Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
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§ 1 Abs. 4 BauGB konkretisiert und erweitert die Beachtenspflicht des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ROG[408]. Hiernach sind die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Bauleitpläne, die neuen Zielen der Raumordnung entgegenstehen, treten aber nicht außer Kraft[409]. Durch die ausdrückliche Anordnung der Anpassung stellt § 1 Abs. 4 BauGB die Handlungspflicht der Gemeinde, die aktiv tätig werden muss, in den Vordergrund[410]. Die Pflicht zur Anpassung bezieht sich nicht lediglich auf bestehende Bauleitpläne, sondern löst auch eine Erstplanungspflicht aus, wenn anderenfalls die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung auf unüberwindbare – rechtliche oder tatsächliche – Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde[411]. Des Weiteren setzt sich bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB gegenüber dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB durch, wenn der Flächennutzungsplan dem Ziel der Raumordnung nicht entsprechende Darstellungen enthalten sollte[412]. Im Übrigen reicht § 1 Abs. 4 BauGB auch insofern weiter als § 4 Abs. 1 Nr. 1 ROG, als er alle Bauleitpläne, nicht nur die im raumordnungsrechtlichen Sinne raumbedeutsamen, einschließt[413].
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Ziele der Raumordnung sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben, die sachlich und räumlich bestimmt oder bestimmbar sein müssen. Überdies zeichnet sie aus, dass sie, wie auch § 7 Abs. 2 S. 1 ROG zum Ausdruck bringt, abschließend abgewogen sind. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 ROG sind Ziele der Raumordnung als solche zu kennzeichnen. Fehlt die Bezeichnung als Ziel, steht in jedem Fall fest, dass es sich bei der Festlegung nicht um ein Ziel der Raumordnung handeln kann[414]. Umgekehrt folgt aus der Bezeichnung als Ziel nicht in jedem Fall die Zielqualität einer Festlegung, wenn diese die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG nicht erfüllt[415]. Allerdings können Ziele der Raumordnung durchaus unterschiedliche Abstraktionsgrade aufweisen. In den meisten Fällen sind die Zielfestlegungen nicht so konkret, dass den Gemeinden im Rahmen der Anpassung des Bauleitplans kein planerischer Spielraum mehr eröffnet wäre. In diesen Fällen stellt sich die Anpassung nach § 1 Abs. 4 BauGB nicht als schlichter Normvollzug, sondern als planerische Konkretisierung einer rahmensetzenden Zielvorgabe dar[416].
3. Sonstige zwingende Vorgaben
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Bauleitpläne unterliegen neben den beschriebenen Regelungen des § 1 Abs. 3 und 4 BauGB noch weiteren zwingenden Vorgaben. Diese können sich unmittelbar aus gesetzlichen[417] Regelungen oder aus anderen Verwaltungsentscheidungen ergeben, die gegenüber der Bauleitplanung Bindungswirkung entfalten. In der Rechtsprechung und im Schrifttum findet sich hier der Begriff der Planungsleitsätze, zum Teil differenziert nach internen und externen Planungsleitsätzen. Erstere ergeben sich aus den Regelungen des jeweiligen Planungsgesetzes selbst, Letztere aus anderen fachgesetzlichen Zusammenhängen[418]. Abgesehen von der missverständlichen Begriffsbildung – es handelt sich gerade nicht um Leitsätze, an denen sich die Abwägung auszurichten hätte, sondern um strikt bindende Regelungen im Sinne der Begrenzung der Abwägung – beschreibt die Kategorie nicht mehr als die nicht zu bestreitende Bindung auch der planenden Verwaltung an den Vorrang des Gesetzes[419]. Ohnehin hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Begriff – soweit ersichtlich – im beschriebenen Sinne vornehmlich im Bereich des Fachplanungsrechts benutzt und dort auch in jüngerer Zeit kaum noch[420]. In der Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht findet sich der Begriff hingegen in jüngerer Zeit im Sinne des eigentlichen Wortverständnisses[421]. Da der Begriff keine eigene analytische Kategorie kennzeichnet, sollte auf seine Verwendung verzichtet werden. Beispiele für zwingende Regelungen innerhalb des BauGB sind – wie gesehen – § 1 Abs. 3 und 4 BauGB sowie § 8 Abs. 2 BauGB. Außerhalb des BauGB sind als Beispiele die Regelungen des FFH-Schutzregimes nach § 33 ff. BNatSchG[422] und die Beschränkungen in Überschwemmungsgebieten nach § 78 WHG[423] zu nennen.
4. Abwägungsgebot
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Die Einhaltung des Abwägungsgebots ist der zentrale Maßstab, der an die materiell-rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen anzulegen ist. Zugleich kommt hierin die große Gestaltungsfreiheit der Gemeinden im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklung zum Ausdruck. Die städtebauliche Entwicklung ist zu vielgestaltig und eröffnet zu viele Optionen, als dass sie einem konditional strukturierten Entscheidungsprogramm unterworfen werden könnte. Der Gesetzgeber reagiert hierauf konsequent durch die finale Strukturierung eines Entscheidungsprozesses, dessen Ergebnis wenig determiniert ist[424]. Den Kontrollmaßstab für die so entstehende planerische Gestaltungsfreiheit – oder das planerische Ermessen[425] – liefert das Abwägungsgebot. § 1 Abs. 7 BauGB ordnet die Geltung des Abwägungsgebots an, indem er verlangt, bei „der Aufstellung der Bauleitpläne (…) die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“. Die Rechtsprechung bezeichnet das Abwägungsgebot als „dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnende[n] Grundsatz“[426]. Es wird also neben der einfachgesetzlichen Begründung unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet und trägt insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung[427]. Diese verfassungsrechtliche Verankerung hat zur Folge, dass das Abwägungsgebot gleichsam als Universalprinzip für alle Bereiche raumwirksamer Planung unabhängig von seiner ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung Geltung beansprucht[428].
a) Anforderungen des Abwägungsgebots
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§ 1 Abs. 7 BauGB ordnet lediglich die Abwägung der berührten Belange an. Darüber hinausgehende Konkretisierungen, welche Anforderungen aus dem Abwägungsgebot erwachsen, enthält die Regelung nicht. Auch die Planerhaltungsregelungen der §§ 214 f. BauGB liefern keine entscheidende Klarstellung. § 214 Abs. 3 BauGB nimmt zwar auf die Abwägung und ihre Mängel Bezug, ohne jedoch festzulegen, worin diese Mängel im Einzelnen bestehen könnten. Allein § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB lässt erkennen, dass das Abwägungsgebot Anforderungen sowohl an den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis stellt, ohne diese Einteilung näher zu erläutern. Seit der Änderung durch die BauGB-Novelle 2004 stellt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB zudem über den Verweis auf § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eine Verknüpfung zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen im Sinne des § 2 Abs. 3 BauGB her, ohne dass jedoch deutlich würde, wie diese