Neue Theorien des Rechts. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Neue Theorien des Rechts - Группа авторов страница 25
Das Thema des semantischen HolismusHolismus ist durch den Umstand begrenzt, dass es eine bestimmbare Ganzheit von Sätzen oder gar Sprache als etwas Ganzes nicht gibt[358]Holismus. Aber wenn schon nicht alles mit allem zusammenhängt, ist es gleichwohl wahr, dass vieles mit vielem zusammenhängt. Deswegen führt der |92|bedeutungstheoretische Holismus schließlich notwendig über sich hinaus, um zu zeigen, »wie die InterpretationInterpretation der gesprochenen Sprache Hand in Hand gehen muss mit der Interpretation des Handelns im allgemeinen, und daher auch mit der Zuschreibung von Wünschen und Überzeugungen«[359]. »Jede Interpretation und Zuschreibung einer Einstellung«, schreibt DavidsonDavidson, Donald, »ist ein Schritt im Rahmen einer holistischen Theorie, einer Theorie, die notwendig durch das Interesse an Widerspruchsfreiheit und allgemeiner Kohärenz mit der Wahrheit bestimmt ist«[360].
III. Autonomie der Bedeutung
Die Bedingungen, unter denen ein Satz wahr ist, bestimmen die Form seiner InterpretationInterpretation. Die Interpretation, heißt das, wird durch ein Schema ausgedrückt, das von anderer Form ist, als das oben betrachtete Schema »s bedeutet, dass p« – es hat die Form »s ist wahr, wenn p« oder – in der Fassung des von DavidsonDavidson, Donald im Rekurs auf wahrheitstheoretische Überlegungen des polnischen Logikers Alfred Tarski favorisierten Bikonditionals: »s ist wahr genau dann, wenn p«[361]. Der Rückgriff auf das Tarski-Modell des sogenannten semantischen Wahrheitsbegriffs[362] wirft logisch-technische Fragen auf, die hier nur angedeutet werden können[363]. Die Hauptschwierigkeit ist folgende: Wahrheitsbedingungen interpretieren Sätze. Die (potentielle) Anzahl der zu interpretierenden Sätze ist aber unendlich. Also führt kein Weg daran vorbei, unter dem Gesichtspunkt der Zusammensetzung der Sätze eine endliche Anzahl von Regeln zur Verknüpfung dieser Merkmale zu identifizieren plus eine Anzahl von Regeln zur Verknüpfung dieser Merkmale, deren wiederholte Anwendung gestattet, eben jener potentiellen Unausschöpflichkeit dessen entgegen zu kommen, was sinnvoll gesagt werden kann. Dabei ist das geringste Problem die Analyse komplexer Sätze unter dem Gesichtspunkt ihrer sogenannten »wahrheitsfunktionalen« Zusammensetzung: »Sokrates und Aristoteles sind weise« ist wahr genau dann, wenn Sokrates weise ist und Aristoteles weise ist. Schwierig wird es, wenn wir bei den elementaren Sätzen und ihren Bestandteilen angelangt sind, denn Ausdrücke der Art »Sokrates« und »ist weise« haben keine Wahrheitsbedingungen. DavidsonsDavidson, Donald Vorschlag ist, dass man sich mit ihrer Nicht-Interpretierbarkeit abfindet und semantische Axiome formuliert[364]. Dabei bringen semantische Axiome für singuläre Termini dieselben mit |93|Gegenständen in Verbindung und die semantischen Axiome für Prädikate dieselben mit Klassen von Gegenständen. Die Axiome sind Setzungen, die sich nur im Hinblick auf die Möglichkeit rechtfertigen lassen, für jeden Satz der Objektsprache eine Interpretation abzuleiten, d.h. die Wahrheitsbedingungen für den betreffenden Satz zu spezifizieren. Das klingt sehr technisch, aber der Grundgedanke ist einfach: Unsere Bedeutungstheorie sei ein Tisch. Die Ebene der Wahrheitsbedingungen ist die Tischplatte, auf der wir arbeiten. Vielleicht interessiert es uns nicht, ob der Tisch auf drei, vier oder fünf Beinen steht, solange er nicht wackelt oder gar in sich zusammenfällt. Die Theorie der semantischen Axiome lässt sich mit dem Interesse vergleichen, unter den Tisch zu schauen.
Dass Sätze dadurch etwas besagen, dass man sie über Bedingungen interpretieren kann, unter denen sie wahr sind, schließt auch die Einsicht ein, dass nicht alles »kontextuell« und »implizit« ist. Die Form des Satzes garantiert die Universalität seiner Bedeutung, weil die Bedingungen, unter denen er wahr ist, unter allen Bedingungen dieselben Bedingungen sind. DavidsonDavidson, Donald bringt diesen Gedanken auf den Begriff der »Autonomie der Bedeutung«. Autonomie der Bedeutung heißt, »dass es kein zufälliges Merkmal der Sprache ist, dass der weiterrechende Zweck einer Äußerung und ihre buchstäbliche Bedeutung unabhängig sind in dem Sinne, dass die letztere nicht aus der ersteren abgeleitet werden kann«[365].
