BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
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„Lieber M, Du weißt ja am besten, dass ich leider nichts zu vererben habe. Keine Lebensversicherung, keine großen Summen Geld. Nur ein paar Bilder. Trotzdem bitte ich dich, mir ein paar Wünsche nach meinem Tod zu erfüllen. X1 soll sich ein Bild von früher aussuchen. Ebenso X2, X3, und X4. Die meisten Bilder sollst jedoch du behalten …“
M ist der Auffassung, dass er aufgrund der letztwilligen Verfügung zum Alleinerben berufen sei. Zu Recht? Lösung: → Rn. 381
Fall 23:
Die E und ihr Ehemann M haben ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet und es als „Unser Testament“ bezeichnet, in dem sie ihre gemeinsamen Kinder je zur Hälfte als Erben eingesetzt haben. Dabei hatten sie vergessen, die im Entwurf enthaltene gegenseitige Alleinerbeneinsetzung und die Einsetzung der Kinder als Erben des zuletzt Versterbenden (Berliner Testament) in das gemeinschaftliche Testament mit aufzunehmen. Ist M Alleinerbe? Lösung: → Rn. 382
Fall 24:
Die 50-jährige E setzte in ihrem 2001 errichteten Testament ihre neun Jahre jüngere Cousine C als Alleinerbin ein. Außerdem sah das Testament Vermächtnisse zugunsten ihrer beiden anderen Cousinen mütterlicherseits vor, die wertmäßig jeweils ca. 1/3 des Vermögens der E ausmachten. Die väterliche Seite wurde im Testament nicht bedacht. Als E stirbt, war C bereits vorverstorben. Cʼs Tochter T beantragt einen Erbschein als Alleinerbin mit der Begründung, dass sie Ersatzerbin ihrer vorverstorbenen Mutter geworden sei. Zu Recht? Lösung: → Rn. 383
Literatur:
Brox, Der Bundesgerichtshof und die Andeutungstheorie, JA 1984, 549; Dietz, Zur Auslegung eines Testaments, ZEV 2009, 241; Dressler, Der erbrechtliche Auslegungsvertrag – Gestaltungshilfe bei einvernehmlichen Nachlassregelungen, ZEV 1999, 289; Eidenfeld, Auslegungsprobleme bei Wünschen des Erblassers: Erbenbindung oder moralischer Appell? ZEV 2004, 141; Foerste, Die Form des Testaments als Grenze seiner Auslegung, DNotZ 1993, 84; Gerhards, Ergänzende Testamentsauslegung und Formvorschriften („Andeutungstheorie“), JuS 1994, 642; Litzenburger, Auslegung und Gestaltung erbrechtlicher Zuwendungen an Schwiegerkinder, ZEV 2003, 385; Mayer, Auslegungsgrundsätze und Urkundsgestaltung im Erbrecht, DNotZ 1998, 772; Musielak, Zur ergänzenden Testamentsauslegung, ZEV 2009, 249; Petersen, Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen, JURA 2005, 597; Smid, Probleme bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen, JuS 1987, 283; Wellenhofer, Ergänzende Testamentsauslegung bei unvorhergesehenem Vermögenserwerb, JuS 2018, 74; Wolf/Gangel, Der nicht formgerecht erklärte Erblasserwille und die Auslegungsfähigkeit eindeutiger testamentarischer Verfügungen, JuS 1983, 663.
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 11 Die Auslegung von Verfügungen von Todes wegen › I. Allgemeines/Überblick
I. Allgemeines/Überblick
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Ebenso wie andere Willenserklärungen sind auch Verfügungen von Todes wegen häufig auslegungsbedürftig. Dabei gelten jedoch aufgrund der speziellen Charakteristika einige Besonderheiten, wobei zwischen Testamenten einerseits und gemeinschaftlichen Testamenten sowie Erbverträgen andererseits zu differenzieren ist: Beim Testament als nicht empfangsbedürftiger Willenserklärung geht es allein darum, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen (§ 133, → Rn. 325 ff.), bei gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen gelten hingegen grundsätzlich die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Verträgen (§§ 133, 157, → Rn. 374 ff.). Darüber hinaus enthält das Gesetz eine ganze Reihe spezieller Auslegungsregeln für Fällen, in denen die Auslegung nach den allgemeinen Regeln nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt (→ Rn. 344 ff.).
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 11 Die Auslegung von Verfügungen von Todes wegen › II. Die Auslegung von Testamenten
1. Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers (§ 133)
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Ziel der Auslegung eines Testaments ist die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers (§ 133).[1] Der sog. „objektive Empfängerhorizont“ ist hingegen nicht zu berücksichtigen, da das Testament keine empfangsbedürftige Willenserklärung ist; daher ist auch § 157 auf die Auslegung eines Testaments nicht anwendbar.[2] Irrelevant ist auch ein etwaiger „Horizont des von der Verfügung Betroffenen“, da es beim Testament aufgrund der freien Widerruflichkeit (→ Rn. 186 ff.) keinen Vertrauensschutz gibt.[3]
2. Verhältnis von Auslegung und Anfechtung
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Die Auslegung hat Vorrang vor der Anfechtung, weil sie dem Willen des Erblassers zur Wirksamkeit verhilft, während die Anfechtung die Verfügung von Todes wegen vernichtet[4] (die Anfechtung kassiert nur, aber sie reformiert nicht[5]). Dieses Ergebnis wird durch die Anforderungen, die § 2078 an die Anfechtbarkeit stellt (→ Rn. 390 ff.), bestätigt: Denn ob Wille und Erklärung auseinanderfallen oder ob ein Motivirrtum vorliegt, kann erst festgestellt werden, wenn durch Auslegung der rechtliche Inhalt der Erklärung ermittelt wurde.[6]
a) Die sog. Andeutungstheorie
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Nach ständiger Rechtsprechung findet die Auslegung darin ihre Grenze, dass der Wille des Erblassers im Testament selbst eine hinreichende Stütze gefunden haben muss (sog. Andeutungstheorie).[7]
In der Literatur stößt die Andeutungstheorie allerdings teilweise auf Kritik.[8] Ihr wird entgegengehalten, dass sie die gesetzlichen Formvorschriften überspanne.[9] Der Schutz vor Übereilung werde schon dadurch erreicht, dass der Erblasser das Testament niedergeschrieben und in dem Sinne verstanden hat, den er ihm beilegen wollte.[10] Die Andeutungstheorie führe außerdem zu Zufälligkeiten und Rechtsunsicherheit, weil sie von der unkalkulierbaren Entscheidungen des Richters abhängt, ob die geforderte Andeutung im Testament zu finden ist.[11] Der weitschweifende Erblasser wird daher zu Unrecht gegenüber dem knapp formulierenden bevorzugt.[12]
Trotz dieser Kritik ist im Grundsatz an der Andeutungstheorie festzuhalten. Nur der erklärte Wille ist hinreichend verfestigt und so aus dem Stadium der Willensbildung herausgetreten, dass er Rechtsfolgen herbeizuführen vermag. Außerdem würde eine Auslegung, die den Erblasserwillen zum alleinigen Maßstab nehmen würde, die gesetzlichen Formerfordernisse