert. Dies gilt meist schon dann, wenn die Einleitung eines Verfahrens bekannt wird, obgleich dessen Ausgang offen ist. Die Eröffnung eines kartellrechtlichen Verfahrens hat zudem einen erheblichen Einfluss auf anstehende Transaktionen. Ein Erwerber wird sich nur dann zum Kauf eines am Kartellverfahren beteiligten Unternehmens entschließen, wenn er meint, die kartellrechtlichen Risiken abschätzen und in Form des Kaufpreises oder der Vertragsverhandlungen kompensieren zu können.

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      Reputationsverlust und schlechte Presse nach Eröffnung eines Kartellverfahrens wirken sich regelmäßig auch auf die Kundenbeziehungen aus. Unternehmen müssen in Jahresgesprächen schon weit vor Abschluss eines Kartellverfahrens erleben, dass sie für ihr vermeintliches Fehlverhalten von Kunden zur Rechenschaft gezogen werden. Aus Unternehmenssicht positiv ist, dass sich durch ein finanzielles Entgegenkommen gegenüber Kunden Schadensersatzklagen ggf. vermeiden lassen.

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