Neue Theorien des Rechts. Группа авторов
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III. Juridismuskritik bei Daniel LoickLoick, Daniel
Eine weitere ausführliche Auseinandersetzung mit existierenden Kritiken des Rechts hat der Philosoph Daniel LoickLoick, Daniel unter dem Titel JuridismusJuridismus. Konturen einer kritischen Theorie des Rechts vorgelegt. Auf den ersten Blick teilen MenkeMenke, Christoph und Loick viele theoretische Bezugspunkte und ihre Interventionen verfolgen eine ähnliche Stoßrichtung, jedoch setzen ihre Argumentation an unterschiedlichen Ebenen an. Das heißt, sie begründen die Richtigkeit oder den Wahrheitsanspruch ihrer Argumente unterschiedlich. Wie oben beschrieben argumentiert MenkeMenke, Christoph, subjektive Rechtesubjektive Rechte seien ontologisch falsch. Wie auch schon bei BenjaminBenjamin, Walter bedeutet für MenkeMenke, Christoph Kritik also nicht die Bewertung des Rechts anhand eines äußeren Maßstabes. Sie will vielmehr einen bestimmten, vom Recht selbst verleugneten Sachverhalt aufzeigen.
LoickLoick, Daniel wählt eine andere Strategie für seine RechtskritikRechtskritik. Er versteht seinen Ansatz als sozialphilosophische Kritik, das heißt das Soziale ist nicht nur Gegenstand der Betrachtung, sondern auch normativer Maßstab[291]. Für LoickLoick, Daniel unterscheidet sich sozialphilosophische Kritik von anderen Kritikstrategien darin, dass sie weder ausschließlich rechtlich noch moralisch vorgeht, sondern vielmehr |74|das Recht im Hinblick auf das soziale Gefüge betrachtet[292]. Er untersucht, inwiefern Recht ein strukturelles Hindernis auf dem Weg zu einer »gelungenen Sozialität« ist[293]. LoickLoick, Daniel beansprucht dabei, den Maßstab für die gelungene Sozialität nicht selbst zu setzen und damit von außen an das Recht heranzutragen, sondern aus den eigenen normativen Prinzipien des Rechts heraus zu entwickeln. Seine These: Das europäische Recht verstellt die Möglichkeit einer sinnvollen Ausübung der rechtlich garantierten Freiheiten[294].
Die rechtliche Kolonialisierung menschlicher Interaktionen führe, erstens, zu »ideologischer Verklärung der wahren Bedingungen des Gelingens menschlichen Zusammenlebens«[295]. Denn – so auch schon Hegel und Marx – der dem bürgerlichen Recht zu Grunde liegende negative Freiheitsbegriff verleugne die Tatsache, dass der Mensch ein soziales Wesen sei, und nur als solches existieren könne[296].
Der zweite Kritikpunkt den LoickLoick, Daniel herausarbeitet betrifft den psychologischen Effekt rechtlicher Subjektivierungsprozesse. Die Tatsache, dass wir uns überhaupt als Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Interessen und Ansprüchen wahrnehmen – also als Rechtssubjekt – ermächtige zwar den einzelnen Menschen dazu selbstbestimmt zu handeln; gleichzeitig seien Individuen aber nie ganz von gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und Normen befreit, innerhalb derer Entscheidungen getroffen werden. Um mit diesem Zwiespalt umzugehen, entwickelten Menschen eine Reihe psychologischer Strategien[297].
Das soziale Gefüge, so der dritte von LoickLoick, Daniel herausgearbeitet Aspekt, verliere durch die Institution des bürgerlichen Rechts auch an kommunikativer Qualität[298]. Indem Menschen auf ihre Rechtssubjektivität reduziert würden, verkäme jede Kommunikation zum Aushandeln individueller Ansprüche. Anstelle von Empathie würden die eigenen Bedürfnisse universalisiert.
Schließlich macht LoickLoick, Daniel das Feld der Politik als einen Bereich aus, der durch die Rechtsform negativ beeinflusst wird. Der Atomismus der Bürger, so wie er dem liberalen Menschenbild zugrunde liegt, mache Zwang als zusammenhaltendes Element in einem Staat notwendig. Dies berge grundsätzlich die Gefahr eines Despotismus.
