Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
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Die Trennung zwischen Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht schlägt sich auch in der Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenzen nieder. Das Bauplanungsrecht unterfällt dem „Bodenrecht“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG; folglich ist insoweit der Bund zur Gesetzgebung befugt[13]. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1954 in einem Rechtsgutachten zu Art. 74 Nr. 18 GG a.F. ausdrücklich entschieden[14]. In Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz wurde 1960 das Bundesbaugesetz, 1987 dann das Baugesetzbuch (BauGB) erlassen[15]. Das Bauordnungsrecht als „Baupolizeirecht“ stellt hingegen eine „Rechtsmaterie für sich“ dar und unterfällt gerade nicht dem Bodenrecht[16]: Mangels spezieller Gesetzgebungskompetenz des Bundes bleiben damit die Länder gem. Art. 70 Abs. 1 GG zuständig. Erklären lässt sich diese Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenzen im Baurecht vor allem historisch (siehe Rn. 7 ff.).
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Vom öffentlichen Baurecht mit seinen Teilgebieten des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist wiederum das Recht der Raumordnung und Landesplanung abzugrenzen[17]. Dabei handelt es sich – anders als die Bezeichnung „Raumordnung“ vielleicht vermuten lässt – nicht um ein Gefahrenabwehrrecht größeren Maßstabs. Unter dem Begriff der Raumordnung ist vielmehr die hoheitliche Gestaltung des Raumes in überörtlicher (Bund, Länder und Regionen) und überfachlicher Perspektive zu verstehen. Es handelt sich somit um Planungsrecht. Als Abgrenzungskriterium zum Bauplanungsrecht dient das Merkmal der Überörtlichkeit des Planungsgegenstandes, während beide das Merkmal der Überfachlichkeit verbindet. Sie ergänzen sich zur räumlichen Gesamtplanung, haben also eine räumliche Gesamtstruktur im Blick; dagegen konzentriert sich die fachliche Raumplanung wie etwa die Verkehrsinfrastruktur oder die Wasserwirtschaft auf einen Sektor.
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Abgrenzungsbedarf besteht ferner zwischen dem Bauordnungsrecht (als Teil des öffentlichen Baurechts) und dem privaten Baurecht[18]. Dieses behandelt die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem bauenden (Grundstücks-)Eigentümer, anderen am Bau Beteiligten und den durch den Bau betroffenen Privatrechtssubjekten[19]. Zum privaten Baurecht zählen dabei nicht nur Vorschriften des Bauvertragsrechts (§§ 650a ff. BGB, VOB/B)[20] und des Sachenrechts des BGB (§§ 903 ff. BGB)[21], sondern auch die Nachbarrechtsgesetze der Länder gem. Art. 124 EGBGB[22]. Eine gewisse Gemengelage zwischen Bauordnungs- und Privatrecht ergibt sich indes im Nachbarrecht[23].
II. Historische Entwicklung
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Die komplementären Begriffe Bauordnungs- und Bauplanungsrecht sind zwar neueren Datums. Das heißt aber nicht, dass zuvor das Bauen nicht reglementiert worden wäre[24]. Vielmehr kann schon für die Zeit des Mittelalters anhand der damals neu entstandenen Städte gezeigt werden, dass nicht nur bereits gewisse planerische Vorstellungen umgesetzt (etwa die Aufteilung der Gewerbe auf verschiedene Zonen der Stadt), sondern beispielsweise auch die Stand- und Feuersicherheit von Gebäuden beaufsichtigt wurden[25] – Stadtplanungs- und Bauordnungsrecht avant la lettre. Die Statuten der Städte kannten sogar schon eine Anzeigepflicht für das Errichten, Verändern oder den Abbruch eines Baus[26]. Auch der Sachsenspiegel enthielt Regelungen über Brandschutz, Abstände und andere Gegenstände, die heute dem Bauordnungsrecht unterfallen[27].
