Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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1390 schrieb B. unter anderem auch Gutachten auf Bitten von Giangaleazzo Visconti, des Herzogs von Mailand, die sich mit lehnsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Herrschaft des Herzogs befassten. Der Herrscher, der auch Pate von B.s Kindern war, bewunderte den berühmten Juristen.

      Auch auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozeßrechts sind zahlreiche Consilien des B. überliefert. Sie zeichnen sich durch eine Tendenz zur Milderung und Humanisierung aus; so stellt B. z.B. hohe Anforderungen an den Einsatz der Folter. → Hermann KantorowiczKantorowicz, Hermann (1877–1940) hat B. als „den größten Strafrechtler des alten Italien“ bezeichnet, der für |43|die Entwicklung der „subjektiven Schuldtheorie“ von großer Bedeutung gewesen sei und darüber hinaus die „subjektiven Tatbestandsmerkmale“ entdeckt habe.

      Darüber hinaus hatte B. aber auch, was in der Kommentatorenschule eher ungewöhnlich ist, historische und philosophische Interessen. In der verschollenen Schrift „De commemoratione famosissimorum doctorum in utroque iure“ behandelt er die Geschichte der Rechtsschulen und der Rechtslehrer und gehörte damit zu den ersten, die sich mit der Rechtsgeschichte wissenschaftlich auseinandersetzten. Eine große Rolle spielt in seinem Werk die Philosophie. So lassen sich in seinen Schriften Gedanken von Autoren wie Aristoteles, Seneca, Albertus Magnus und Thomas von Aquin nachweisen; des öfteren entscheidet er Rechtsprobleme an Hand von philosophischen Erwägungen anstatt durch Anwendung des Gesetzes. Nicht zu Unrecht wird er daher der „philosophische Kopf der mittelalterlichen Juristen“ (Lange) genannt. Horn hat auf die große Bedeutung der „aequitas“ bei B. hingewiesen.

      An B. wurde immer wieder scharfe Kritik geübt. Bemängelt wurden seine zahlreichen Fehlzitate, seine unhistorische Arbeitsweise, seine spekulative Veranlagung und sein schlechtes Latein. Des Weiteren wurde ihm vorgeworfen, er neige zu Abschweifungen und sei an den entscheidenden Stellen zu knapp (Mazzuchelli). Zum Teil sind das Vorwürfe, die man später allen Kommentatoren gemacht hat, zum Teil erklären sie aber wohl auch, warum B. den Ruhm seines Lehrers → BartolusBartolus de Saxoferrato (1313/14–1357) nicht ganz erreichen konnte. Ein weiterer Grund hierfür dürfte in den Widersprüchen zu suchen sein, die zwischen seinen Consilien, in denen er praktischen Erfordernissen folgte, und seinen theoretischen Werken bestehen.

      Trotzdem genoß auch B. in der Rechtswissenschaft eine außerordentliche Wertschätzung. Seine Rechtsansichten hatten großes Gewicht in der Rechtspraxis und der Rechtswissenschaft und ab 1449 galten seine Lehrmeinungen in Spanien, gemeinsam mit denen des → BartolusBartolus de Saxoferrato (1313/14–1357), bei Schweigen des Gesetzes als verbindlich. Das größte Verdienst von B., → BartolusBartolus de Saxoferrato (1313/14–1357) und den übrigen Kommentatoren ist aber darin zu sehen, daß es durch sie zu einer Synthese von langobardischem Recht, den Statuten der oberitalienischen Städte, dem kanonischen Recht und dem justinianischen Recht kam. Durch ihre (zum Teil auch rechtsschöpferische) Arbeit mit den verschiedenen Rechtsquellen konnte das römische Recht das Recht der Praxis werden. Sie haben damit die „Schätze“ des römischen Rechts zu einem Bestandteil des Rechts ihrer Zeit gemacht, die Rechtseinheit Italiens im Privatrecht |44|vorangetrieben und das von ihnen bearbeitete Recht zu einem „ius commune“ werden lassen, das seine Wirkungen weit über Italien hinaus entfaltete (Koschaker).

      Hauptwerke: Gesamtausgaben: Lyon 1585; Venedig 1615–1616. Angaben zu Einzelausgaben finden sich in: Novissimo Digesto Italiano II, 205 und in: LexMA I, 1376.

