Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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System von Imperativen dar. Rechtsnormen und -regeln sind Befehle, bei deren Mißachtung ein angedrohtes Übel wirksam wird, was dazu führt, daß Befehlen gewohnheitsmäßig gehorcht wird, um Sanktionen zu vermeiden. Die spezifische Differenz des positiven Rechts gegenüber anderen Regeln liegt in seinem Ursprung: Die Rechtsbefehle werden von dem Souverän erteilt, der allein durch seine gesetzgebende Kraft die Befehle mit Rechtsgültigkeit ausstattet. Existenz und Gültigkeit des Rechts wurzeln also nicht mehr im Naturrecht, da A. die Autorität des Souveräns und seiner Befehle nicht im Rückgriff auf eine übergeordnete Instanz als legitimiert begreift. Die Macht des Souveräns und der ihm untergeordneten politischen Institutionen basieren lediglich auf sozialen Gepflogenheiten, Brauch und Gewohnheit; Hierarchien bilden sich aus, indem Menschen anderen Menschen aus Gewohnheit Gehorsam leisten. An der Spitze der Hierarchie steht der Souverän, derjenige, der selbst niemandem gegenüber Gehorsam übt. Die rechtsetzende Macht des Souveräns ist nach A.s Theorie nicht wiederum |34|rechtlich zu beschränken und bedarf keiner rechtlichen Form. Der Souverän kann folglich auch kein illegitimes Rechts kreieren, d.h. jeder Akt der Rechtsetzung durch den Souverän führt notwendig zu einem legalen Rechtsbefehl.

      Nicht die Auffassung, Gesetze seien Befehle eines Souveräns, ist neu an A.s Ansatz; seine rechtsgeschichtliche Bedeutung gründet vielmehr in der Abkehr von dem Gedanken, der Souverän verdanke seine Autorität wiederum einer übergeordneten Instanz. Damit ist die Grundidee einer positivistischen Rechtsauffassung formuliert: die Geltung des Rechts ist seine Faktizität. Recht wurzelt nicht in moralischen Vorbedingungen, sondern wird von Menschen durch Entscheidungen festgesetzt und dadurch gesellschaftliche Wirklichkeit.

      Im deutschsprachigen Raum stehen den Vorstellungen der frühen englischen Positivisten Bierlings Juristische Prinzipienlehre, der Ansatz von Bergbohm und später → KelsensKelsen, Hans (1881–1973) Reine Rechtslehre nahe. Entscheidenden Einfluß hatte der rechtspositivistische Ansatz vor allem auf das anglo-amerikanische Recht. In den USA nahmen John Chipman Gray und Oliver Wendell Holmes die Ansätze A.s auf. Kritisiert wurde er hingegen von der Historischen Schule von → Henry MaineMaine, Sir Henry James Sumner (1822–1888). Im weitesten Sinne in der Tradition A.s stehen Theoretiker wie H.L.A. Hart, die sich mit sprachanalytischen Mitteln um eine Reformulierung des Rechtspositivismus bemühen.

      Da A. das Recht allein durch die Sozialtatsachen der Über- und Unterordnung definiert, wird seine Theorie als reduktionistisch und als „naiver Positivismus“ kritisiert. Als reine Machttheorie des Rechts weist sie keinen systematischen Ort für Legitimitätserwägungen auf. Ein präziser Rechtsbegriff kann über die Analyse des Rechts als Befehl nicht erreicht werden, so daß das Recht normativ unterbestimmt bleibt. Da rechtliche Beschränkung und Aufteilung gesetzgebender Gewalt nach A.s Theorie nicht möglich sind, finden die im Laufe des 19. Jahrhunderts fortentwickelten Ideen der Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit keine theoretische Unterstützung in A.s Rechtslehre. Die Defizite der A.schen Theorie sind bereits daran zu erkennen, daß sie nicht in der Lage ist, der damaligen politischen Verfassung der Vereinigten Staaten durch eine adäquate theoretische Beschreibung gerecht zu werden.

      Hauptwerke: The Province of Jurisprudence Determined, 1832, 21861. – Lectures on Jurisprudence, ed. by Sarah Austin, 2 vols., 1863. – Lectures on Jurisprudence or the Philosophy of Positive Law, 3rd edition, revised and edited by R. Campbell, |35|2 vols., 31869, 41873, 51885, Nachdrucke 1895, 1911. – A Plea for the Constitution. London 1859.