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Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 stellt mit seinem Achten Titel des Ersten Teils „Vom Eigenthum“ eine weitere wichtige Wegmarke dar für die Entwicklung dessen, was nach heutiger Terminologie als Bauordnungsrecht bezeichnet wird. Dabei darf allerdings nicht wie so häufig der Fehler begangen werden, einseitig die vom ALR gewährte Baufreiheit in den Blick zu nehmen (§ 65 I 8 ALR[28]). Vielmehr kannte das Gesetz auch zahlreiche und höchst modern wirkende „Einschränkungen des Eigenthümers bey dem Bauen“[29]. So musste in der Stadt ein neuer Bau der Obrigkeit nicht nur angezeigt werden (§ 67 I 8 ALR), die Errichtung oder die Veränderung durfte auch nicht zum „Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze“ (§ 66 I 8 ALR) führen. Zahlreiche weitere Beschränkungen folgten[30], insbesondere auch „Einschränkungen des Eigenthums zum Besten des Nachbarn“[31], etwa was über die Grenze ragende Bauwerke (§ 123 I 8 ALR), Bäume (§ 124 I 8 ALR), Schweineställe und Kloaken (§§ 125 ff. I 8 ALR) und weiteres mehr betraf. Schließlich konnte die „Obrigkeit“, war eine Anzeige unterblieben, bei Gefährlichkeit des Baus oder bei einer durch ihn bewirkten Verunstaltung eine Änderung desselben (§ 71 I 8 ALR) oder sogar seinen Abriss verlangen (§ 72 I 8 ALR). Damit waren schon viele der Regelungen, die das gegenwärtige Bauordnungsrecht prägen, angelegt – bis hin zur präventiven und repressiven Bauaufsicht[32].
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Die Ausdifferenzierung in Planungsrecht einerseits und Baupolizeirecht andererseits erfolgte indes erst im 19. Jahrhundert[33]. Für die Trennung der beiden Rechtsgebiete waren – so soll am Beispiel von Preußen gezeigt werden – vor allem zwei Entwicklungen entscheidend: An erster Stelle ist die Städtereform des Freiherrn vom Stein aus dem Jahr 1808 zu nennen[34]. Sie führte zwar in Preußen die Selbstverwaltung der Städte ein, beließ das (Bau-)Polizeirecht, welches das Bauen insbesondere im Hinblick auf die Feuersicherheit beschränkte, aber in staatlicher Hand[35]. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts räumte das Preußische Fluchtliniengesetz von 1875 den Gemeinden gewisse planerische Möglichkeiten ein, da diese nunmehr das Straßennetzgitter und damit die Bebauungsflächen für Stadterweiterungen bestimmen konnten[36]. Damit war die Trennung vorgezeichnet, die bis heute fortbesteht. Hinzu trat an zweiter Stelle – gewissermaßen spiegelbildlich zum ersten Entwicklungsstrang – die Begrenzung der staatlichen Polizeigewalt auf die Gefahrenabwehr. Hierfür stehen das sog. Kreuzberg-Urteil des Preußischen OVG vom 14.6.1882[37] sowie das zuvor ergangene „Kreuzbergerkenntnis“[38]. Gestritten wurde um die Erteilung einer baupolizeilichen Genehmigung zur Errichtung eines Hauses am Fuße des Berliner Kreuzbergs. Die Genehmigung war vom Polizeipräsidium vor allem im Hinblick auf eine Polizeiverordnung des Berliner Polizeipräsidenten vom 10.3.1879, die den Kreuzberg betraf, versagt worden. Verboten war nach der Verordnung jede Bebauung, welche die Sicht auf das dortige Siegesdenkmal, aber auch die Aussicht vom Denkmal auf die Stadt hinunter beeinträchtigt hätte. Das angerufene Gericht legte in dieser berühmten Entscheidung die für die Polizeiverordnung erforderliche Ermächtigungsgrundlage des § 10 II 17 ALR[39] – fälschlicherweise[40] – einschränkend dahingehend aus, dass sie ausschließlich zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermächtige, nicht aber der darüber hinausreichenden „Wohlfahrtspflege“ diene. Dementsprechend war die baupolizeiliche Genehmigung zu erteilen. Freilich schloss die gefundene Interpretation des § 10 II 17 ALR für die Zukunft nicht den Erlass spezieller gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen aus[41].
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Auch wenn die Polizei mit ihren bauordnungsrechtlichen Befugnissen nach dem Kreuzbergurteil noch Planungskompetenzen in Anspruch nahm, indem sie beispielsweise aus gesundheitspolizeilichen Gründen Flächen für Einzelbebauung festlegte oder für bestimmte Gebiete die Ansiedlung von Fabriken untersagte[42], so zeichnete sich doch eine Trennung der Materien ab, die grundsätzlich auch heute noch Gültigkeit beanspruchen kann: Auf der einen Seite das Bauplanungsrecht, dessen Konzeption sich allerdings vor allem im 20. Jahrhundert noch mehrfach änderte, auf der anderen Seite das Bauordnungsrecht, welches seinem liberalen Wesen – Gefahrenabwehr