Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов

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Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов C.F. Müller Lehr- und Handbuch

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In diesem Zusammenhang muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor allem die Wahrung des notwendigen Existenzminimums des Bürgers im Auge behalten werden, da Umweltabgaben mitunter unvermeidbare Handlungen besteuern können: „Die Unerlässlichkeit der Nutzung von Umweltgütern als Voraussetzung der Grundrechtsausübung ist demnach evident“[1120]. Grundsätzlich kann hinsichtlich der Rechtfertigung der freiheitsrechtlichen Eingriffe von Umweltabgaben auf die legitimen verfassungsrechtlichen Zwecke des nachhaltigen Umgangs mit knappen Ressourcen, der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen und der Bedeutung gesundheitsverträglicher Umweltbedingungen (vgl. Art. 2 Abs. 2; 20a GG) verwiesen werden[1121]. Neben den Freiheitsrechten spielt wie allgemein im Abgabenrecht der allgemeine Gleichheitssatz eine hervorgehobene Rolle: Art. 3 GG überprüft die Zuordnung der mit den Lenkungselementen bewirkten Belastungen und deren Höhe, wobei insbesondere Ausnahmen von der Umweltabgabepflichtigkeit auf dem Prüfstand stehen. Dabei bildet der allgemeine Gleichheitssatz gerade auch für die nichtsteuerlichen Abgaben eine bedeutsame Schranke, da es rechtfertigungsbedürftig scheint, warum der Einzelne neben seiner Steuerpflicht auch noch abgabenpflichtig sein soll[1122].

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      Weiterhin wird aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte auch eine Untergrenze des zu verfolgenden Umweltschutzniveaus und damit zugleich eine weitere grundrechtliche Schranke für den Einsatz von Umweltabgaben hergeleitet. Deren Effektivität erweise sich infolge der verzögerten und unsicheren Wirkung sowie der Möglichkeit zum „Freikauf“ von der Umweltschutzpflicht als zumindest ungewiss, so dass weitere, z.B. ordnungsrechtliche, Mechanismen zur Erreichung eines angemessenen Umweltschutzniveaus aus grundrechtlichen Erwägungen geboten seien[1123]. Aufgrund der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ergibt sich daraus jedoch kaum eine justiziable Schranke für die einzelne Umweltabgabe.

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      Die Bedeutung des Unionsrechts für Umweltabgaben aktualisiert sich neben der aus der Natur der Umweltbedrohungen erwachsenden Notwendigkeit koordinierter, überstaatlicher Lösungen[1124] in zweifacher Weise: Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern der EU Kompetenzen zur selbstständigen Regelung von (mitgliedstaatlichen) Umweltabgaben zustehen, zum anderen müssen die allgemeinen europarechtlichen Vorgaben bei der nationalen Gestaltung von Umweltabgaben beachtet werden[1125].

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      Die Bestimmung der Kompetenzen der EU zur Erhebung von Umweltabgaben muss zunächst von einem autonomen, unionsrechtlichen Umwelt- wie Abgabenbegriff ausgehen[1126]. Hinsichtlich der Möglichkeiten der EU zur Gestaltung von Umweltabgaben gilt es weiterhin darauf hinzuweisen, dass es im Einzelnen umstritten ist, inwiefern ihr neben der Kompetenz bezüglich des Abgabegegenstandes selber auch Befugnisse zur Regelung der Erhebungsmodalitäten, der Ertragshoheit und des Verwendungszwecks zustehen müssen[1127]. Bezüglich der zentralen Frage nach den Normierungskompetenzen von Umweltabgaben ergibt sich folgendes Bild: Art. 192 Abs. 1 AEUV enthält eine spezielle Kompetenz zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der in Art. 191 AEUV enthaltenen Umweltschutzziele[1128], wobei auch die Einführung von Umweltabgaben hierzu zählt. Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV führt in diesem Zusammenhang ein besonderes Beschlussverfahren zum Erlass von „Vorschriften überwiegend steuerlicher Art“ ein[1129], wobei hier entgegen dem normalen Gesetzgebungsverfahren zur Bewahrung mitgliedstaatlicher Abgabenhoheit Einstimmigkeit erforderlich ist[1130]. Daneben kommen für Umweltabgaben vor allem noch die Kompetenzen zur Harmonisierung indirekter Steuern in Art. 113, die allgemeinen Harmonisierungskompetenzen der Art. 114[1131], 115 sowie die Ermächtigung zur Finanzierung durch Eigenmittel aus Art. 311[1132] in Betracht, wobei hinsichtlich des Umfangs der Öffnung dieser Titel für Umweltabgaben sowie bezüglich ihres Konkurrenzverhältnisses untereinander im Einzelnen zahlreiche Streitpunkte bestehen[1133].