      Literatur: A. Agnelli: John Austin, alle origini del positivismo giuridico, 1959. – J.W. Brown: The Austinian Theory of Law, 1906. – G.B. Campbell: Analysis of Austin’s Lectures on Jurisprudence, 1905. – W.E. Conklin: The place of the people in John Austin’s structuralism, 2002. – R.A. Eastwood/G.W. Keeton: The Austinian Theories of Law and Sovereignty, 1929. – M. Freemann/ P. Mindus, P. (Hrsg.): The Legacy of John Austin’s Jurisprudence, 2013. – L. Hamburger/J. Hamburger: Troubled Lives. John and Sarah Austin, 1985. – H.L.A. Hart: Der Begriff des Rechts, 1973. – Ders.: Introduction, in: J. Austin, The province of jurisprudence determined …, 1954, 1998, I ff. – O. Höffe: Politische Gerechtigkeit, 1989, 110–153. – P.J. King: Utilitarian Jurisprudence in America. The Influence of Bentham and Austin on American Legal Thought in the Nineteenth Century, 1986. – W. Löwenhaupt: Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972. – J.U. Lewis: John Austin’s Concept of „Having a Legal Obligation“, in: Western Ontario Law Review 14 (1975), 51. – C.A.W. Manning: Austin To-day, in: Modern Theories of Law, hrsg. von I. Jennings, 1933. – J.S. Mill: Austin on Jurisprudence, in: Dissertations and Discussions, 1875. – W.L. Morison: John Austin, 1982. – Ders.: Some Myth About Positivism, in: Yale Law Journal 68 (1958), 212. – H. Morris: Verbal Disputes and the Legal Philosophy of John Austin, in: University of California Law Review 7 (1959/60), 27 – E. Ruben: John Austin’s Political Pamphlets 1824–1859, in: Perspectives in Jurisprudence, hrsg. von E. Attwool, 1977. – W.E. Rumble: Divine Law, Utilitarian Ethics and Positivist Jurisprudence: A Study of the Legal Philosophy of John Austin, in: American Journal of Jurisprudence 24 (1979), 139. – Ders.: Doing Austin Justice: The Reception of John Austin’s Philosophy of Law in Nineteenth-Century England, 2005. – A.B. Schwarz: John Austin und die deutsche Rechtswissenschaft seiner Zeit. – Ders: Einflüsse deutscher Zivilistik im Ausland, beides in: Rechtsgeschichte und Gegenwart, hrsg. von H. Thieme/F. Wieacker, 1960. – A.W.B. Simpson: Biographical Dictionary of the Common Law, 1984. – R.S. Summers: The New Analytical Jurists, in: New York University Law Review 41 (1966), 861. – C. Trapper: Austin on Sanctions, in: Cambridge Law Journal, 1963, 270. – (ohne Verfasserangabe): Hart, Austin, and the Concept of a Legal System: The Primacy of Sanctions, in: Yale Law Journal 84 (1975), 584. – M. Warnock (Hg.): Utilitarianism and On Liberty: including Mill’s ‚Essay on Bentham‘ and selections from the writings of Jeremy Bentham and John Austin, 2003. – M. Zwanzger: Anti-Naturrecht made in England? John Austin, der frühe engl. Rechtspositivismus und das Naturrecht, in: Naturrecht und Staat in der Neuzeit. D. Klippel z. 70. Geb., 2013, 375ff. – Jur., 48f. (K. Lerch) – Jur.Univ. III, 111–115 (G. Robles).

      N. Dearth

       [Zum Inhalt]

      |36|AzoAzo (vor 1190–1220)

      (vor 1190–1220)

      A. entstammt einer Bologneser Familie niederen Standes. Sein Vater Soldanus ist nur als Vater seines berühmten Sohnes bekannt. Angaben jüngerer Quellen, wonach A. in Montpellier bzw. Casalmaggiore bei Cremona geboren worden sein soll, haben sich als Irrtümer erwiesen. Urkundlich ist A. vom 23. Nov. 1190 bis zum 15. Juli 1220 bezeugt. Neben „A.“ finden sich in diesen Urkunden die Namensformen Azzo und Azzolinus, gelegentlich wird der Vatername hinzugefügt (Azzo Soldani). Andere zuweilen angeführte Bei- bzw. Vornamen entbehren der historischen Grundlage (Dominicus), beruhen auf Verwechslung (de Ramenghis) oder sind, wenngleich früh bezeugt, fraglich (Porcus, Porchus, Portius). A. studierte in Bologna unter Johannes Bassianus Zivilrecht und lehrte dort spätestens seit 1190. 1191 trafen er und Lotharius Cremonensis mit Kaiser Heinrich VI. bei dessen Aufenthalt in Bologna zusammen. Mit diesem Treffen verbindet sich die berühmte Anekdote vom geschenkten Pferd (in einigen Quellen fälschlich auf Barbarossa sowie Bulgarus und Martinus Gosia bezogen): Während Lothar die Frage Heinrichs, wem das imperium merum gebühre, ausschließlich zugunsten des Kaisers beantwortete und dafür ein Pferd erhielt, ging A., nach dessen Ansicht das imperium merum auch anderen höheren Obrigkeiten zukam, leer aus („licet ob hoc amiserim equum, quod non fuit aequum“, Summa codicis, ad. Cod. 3,13, n. 17). Als Rechtsgelehrter und Lehrer errang A. schon bald legendären Ruf und hatte großen Zulauf. Zu seinen Schülern zählen die Legisten

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