BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
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II. Widerrufsarten
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Ein Testament kann nur auf vier Arten widerrufen werden (numerus clausus)[6]: durch ein Widerrufstestament (§ 2254, → Rn. 190), durch eine spätere, mit dem früheren Testament in Widerspruch stehende Verfügung (§ 2258, → Rn. 191 ff.), durch Vernichtung oder Veränderungen der Testamentsurkunde (§ 2255, → Rn. 194) und beim öffentlichen Testament durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256, → Rn. 202 f.). Die bloße Billigung des Verlusts der Testamentsurkunde[7] oder die bloße Äußerung des Erblassers, dass er davon ausgehe, dass das Testament unwirksam geworden sei[8], bewirken hingegen keinen wirksamen Widerruf. Andererseits ist es jedoch aufgrund der Gleichwertigkeit aller Testamentsformen irrelevant, welche Form das zu widerrufende Testament hat (eigenhändiges oder öffentliches, ordentliches oder außerordentliches): Jedes Testament kann grundsätzlich in jeder der vier genannten Formen widerrufen werden.[9] Einzige Ausnahme ist der Widerruf durch Rücknahme aus amtlicher Verwahrung (§ 2256); er ist auf öffentliche Testamente beschränkt (→ Rn. 202).
1. Widerrufstestament, § 2254
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Erstens kann der Widerruf gem. § 2254 durch ein reines Widerrufstestament erfolgen, das sich auf den Widerruf eines Testaments oder darin enthaltener Regelungen beschränkt. Da es sich um ein Testament handelt, muss es allen gesetzlichen Anforderungen der gewählten Testamentsform entsprechen.[10] Der Widerruf braucht nicht ausdrücklich erklärt werden („hiermit widerrufe ich“), sondern es genügt, wenn die Widerrufsabsicht dem Testament im Wege der Auslegung entnommen werden kann[11] (Bsp.: handschriftlicher und unterschriebener Zusatz auf einer maschinengeschriebenen Testamentsabschrift, der erst in Verbindung mit dieser einen vollverständlichen Sinn erhält[12]).
2. Spätere, mit dem früheren Testament im Widerspruch stehende Verfügung, § 2258
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Wenn mehrere Testamente eines Erblassers vorhanden sind, so ist zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtheit den Willen des Erblassers repräsentieren oder ob eine spätere Verfügung mit einer früheren in Widerspruch steht. Wenn und soweit ein solcher Widerspruch besteht, wird die frühere Verfügung gem. § 2258 Abs. 1 durch die spätere aufgehoben. Anders als beim Widerrufstestament gem. § 2254 tritt die Aufhebung gem. § 2258 Abs. 1 kraft Gesetzes ein; es bedarf hierfür weder eines Widerrufswillens noch der Kenntnis des Erblassers von der früheren Verfügung.[13]
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Die Aufhebungswirkung reicht nach dem klaren Wortlaut von § 2258 Abs. 1 nur soweit, wie sich die Verfügungen widersprechen. Ein Widerspruch liegt zum einen vor, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich nicht miteinander vereinbar sind, die getroffenen Anordnungen sich also gegenseitig ausschließen.[14] Doch selbst wenn die einzelnen testamentarischen Anordnungen sachlich miteinander in Einklang stehen, liegt ein Widerspruch dann vor, wenn nach dem Willen des Erblassers die spätere Verfügung allein und ausschließlich gelten soll, weil er seine Erbfolge damit abschließend regeln wollte.[15]
Beispiel:
Wenn zunächst A als Alleinerbe eingesetzt wurde und in einem späteren Testament B zu 2/3 als Erbe eingesetzt wurde, so liegt hinsichtlich des verbleibenden 1/3 an sich kein Widerspruch vor, sodass A Erbe zu 1/3 wird. Allerdings kann sich ggf. im Wege der Auslegung ergeben, dass A gerade nicht mehr Erbe werden, sondern im Übrigen die gesetzliche Erbfolge gelten sollte. Vor der Überprüfung, ob ein Widerspruch zu einer früheren Verfügung besteht, ist das spätere Testament daher nach den allgemeinen Regeln auszulegen (→ Rn. 323 ff.).
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Wenn das spätere Testament gem. §§ 2254-2256 widerrufen wird, etabliert § 2258 Abs. 2 die widerlegbare Auslegungsvermutung[16], dass das frühere Testament im Zweifel wirksam sein soll, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre. Wird das spätere Testament hingegen nicht widerrufen, sondern aus anderen Gründen gegenstandslos (z.B. wegen des Vorversterbens des Bedachten), so bleibt das frühere Testament gem. § 2258 Abs. 1 aufgehoben und damit unwirksam.[17]
3. Widerruf durch Vernichtung oder Veränderungen der Testamentsurkunde, § 2255
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Gem. § 2255 S. 1 kann ein Testament durch Vernichtung oder Veränderungen an der Testamentsurkunde widerrufen werden. Um den Erblasser vor unüberlegten und übereilten Widerrufen abzuhalten[18] und Rechtssicherheit zu gewährleisten[19], ist allerdings erforderlich, dass der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt (Widerrufshandlung, → Rn. 195 ff.) und dass der Erblasser dabei in Aufhebungsabsicht handelt (→ Rn. 200). Der Widerruf gem. § 2255 S. 1 ist somit dogmatisch ein Widerruf durch konkludentes Handeln[20], sodass Testierfähigkeit erforderlich ist[21]. Obgleich auch § 2255 für alle Testamentsformen gilt, wird ein Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde typischerweise nur bei eigenhändigen Testamenten relevant, da sich öffentliche Testamente in amtlicher Verwahrung befinden sollten und die Rücknahme aus derselben regelmäßig schon zum Widerruf gem. § 2256 (→ Rn. 202 f.) führt.[22]
a) Widerrufshandlung
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Vernichtung bedeutet die vollständige körperliche Zerstörung der Testamentsurkunde, z.B. durch Verbrennen oder Zerreißen[23] (als ausreichend angesehen wurden dabei auch tiefe, von zwei Seiten erfolgte Einrisse der Testamentsurkunde[24]). Die bloße Vernichtung einer Kopie oder Abschrift genügt nicht.[25]
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Mit Veränderung ist eine körperliche Veränderung der Testamentsurkunde gemeint, ohne dass diese dabei völlig zerstört wird.[26] Beispiele sind Durchstreichen[27], Ausradieren, Schwärzungen oder Ausschneidungen[28] von Textteilen oder das Zerknittern zu einem Knäuel[29].[30]
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