Trotz der ausführlich formulierten RechtskritikRechtskritik weist LoickLoick, Daniel darauf hin, dass das Recht nicht für das Scheitern menschlicher Interaktion, sondern auch für ihr Gelingen wichtig sei. Eine Rechtskritik müsse ernst nehmen, dass insbesondere geschwächte Gruppen und Individuen sich immer wieder auf das Recht berufen, um ihre Position zu stärken. Eine Kritik des Rechts könne daher nicht auf die |75|Abschaffung oder Überwindung des Rechts abzielen, sondern müsse seine »radikale TransformationTransformation« anstreben[299].
C. Wege aus dem Recht der bürgerlichen Gesellschaft
Die hier vorgestellten Kritiken des Rechts stellen die Legitimation moderner, liberaler Staaten infrage, wonach der liberale Rechtsstaat eine, oder sogar die einzige, Staatsform sei, die in der Lage ist, die Freiheit und Gleichheit der Menschen innerhalb einer Gesellschaft zu schützen. In allen drei Fällen ist die gegen das bürgerliche Recht in Anschlag gebrachte Kritik der Ausgangspunkt für die Suche nach einem Ausweg aus den beschriebenen rechtlichen (und den entsprechenden gesellschaftlichen) Verhältnissen. Unabhängig von den jeweiligen Schwerpunkten der Autoren stellt sich damit die Frage nach dem Verhältnis von Recht und gesellschaftlichem bzw. politischem Wandel.
Obwohl keiner der Autoren einen dezidiert sozialwissenschaftlichen Ansatz verfolgt, stellen alle Analysen den Zusammenhang zwischen der Herausbildung des bürgerlichen Rechts und den parallelen gesellschaftlichen Entwicklungen, nämlich der Entstehung kapitalistischer Produktionsverhältnisse her[300]Rechtskritik. In Benjamins Schriften finden sich zum Beispiel immer wieder Hinweise, dass seine Kritik nicht nur die rechtssetzende und rechtserhaltende Gewalt betrifft (die in allen Gesellschaftsformen wirken), sondern auch die spezifische Gewalt des bürgerlichen Rechts, die darin besteht, die strukturelle Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft gleichzeitig zu ermöglichen und zu verdecken[301]Benjamin, Walter. Menkes Kritik der »Ermächtigung des Eigenen« durch die Form der subjektiven Rechtesubjektive Rechte basiert zu einem Großteil auf der Analyse der Rolle subjektiver Rechte zur Sicherung von Eigentum[302]. LoickLoick, Daniel wiederum bezieht sich ausführlich auf Marx, um die Trennungseffekte des bürgerlichen Rechts zu erfassen[303].
Die Suche nach Wegen aus dem bürgerlichen Recht wirft damit auch die Frage auf, ob ein neues Recht zwingend neue gesellschaftliche Verhältnisse mit sich bringen muss. Die geschichtsphilosophische sowie gesellschaftswissenschaftliche Debatte, vor deren Hintergrund alle drei Autoren schreiben (ohne explizit auf diese einzugehen), betrifft also die Frage nach den Möglichkeiten und Bedingungen gesellschaftlichen Wandels. Es gilt nicht nur zu überlegen, wie ein weniger |76|gewaltvolles (BenjaminBenjamin, Walter), ein nicht-ontologisch-verstelltes selbstreflexives Recht (MenkeMenke, Christoph) oder ein nicht-juridisches Recht (LoickLoick, Daniel) grundsätzlich aussehen könnte, sondern auch, wie wir zu diesem Recht gelangen und welche Rolle das Recht selber in diesem Prozess spielen kann. Dabei sind diese rechts- und sozialtheoretischen Fragen von unmittelbarer Bedeutung für die Rechtspraxis: Von ihrer Beantwortung hängt ab, ob und welche Rolle dem Recht (zum Beispiel in der Form strategisch geführter Prozesse) bei der Hervorbringung einer anderen Gesellschaft, und eines anderen Rechts, eingeräumt wird.
I. BenjaminBenjamin, Walter: die Entsetzung des RechtsEntsetzung des Rechts
Wie oben bereits angedeutet, ist Benjamins Denken von einer auf den ersten Blick eigenwilligen Mischung theoretischer Bezüge geprägt, die den Zugang zu seinen Texten erschweren. In dem Text zur Kritik der Gewalt tritt dies deutlich an der Stelle zu Tage, in der BenjaminBenjamin, Walter andeutet, wie der sich wiederholende Kreislauf von rechtssetzender und rechtserhaltender Gewalt unterbrochen werden kann. Denn für BenjaminBenjamin,