IV. Semantische Autonomie des Rechts
Das wahrheitskonditionale Interpretationsschema taugt zur Erfassung von Normen, weil es nicht mit dem weitergehenden Anspruch verbunden ist, für das Verstehen eines Satzes sei das Wissen um die Methode der Ausweisung seiner Wahrheit konstitutiv. Es ist völlig unstreitig, dass Normen nicht verifizierbar sind. Das gilt aber auch für viele nicht-normative Sätze, etwa im Bereich naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung. Die in der Rechtstheorie übliche Unterscheidung zwischen Normen und Normsätzen (Sätzen, die sich beschreibend auf die Norm beziehen[366]) hat ihre Schwäche in dem Umstand, dass wir es keinem einzigen sprachlichen Ausdruck ansehen können, ob er als Norm oder als Normsatz fungiert. Ein sprachlicher Ausdruck beliebiger Form kann – je nach den Umständen seiner Verwendung – als Norm oder als Beschreibung der Norm fungieren. Da aber die Umstände der Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks nicht derart zum Bestandteil dieses Ausdrucks gemacht werden können, dass seine Ambiguität im Hinblick auf die Frage »Norm oder Normsatz?« beseitigt wäre, kann die Unterscheidung zwischen Norm und Normbeschreibung nicht als Einwand gegen die wahrheitskonditionale InterpretationInterpretation anerkannt werden[367]. Die Polizeibeamtin kann sagen, »§ 15a IV StVO besagt, dass Krafträder nicht abgeschleppt |94|werden dürfen«, und dann ist diese Äußerung, jedenfalls normalerweise, nicht als Beschreibung dessen gemeint, was in der Straßenverkehrsordnung steht. Umgekehrt kann die Äußerung von »Krafträder dürfen nicht abgeschleppt werden« unter den passenden Umständen sehr wohl als eine solche Beschreibung zu verstehen sein. Dass jedenfalls § 15a IV StVO wahr genau dann ist, wenn Krafträder nicht abgeschleppt werden dürfen, scheint kaum bestreitbar zu sein und bestätigt die Tauglichkeit des Rechts als Gegenstand einer Theorie der Interpretation, wie sie DavidsonDavidson, Donald vorgeschlagen hat. Nebenbei enthält die Theorie auch eine Lösung des sogenannten Jörgensen-Dilemmas, d.i. das Problem, wie Rechtsnormen im Rahmen einer Logik der Wahrheitserhaltung (sprich: im juristischem Syllogismus) funktionieren können[368]. Die Lösung ist einfach: Die Logik der Wahrheitserhaltung taugt auch als Normenlogik, weil Normen etwas in Bezug auf Wahrheit besagen[369]. Der einfache und doch rätselhafte Gedanke, dass »der Richter […] nicht sein Recht, sondern das ihm in der Rechtsordnung vorgegebene Recht an[wendet]«[370], lässt sich wohl nur über diesen Zusammenhang von Norm, Interpretation und Wahrheit verständlich machen. Er widersteht dem Versuch einer »Fundamentaldynamisierung«[371]. Recht ist nicht nur Vollzug und Entscheidung, es ist auch Notation. Daher »ist die vorbehaltslose Ineinssetzung von Recht und Justizpraxis ebenso wenig richtig, wie es die Identifizierung eines Violinkonzertes mit seiner Aufführung durch den Solisten X und das Orchester Y wäre«[372].
Die implizite Moral von DavidsonDavidson, Donalds philosophischer Methode ist ein maximal inklusives Verständnis von Kommunikation. Vorausgesetzt wird (fast) nichts. Die Interpreten-Perspektive unterläuft sogar die Voraussetzung eines menschlichen Akteurs und arbeitet mit einer kompromisslos universalistischen Anerkennungsform[373]. Damit diese Anerkennungsform als theoretisches Modell für die spezifische Verbindlichkeit rechtlicher Bindungen verwendet werden kann, bedarf es freilich weiterer begrifflicher Vorkehrungen in deren Licht Kommunikation normativ gehaltvoll wird, sich der Reziprozität von Recht und Pflicht öffnet. Damit muss die semantische Theorie nun doch pragmatisch werden. Wichtige Ansatzpunkte hierzu finden sich in der SprachphilosophieSprachphilosophie Robert BrandomBrandom, Roberts.
|95|B. Inferenz – Robert Brandom[374]
Robert BrandomBrandom, Roberts Hauptwerk »Making it Explicit«[375] trägt in der deutschen Übersetzung den Titel »Expressive Vernunft«. Während der amerikanische Titel den Vorgang betont, hebt die Übersetzung das Ziel hervor. BrandomBrandom, Robert entwirft eine Theorie des Zusammenhangs von Normativität und Sprache, in der Vernunft praktisch vollzogen sein soll. Sein Unternehmen stellt er ausdrücklich in die Tradition des amerikanischen Pragmatismus[376], den er