      Literatur: Associazione Universitaria di Perugia (Hrsg.): Quinto centenario di Baldo, 1900. – J. Canning: The political thought of Baldus de Ubaldis, 1987. – E. Cortese: Le grandi linee della storia giuridica medievale, 22002, 389–393. – W. Engelmann: Die Schuldlehre der Postglossatoren und ihre Fortentwicklung, 21965. – J. Gordley: The Achievement of Baldus de Ubaldis (132?–1400), in: ZEuP 2000, 820–836. – M. Gutzwiller: Aus den Anfängen des zwischenstaatlichen Erbrechts: ein Gutachten des Petrus Baldus de Ubaldis um 1375, in: Zum schweiz. Erbrecht, FS f. P. Tuor, 1946, 145–178. – N. Horn: Philosophie in der Jurisprudenz der Kommentatoren: Baldus philosophus, in: Ius Commune 1 (1967), 104–149. – Ders.: Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968. – H. Kantorowicz: Baldus de Ubaldis and the Subjective Theory of Guilt, in: ders.: Rechtshistorische Schriften, 1970, 299–309. – P. Koschaker: Europa und das Römische Recht, 1947, 87–105. – H. Lange: Die Consilien des Baldus de Ubaldis (†1400), 1974. – Lange/Kriechbaum, 749–795. – A. Laufs: Rechtsentwicklungen in Deutschland, 62006, 64f. – S. Langer: Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000, 84–86 u. 94–98. – D. Maffei: Giuristi medievali e falsificazioni editoriali del primo Cinquecento, 1979, 19–34 u. 71–74. – G. Mazzuchelli: Baldo, in: ders.: Gli scrittori d’Italia II.1, 1758, 146–155. – K. Pennington: Allegationes, Solutiones, and Dubitationes: Baldus de Ubaldis’ Revisions of his Consilia, in: M. Bellomo (Hrsg.): Die Kunst der Disputation (= Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 38), 1997, 29–72. – V. Piano Mortari: I commentatori e la scienza giuridica medievale, 1964/65, 262–264. – H. Schlosser: Neuere Europäische Rechtsgeschichte: Privat- und Strafrecht vom Mittelalter bis zur Moderne, 22014, 75f. – W. Ullmann: Baldus’s conception of law, in: The Law Quarterly Review 58 (1942), 386–399. – H.G. Walther: Baldus als Gutachter für die päpstliche Kurie im Großen Schisma, in: ZRG KA 92 (2006), 393–409. – Wesenberg: PRG, 28–39. – Wieacker: PRG, 80–96. – Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (hrsg. v. J.G. Ersch und J.G. Gruber) I.7 (1821), 231 (Spangenberg). – DBGI I (2013), 149–152 (E. Cortese). – Enciclopedia Italiana V (1930), 944f. (G. Ermini). – HRG2 I (2008), 410–412 (P. Weimar). – Jur., 58f. (P. Weimar). – Jur.Univ. I, 530–534 (M.J. García Garrido). – LexMA I (1980), 1375f. (P. Weimar). – Novissimo Digesto Italiano II (1957), 204f. (M.A. Benedetto). – Savigny: GRRM VI, 208–248 u. 512f.

      A. Krauß

       [Zum Inhalt]

      |45|Bartolus de SaxoferratoBartolus de Saxoferrato (1313/14–1357)

      (1313/14–1357)

      Geb. 1313 oder 1314 in Ventura bei Sassoferrato; seine erste Ausbildung erhält er bei dem Franziskaner Petrus de Assisi; ab 1327 Studium des Zivilrechts in Perugia bei Cinus de Pistoia; 1333 Wechsel nach Bologna, wo Jacobus Buttrigarius, Rainerius de Forli und Oldradus de Ponte seine Lehrer sind; in Bologna folgt 1334 die Promotion zum „doctor iuris civilis“; in der Zeit zwischen seiner Promotion und dem Beginn seiner Zivilrechtslehrertätigkeit in Pisa 1339 widmet er sich vermutlich schwerpunktmäßig der praktischen Jurisprudenz; nachweisen läßt sich seine Arbeit als Assessor in Todi, Cagli und Pisa; 1343 (oder bereits im Herbst 1342) beginnt seine Lehrtätigkeit in Perugia; hier gehören zu seinen Schülern → BaldusBaldus de Ubaldis (1319/27–1400), Angelus und Petrus de Ubaldis; 1348 wird B. gemeinsam mit seinem Bruder Bonaccursius das Ehrenbürgerrecht der Stadt Perugia verliehen; Kaiser Karl IV. macht ihn 1355 in Pisa, wo er als Gesandter Perugias auftritt, zum „consiliarius et familiaris domesticus commensalis“, verleiht ihm ein Familienwappen und gesteht ihm und seinen Nachfahren das Privileg zu, Schüler zu legitimieren und für volljährig zu erklären. B. stirbt im Juli 1357 in Perugia.

      B. ist der berühmteste und wohl auch bedeutendste Vertreter der Schule der Kommentatoren (früher eher abwertend als „Postglossatoren“ bezeichnet), die vom späten 13. bis zum Ende des 15. Jh.s auf die Glossatorenschule folgte. Den Namen erhielt diese Schule von der in ihr

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