Neue Theorien des Rechts. Группа авторов

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auf Gewalt basierende Gesellschaft gegründet werden kann. Er schreibt:

      Auf der Durchbrechung dieses Umlaufs im Banne der mythischen Rechtsformen, auf der Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts samt den Gewalten, auf die es angewiesen ist wie sie auf jenes, zuletzt also der Staatsgewalt, begründet sich eines neues geschichtliches Zeitalter[304].

      Diese »Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts« erfolgt durch die Intervention einer nicht zweckgebundenen, von BenjaminBenjamin, Walter »göttlich« genannten Gewalt, die er aber kaum näher bestimmt. Es ist dann auch diese Stelle des Textes, die in der BenjaminBenjamin, Walter-Rezeption zu regen Debatten darüber führt, wie wir uns die von BenjaminBenjamin, Walter verlangte Entsetzung des Rechts vorstellen können. Kontrovers wird dabei insbesondere die Frage diskutiert, ob BenjaminBenjamin, Walter für eine gewaltfreie Gesellschaft eine Abschaffung des Rechts verlangt, oder lediglich eine andere Art des Rechts.

      So hat zum Beispiel Jacques DerridaDerrida, Jacques im Postscriptum zu dem eingangs schon erwähnten Aufsatz Gesetzeskraft Benjamins Figur der »Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts« durch die Intervention einer »göttlichen Gewalt« als Abschaffung eines staatlichen Rechts gelesen und schreibt vor diesem Hintergrund:

      Die Vorstellung, daß man den Holocaust als Entsühnung und unentzifferbare Signatur eines gerechten und gewaltsamen göttlichen Zorns deuten könnte, versetzt uns in Angst und Schrecken[305].

      Weil für DerridaDerrida, Jacques der von BenjaminBenjamin, Walter skizzierte Ausweg aus dem Zyklus mythischer Gewalt nicht zu unterscheiden ist von gewaltvollen geschichtlichen Ereignissen |77|wie dem Holocaust, ist die Kritik der Gewalt für ihn nicht tragbar[306]. Anders wiederum die Lektüre der entsprechenden Stelle bei Christoph MenkeMenke, Christoph[307]. Er liest das Programm der »Entsetzung« des Rechts durch die göttliche Gewalt nicht als seine Suspendierung, sondern als Forderung nach einer Befreiung des Rechts von der Gewalt, nach einem Recht, das nicht länger gewaltvoll ist. Menkes Programm eines neuen Rechts, zu dem wir im nächsten Abschnitt kommen, ist auch der Versuch, Benjamins Formulierung der Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts einen Ausdruck innerhalb des Rechts zu verleihen[308].

      Eine dritte Interpretationslinie von Benjamins Kritik der Gewalt nimmt Benjamins Analyse der notwendigen Verquickung von Recht und GewaltRecht und Gewalt ernst, ohne dabei die geforderte Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts durch das Einbrechen einer göttlichen Gewalt mit der Suspendierung des Rechtstaates im Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen. Autor*innen wie Cornelia Vismann[309], Bettine Menke[310], Werner Hamacher[311] oder Sami Khatib[312] lesen Benjamins Zur Kritik der Gewalt unter Berücksichtigung anderer Texte Benjamins (insbesondere Kapitalismus als Religion[313], Über den Begriff der Geschichte[314], Theologisch-politisches Fragment[315]), die das Problem einer kontinuierlichen Wiederholung von Gewalt in der Menschen-gemachten Geschichte (sowie Möglichkeiten diese zu unterbrechen) berühren. In dieser Lesart initiiert die göttliche Gewalt oder die Entsetzung des Rechts keine neue gesellschaftliche Ordnung, die chronologisch auf die gegenwärtigen Ordnung folgt. Vielmehr ist sie als eine kurzzeitige Unterbrechung der geschichtlichen Zeit, als ein vorübergehender Aufschub der Gewalt zu denken, in welcher »das morsche im Rechte« sichtbar wird. Werner Hamacher führt zur Beschreibung der Wirkungsweise der reinen, göttlichen Gewalt den Begriff des Afformativen ein[316]. Während ein performativer Akt etwas Neues einsetzt (und dabei |78|den Akt der Setzung leugnet), unterbricht das Afformative, ohne dabei etwas neu zu setzen. Nur in dieser Unterbrechung, die einen Blick auf die Gewalt des Rechts ermöglicht, könne mit BenjaminBenjamin, Walter die Hoffnung auf Gerechtigkeit bestehen:

      Rein kann eine Politik und die ihr korrespondierende Gewalt nur heißen, wenn sie unvermischt mit Interessen der Erhaltung oder der Programmierung von Lebensformen, unvermischt mit positiven Rechtsinstituten, die Form der Gerechtigkeit manifestiert[317].

