BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
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Ähnliches gilt für den gleichfalls umstrittenen Fall, dass der Erblasser die unversehrte Testamentsurkunde in den Papierkorb wirft. Große Teile der Literatur wollen dies nicht ausreichen lassen, weil der Erblasser die Testamentsurkunde jederzeit unbeschädigt wieder aus dem Papierkorb entnehmen könne und es somit an einer Veränderung fehle.[33] Andere bejahen eine wirksame Widerrufshandlung jedenfalls dann, wenn sich in dem Abfallbehälter Stoffe oder Flüssigkeiten befinden, die eine Veränderung der Testamentsurkunde herbeiführen.[34] Nach allgemeiner Lebenserfahrung bezweckt das Wegwerfen in den Papierkorb indes gerade die Vernichtung des Schriftstücks; es handelt sich somit zutr. Ansicht nach ebenfalls um eine Handlung, durch die der Aufhebungswille „ausgedrückt zu werden pflegt“ i.S.d. § 2255 S. 1.[35]
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Die Vernichtung bzw. Veränderung muss durch den Erblasser höchstpersönlich erfolgt sein. Eine zufällige Vernichtung bzw. Veränderung (z.B. Krieg, Brand, Hochwasser) erfüllt den Tatbestand des § 2255 S. 1 nicht.[36] Ebenso wenig genügt eine Vernichtung oder Veränderung durch einen Dritten (vgl. §§ 2064 f.).[37] Der Erblasser kann sich jedoch einer anderen Person bedienen, die als unselbstständiges, nicht mit eigenem Entscheidungsspielraum ausgestattetes „Werkzeug“ in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Handlungen vornimmt.[38] Sofern eine solche „Willensbeherrschung“ vorliegt, ist es irrelevant, ob der Erblasser bei der tatsächlichen Vernichtung/Veränderung der Testamentsurkunde durch den Dritten persönlich anwesend ist.[39] Wie jeder Widerruf muss die Ausführungshandlung aber jedenfalls noch zu Lebzeiten des Erblassers erfolgen.[40] Nicht möglich ist auch eine nachträgliche Genehmigung einer durch einen Dritten autonom vorgenommenen Vernichtung/Veränderung; denn § 185 ist auf tatsächliche Handlungen nicht anwendbar.[41]
b) Aufhebungsabsicht
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Der Erblasser muss in Aufhebungsabsicht gehandelt haben. Wenn feststeht, dass der Erblasser die Testamentsurkunde verändert oder vernichtet hat, so wird die Aufhebungsabsicht vom Gesetz allerdings widerleglich (§ 292 ZPO)[42] vermutet (§ 2255 S. 2). Die Vermutung des Aufhebungswillens kann z.B. als widerlegt angesehen werden, wenn der Erblasser in einem Testament Verfügungen durchgestrichen hat und feststeht, dass die Streichungen lediglich der Vorbereitung eines neuen Testaments dienten, in dem inhaltlich gleiche Verfügungen wieder getroffen werden sollten.[43] Gleiches gilt, wenn feststeht, dass der Erblasser das Testament nur versehentlich vernichtet hat (z.B. weil ihm nicht klar war, dass es sich bei dem Dokument um ein Testament handelte[44] oder weil es zwischen einen Stapel anderer Dokumente geraten war[45]).
c) Beweislast
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Wenn das Testament unauffindbar ist oder zerstört bzw. mit Veränderungen aufgefunden wird, so spricht keine Vermutung dafür, dass dies durch den Erblasser erfolgte.[46] Im Prozess verteilt sich daher die Beweislast nach der allgemeinen Regel, dass derjenige, der aus einem Umstand Rechte herleitet, diese auch beweisen muss. Inhalt und Formgültigkeit des Testaments muss somit der testamentarische Erbe beweisen.[47] Den Widerruf hingegen muss derjenige beweisen, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft.[48]
4. Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung, § 2256
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Die Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung gilt gem. § 2256 Abs. 1 S. 1 als Widerruf. Diese Widerrufsfiktion ist Konsequenz des – nach der Rückgabe nicht mehr gewährleisteten – Schutzes vor Verfälschungen.[49] Ein in amtliche Verwahrung gegebenes privatschriftliches Testament (vgl. § 2248) kann der Erblasser hingegen jederzeit herausverlangen, ohne dass dadurch das Testament unwirksam würde (§ 2256 Abs. 3).
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Aufgrund der Widerrufswirkung stellt die Rücknahme eines öffentlichen Testaments eine Verfügung von Todes wegen dar.[50] Daher ist die Testierfähigkeit des Erblassers erforderlich.[51] Die Widerrufswirkung tritt auch dann ein, wenn der Erblasser keinen Widerrufswillen hatte.[52] Dies wird aufgrund der Belehrungspflicht des § 2256 Abs. 1 S. 2 über die Folgen der Rückgabe jedoch nur selten vorkommen. Im Einzelfall kann allerdings eine Anfechtung des Widerrufs wegen Drohung[53] sowie in speziell gelagerten Ausnahmefällen ggf. auch wegen Irrtums[54] erfolgen. Selbst wenn das öffentliche Testament zugleich der Form des § 2247 entspricht, bleibt es nach der Rücknahme nicht als privatschriftliches bestehen.[55]
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 8 Widerruf eines Testaments › III. Beseitigung des Widerrufs
1. Widerruf des Widerrufs
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Als weiteres Element der Testierfreiheit[56] eröffnet das Gesetz dem Erblasser in § 2257 die Möglichkeit, ein Widerrufstestament gem. § 2254 (→ Rn. 190) seinerseits jederzeit zu widerrufen. Im Zweifel (d.h. soweit kein gegenteiliger Wille des Erblassers feststellbar ist) gilt dann wieder die ursprüngliche Verfügung. Der Widerruf kann uneingeschränkt durch Widerrufstestament (§ 2254), Vernichtung oder Veränderung des aufzuhebenden Widerrufstestaments (§ 2255) oder durch Rücknahme eines öffentlichen Widerrufstestaments aus amtlicher Verwahrung (§ 2256) geschehen.[57]
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Zum gleichen Ergebnis führt die Regelung des § 2258 Abs. 2 für den Widerruf einer späteren abweichenden Verfügung: Wird der erste Widerruf widerrufen, so ist im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre.[58]
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Ein gem. § 2255 oder § 2256 erfolgter Widerruf kann hingegen nicht widerrufen werden, da es sich in diesen beiden Konstellationen nicht um einen Widerruf kraft Testaments handelt.[59] Hier bleibt dem Erblasser nur die Errichtung eines neuen Testaments.[60] Dies bedeutet insb. auch, dass ein gem. § 2255 durch Zerreißen eines Testaments erfolgter Widerruf nicht durch erneutes Zusammenkleben widerrufen werden kann.[61]
2. Anfechtung des Widerrufs
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Die Anfechtung ist dagegen bei jeder Art des Widerrufs möglich, denn anfechtbar sind nicht nur Testamente, sondern jegliche letztwillige Verfügung.[62] Dass eine Anfechtung (anders als ein Widerruf) insb. auch bei den Widerrufsformen der