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      Sowohl im Abgabenrecht als auch in der Umweltpolitik verbleiben den Mitgliedstaaten weiterhin breite Zuständigkeiten (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. e; 193 AEUV), so dass sie vorbehaltlich kompetenzgemäß erlassener und abschließender Unionsregelungen weiterhin durch Erlass von Umweltabgaben tätig werden dürfen. Dabei müssen die Mitgliedstaaten aber die Vorgaben des bestehenden Unionsrechts beachten. Neben wirksamen sekundärrechtlichen Regelungen im Umweltrecht[1134] sind dies insbesondere die Grundfreiheiten, das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) sowie das Beihilferecht (Art. 107ff. AEUV) als primärrechtliche Anforderungen[1135].

      Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht§ 67 Abgabenrecht › K. EU-Abgaben und Einwirkungen des Unionsrechts auf das Abgabenrecht

K. EU-Abgaben und Einwirkungen des Unionsrechts auf das Abgabenrecht

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      Die EU finanziert sich durch ein sog. Eigenmittelsystem, Art. 311 AEUV[1136]. Durch den Vertrag von Lissabon wurde die bis dahin bestehende Norm des Art. 269 EGV leicht modifiziert[1137], insbesondere wurde der Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 EUV als neuer erster Absatz in Art. 311 AEUV übernommen. Hier heißt es nun: „Die Union stattet sich mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchführen zu können“. Allerdings kommt der EU als Staatenverbund keine eigene Steuersouveränität zu, so dass auch aus dem jetzigen Wortlaut dieser Norm keine Kompetenz-Kompetenz abgeleitet werden kann[1138]. Vielmehr besteht jegliche Gewalt der EU – insbesondere damit auch die Befugnis, Abgaben zu schaffen – nur aufgrund von konkreten Ermächtigungen durch die Mitgliedstaaten (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung)[1139].

1. Europäischer Abgabenbegriff

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      Aus Finalität und Konstruktion des primären Unionsrechts sowie aus Grundprinzipien der juristischen Begriffsbildung folgt, dass ein etwaiger „europäischer Steuer-“ oder „Abgabenbegriff“ nicht mit den deutschen (verfassungsrechtlichen) Begriffen oder mit denjenigen eines anderen Mitgliedstaats[1140] übereinstimmen kann, ja dass es letztlich „den“ europäischen Steuer- oder Abgabenbegriff nicht geben kann[1141]. Steuern und Abgaben sind an den unterschiedlichsten Stellen im Primärrecht angesprochen, der Begriff der „Steuer“ oder unter Verwendung des Steuerbegriffs zusammengesetzte Begriffe treten in völlig unterschiedlichen Funktionszusammenhängen im europäischen Vertragswerk auf[1142]. In Art. 110 AEUV geht es bei den „inländischen Abgaben gleich welcher Art“ um warenbezogene Abgaben, welche keine diskriminierenden Wirkungen haben dürfen. Art. 113 AEUV betrifft die Harmonisierung der indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer und sonstiger Verbrauchsteuern[1143]. Der in Art. 112 AEUV verwendete Steuerbegriff stellt dazu den Gegenbegriff auf, muss demgemäß gerade die direkten Steuern betreffen. Von den Abgaben nach Art. 110 AEUV sind wiederum die Zölle (Art. 28 ff. AEUV) abzugrenzen, wobei der unionsrechtliche Zollbegriff gerade wegen des Zusammenspiels mit Art. 110 AEUV enger zu verstehen ist, als etwa die in Deutschland übliche Begriffsbestimmung[1144].

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      An anderen Stellen ist ganz allgemein von „Steuern“ oder „steuerlichen Vorschriften“ die Rede: In Art. 114 Abs. 2 AEUV wird die

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