      Eine politische oder rechtliche Strategie, die Benjamins Kritik der Gewalt zum Ausgang nimmt, kann vor dem Hintergrund dieser Lektüre nicht darauf abzielen die Gewalt des Rechts durch die Einsetzung einer neuen Ordnung oder die Hervorbringen gerechterer Urteile zu überwinden. Vielmehr müsste sie versuchen, die unterschiedlichen Formen, in denen das Recht auf Gewalt angewiesen ist, ans Licht zu bringen. Wenn, wie oben beschrieben, ein Aspekt der rechtlichen Gewalt für BenjaminBenjamin, Walter darin besteht, dass eine neue Ordnung als Recht eingesetzt wird, ohne dass ihre Berechtigung in letzter Instanz begründet werden kann, bestände eine Entsetzung dieser Ordnung im Aufzeigen ihrer Kontingenz mit dem Ziel dadurch neue Räume für politische Debatten zu eröffnen.

      Die Probleme einer Strategie, die es sich alleine zur Aufgabe macht, die Kontingenz der bestehenden Ordnung sichtbar zu halten, und damit auf ihre Veränderung hinzuwirken, benennt u.a. Bettine Menke. Wenn, mit BenjaminBenjamin, Walter gedacht, jegliche Form der Rechtsanwendung gewaltvoll ist, sei es nicht länger möglich, notwendige Unterscheidung zwischen gerechteren und weniger gerechten politischen Ordnungen zu treffen[318]. Das emanzipatorische Moment der Rechtstheorie Benjamins bleibt auf die Re-Politisierung des Rechts beschränkt, durch die die Willkür der Grenzziehung zwischen sanktionierter und nicht sanktionierter Gewalt im liberalen Recht vorgeführt wird. Sie kann damit Raum für eine neue Ordnung öffnen, aber nicht zu ihrer Begründung herangezogen werden. Die Ansätze zur Entwicklung eines neuen Rechts bei Christoph MenkeMenke, Christoph und Daniel LoickLoick, Daniel gehen hier einen Schritt weiter, indem sie die versuchen, die Anforderungen an ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht darzulegen.

      II. MenkeMenke, Christoph: Das Recht der GegenrechteGegenrechte

      Menkes Programm eines post-juridischen Rechts wird von ihm auf den Begriff eines neuen Rechts der GegenrechteGegenrechte zugespitzt. Ein richtiges Recht, so MenkeMenke, Christoph, dürfe den Blick auf den Prozess der Selbstreflexion nicht verstellen, sondern müsse ihn entfalten und dadurch das Nicht-Recht der Veränderbarkeit freigeben[319]. Ähnlich wie bei BenjaminBenjamin, Walter hängt die Gerechtigkeit der Rechtsordnung auch bei |79|MenkeMenke, Christoph am Moment ihrer Politisierung. Allerdings fasst er dieses Moment nicht lediglich als eine Unterbrechung auf, die auf die Kontingenz der gegenwärtigen Ordnung verweist[320]. Vielmehr müsse es darum gehen, eine neue Form der Rechte und damit eine gänzlich anders verfasste Ordnung anzustreben: »Die Politik der Erfindung neuer Rechte wäre der Beginn einer Politik der Formveränderung: eine (rechtsform-) transformative Politik«[321].

      Eine solche transformative Politik soll durch das Institut der GegenrechteGegenrechte gewährleistet werden. MenkeMenke, Christoph entwickelt die Figur der Gegenrechte in einer Auseinandersetzung mit dem Motiv des Sklavenaufstandes bei Friedrich Nietzsche[322]. Es zeichne die Position des Herren aus, Recht setzten zu können, also zu entscheiden, was gut ist. Dem Sklaven fehle diese Urteilsfähigkeit. Er stehe für Passivität und Leiden. Der Aufstand der Sklaven ist nun das Bestreben der Unterdrückten, ihrem eigenen Recht Geltung zu verleihen. Dies könne, so MenkeMenke, Christoph, aber nicht dadurch geschehen, dass die Sklaven sich an die Stelle der Herren setzten, denn dann würden sie das Unterdrückungsverhältnis von Herren und Knecht aufrecht erhalten – ohne Sklave kein Herr. Eine Überwindung des Herrschaftsverhältnisses sei nur möglich, wenn die Position des Herren und des Sklaven zusammengebracht würden.

      Dies sei das Ziel der GegenrechteGegenrechte. Wenn die subjektiven Rechtesubjektive Rechte der Rationalität des Herren entsprechen, und diese Rationalität nur durch die Gegenüberstellung mit dem passivistischen Sklaven aufrechterhalten werden kann, so müsse dieses dialektische Verhältnis im Recht zum Ausdruck kommen. Soll heißen: Jedes Subjekt ist zugleich Sklave und Herr. Das, was in den subjektiven Rechten als Grund vorausgesetzt wird, nämlich der rationale Eigenwille, wird in den Gegenrechten zu einem affektiven Moment, der den Urteilsprozess in Gang setzt, das Urteil aber nicht rational begründen kann[323]. Das affektive Moment ist also der nicht-rechtliche Impuls, der den Urteilsprozess anstößt und der – wenn der Positivismus des bürgerlichen Rechts nicht wiederholt werden solle – nicht naturalisiert werden darf. Noch einmal mit den Worten Menkes:

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