BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
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a) Zweck und Besonderheiten
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Neben den ordentlichen Testamentsformen hat das BGB in den §§ 2249–2251 für Sonderfälle drei außerordentliche Testamentsformen vorgesehen: Das Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249, → Rn. 178 f.), das Dreizeugentestament (§ 2250, → Rn. 180 f.) und das Seetestament (§ 2251, → Rn. 182). Ihre Aufnahme erklärt sich historisch daraus, dass in den ursprünglichen Entwürfen für das BGB als ordentliches Testament nur das öffentliche Testament vorgesehen war[115] und man deshalb ein Bedürfnis dafür sah, einen Ersatz für Fälle zu schaffen, in denen die Mitwirkung eines Notars nicht zu erlangen war[116]. Nachdem dann schließlich doch das eigenhändige Testament zugelassen wurde, war die praktische Bedeutung der Nottestamente von Anfang an gering. Ob für sie heute überhaupt noch ein rechtspolitisches Bedürfnis besteht, wird verbreitet bezweifelt; denn mit den heutigen modernen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln sind Notare nahezu immer schnell und einfach erreichbar.[117]
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Mit Blick auf den Ausnahmecharakter der außerordentlichen Testamentsformen hat der Gesetzgeber ihre Gültigkeitsdauer beschränkt: Gem. § 2252 Abs. 1 gelten sie als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. Beginn und Lauf der Frist sind jedoch gehemmt, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor dem Notar zu errichten (§ 2252 Abs. 2). Wenn der Erblasser die Sondersituation überlebt, wird ihm so eine angemessene Frist eingeräumt, um ein wirksames ordentliches Testament zu errichten.[118]
b) Die außerordentlichen Testamentsformen im Einzelnen
aa) Das Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249)
178
Ein Nottestament vor dem Bürgermeister kann erstens errichtet werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Erblasser verstirbt, bevor die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist (Gefahr vorzeitigen Ablebens, § 2249 Abs. 1 S. 1). Maßgebend ist, dass diese Besorgnis subjektiv beim Bürgermeister vorliegt.[119] Fehlt es hieran, ist das Testament aber gleichwohl wirksam, wenn sich später herausstellt, dass die Gefahr tatsächlich objektiv bestand (vgl. § 2249 Abs. 2 S. 2).[120] Der Besorgnis des vorzeitigen Ablebens gleichgestellt ist die Besorgnis einer bis zum Tod des Erblasser fortdauernden Testierunfähigkeit.[121] Zweitens kann ein Nottestament vor dem Bürgermeister auch errichtet werden, wenn sich der Erblasser an einem Orte aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist (sog. Absperrungstestament, § 2250 Abs. 1). Der Grund der Absperrung ist irrelevant; in Betracht kommen neben Naturereignissen (z.B. Erdrutsch, Lawine, Hochwasser) etwa auch Quarantänen, Kriege, Streiks, Fahrverbote etc.[122]
179
Der Bürgermeister muss zur Beurkundung zwei Zeugen zuziehen (§ 2249 Abs. 1 S. 2). Die Einzelheiten der Errichtung ergeben sich aus § 2249 i.V.m. dem BeurkG; insb. muss auch noch zu Lebzeiten des Erblassers[123] eine Niederschrift angefertigt werden (§ 2249 Abs. 1 S. 1, 4 i.V.m. § 8 BeurkG). Die Auswirkungen von etwaigen Formverstößen werden durch § 2249 Abs. 6 abgemildert: Wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament eine zuverlässige Wiedergabe der Erklärung des Erblassers enthält, ist die Beurkundung trotz Formverstoß wirksam.
bb) Das Dreizeugentestament (§ 2250)
180
Ein Dreizeugentestament kann errichtet werden, wenn der Erblasser sich entweder (1) an einem abgesperrten Ort aufhält (sog. Absperrungstestament, § 2250 Abs. 1, → Rn. 178) oder (2) in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor dem Bürgermeister nicht mehr möglich ist (sog. Notlagentestament, § 2250 Abs. 2). Diese Notsituation muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach der Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen.[124] Dass der Erblasser wegen einer fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat, genügt hingegen für sich allein noch nicht, solange keine der genannten Notsituationen vorliegt.[125]
181
Das Dreizeugentestament wird durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet; hierüber muss eine Niederschrift aufgenommen werden (§ 2250 Abs. 3 S. 1). Der Erblasser und die Zeugen müssen der Sprache der Niederschrift hinreichend kundig sein (§ 2250 Abs. 3 S. 4); andernfalls ist das Testament nichtig.[126] Im Übrigen sind die Rechtsfolgen von Formverstößen auch hier gem. § 2250 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 i.V.m. § 2249 Abs. 6 abgemildert. So ist insb. auch eine „Oberschrift“ der Zeugen i.d.R. als unbeachtlicher Formfehler anzusehen.[127] Die Mitwirkung einer gem. §§ 6, 7, 27 BeurkG ausgeschlossenen Person stellt hingegen grundsätzlich keinen gem. §§ 2250 Abs. 3, 2249 Abs. 6 unbeachtlichen Formmangel dar, sondern führt zur Unwirksamkeit.[128] Etwas anderes gilt nur dann, wenn mindestens drei weitere Zeugen beteiligt waren, deren Mitwirkung keinen Bedenken unterlag.[129]
cc) Das Seetestament (§ 2251)
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Anders als beim Bürgermeister- und Dreizeugentestament ist für das Seetestament keine besondere Notsituation erforderlich, sondern es kann von jedem errichtet werden, der sich während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens befindet (§ 2251). Die Errichtung erfolgt durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen gem. § 2251 i.V.m. § 2250 Abs. 3 (→ Rn. 181).
183-
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Lösung der Ausgangsfälle
Fall 8 (→ Rn. 137):
Da sich Renate Rosenberger auf einer Seereise befand, könnte man zunächst an ein Seetestament (§ 2251) denken. Allerdings scheidet ein solches schon deshalb aus, weil es vor drei Zeugen errichtet werden muss und Renate Rosenberger sich allein in ihrer Kabine befand, als sie das Dokument abfasste. Es könnte aber ein wirksames eigenhändiges Testament gem. § 2247 vorliegen. Renate Rosenberger hat eigenhändig auf die Rückseite des Flyers geschrieben. Dass es sich um die Rückseite eines Flyers handelte und der Text mit einem rosafarbenen Glitterstift geschrieben wurde, ist unschädlich, denn das Schreibmaterial ist irrelevant (→ Rn. 162). Fraglich ist jedoch, ob eine formwirksame Unterschrift vorliegt. Die Unterzeichnung auf dem verschlossenen Briefumschlag genügt hier jedoch, denn der Unterschrift kommt keine eigenständige Bedeutung zu und sie steht – insb. auch aufgrund der Aufschrift „Testament“ – in so engem Zusammenhang mit der einliegenden Erklärung, dass sie sich nach dem Willen der