Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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Von den Vertretern des Verantwortungsprinzips wird dem durchweg entgegengehalten, dass es ein Widerspruch sei, wenn man die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung in den Nötigungsfällen normativ (nach dem Maßstab der Verantwortung), in den Fällen des Verbotsirrtums dagegen nach psychologischen Kriterien vornehme. Das ist aber falsch. Denn auch die Nötigungsherrschaft ist psychologischer Art, indem sie auf der Stärke des psychischen Drucks („Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit“) beruht. Nur weil ein psychischer Druck seiner Stärke nach nicht exakt messbar ist, müssen zur Grenzziehung die normativen Vorgaben des § 35 StGB verwendet werden. Der Verantwortungsgrundsatz ist also, wie Küper[67] mit Recht sagt, „im Nötigungsbereich kein normatives Begründungsprinzip der Tatbeherrschung, sondern lediglich ein sekundäres Maß- und Abgrenzungsprinzip“.
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Eine Normativierung im Grenzbereich ist aber, obwohl dies bisher kaum anerkannt wird, auch in den Fällen des Verbotsirrtums sinnvoll. Darin könnte eine gewisse Berechtigung für die vom BGH vertretene Ansicht liegen, dass ein Verbotsirrtum des unmittelbar Handelnden nicht ausnahmslos zur mittelbaren Täterschaft des die Rechtslage übersehenden Hintermannes führen müsse, sondern dass „im Einzelfall wertend ermittelt werden“ müsse, ob mittelbare Täterschaft oder nur eine Anstiftung vorliege. Zu bemängeln ist freilich, dass der BGH keine näheren Angaben darüber macht, unter welchen Voraussetzungen er eine bloße Anstiftung annehmen will.
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Nach meiner Auffassung[68] sollte man dann lediglich eine Anstiftung annehmen, wenn der Verbotsirrtum des unmittelbar Ausführenden auf Rechtsfeindschaft beruht, d.h. wenn er weiß, dass er andere in gravierender Weise schädigt. Wer seine Kinder brutal misshandelt oder seine Frau vergewaltigt und – beeinflusst durch einen Hintermann – meint, seine familiäre Stellung gestatte ihm dies, erkennt die Sozialschädlichkeit (die materielle Rechtswidrigkeit) seines Tuns und muss mit der ungemilderten Vorsatzstrafe rechnen. Er hat damit hinreichenden Anlass, von seiner Tat Abstand zu nehmen, so dass ein Hintermann, der ihm dieses Verhalten angeraten und für zulässig erklärt hat, nicht als Beherrscher des Geschehens angesehen werden kann. Entsprechendes gilt, wenn jemand andere in grob ehrverletzender Weise schmäht (§§ 185–187 StGB) oder wucherisch ausbeutet (§ 291 StGB), weil ihm ein Hintermann dazu durch die Bemerkung veranlasst hat, dies entspreche dem Recht auf freie Meinungsäußerung bzw. den Regeln der kapitalistischen Gesellschaft.
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Sachverhalte dieser Art werden relativ selten sein. Durch die Annahme einer bloßen Anstiftung in solchen Fällen könnte aber die Bemerkung des BGH, dass es auf „Art und Tragweite des Irrtums“ ankomme, einen konkreten Inhalt gewinnen.[69]
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Eine zweite Ausnahme mit dem Ergebnis einer bloßen Anstiftung wird man annehmen können, wenn ein die Rechtslage übersehender Hintermann die Handlung des sich in einem Verbotsirrtum befindenden unmittelbaren Täters zwar unterstützt, aber weder dessen Tatentschluss noch den Verbotsirrtum des Ausführenden hervorgerufen hat.[70] Hier fehlt es an einem beherrschenden Einfluss des Hintermannes, weil der Ausführende sich ohne fremde Veranlassung zur Tat entschlossen hat und auch der Irrtum auf ihn allein zurückgeht. Damit würde der Anregung des BGH Rechnung getragen, auch die „Intensität der Einwirkung des Hintermannes“ bei Bestimmung der mittelbaren Täterschaft zu berücksichtigen.
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Zu weit würde es freilich gehen, die Bestimmung zur Tat unter Ausnutzung eines schon vorhandenen Verbotsirrtums ebenfalls nur als Anstiftung zu beurteilen. Wenn jemand die Rechtsunkenntnis eines anderen benutzt, um durch ihn strafbare Handlungen zu begehen, ist er mittelbarer Täter.[71]
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Murmann[72] will bei vermeidbarem Verbotsirrtum des Ausführenden eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes nur dann annehmen, wenn „dem Hintermann zugunsten des Opfers die Pflicht obliegt, die Hervorrufung oder Ausnutzung von Irrtümern über Rechtsfragen zu unterlassen“. Das ist im Wesentlichen nur bei staatlichen Stellen der Fall. Jedoch schränkt das die mittelbare Täterschaft zu sehr ein. Auch Privatleute haben die Tatherrschaft, wenn sie die Rechtsunkenntnis anderer zur Begehung von Straftaten benutzen.
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Der BGH hat seine Rechtsprechung in späteren Entscheidungen bestätigt.[73] Verfehlt ist freilich die Annahme des BGH im zweitgenannten Urteil, dass eine mittelbare Täterschaft auch dann vorliegen könne, wenn Hintermann und Ausführender sich gleichermaßen im Verbotsirrtum befinden. Denn in einem solchen Fall fehlt dem Hintermann das überlegene Wissen, das allein ihm die Tatherrschaft verschaffen könnte. Die Entscheidung des BGH hat deshalb allgemeine Ablehnung gefunden.[74]
III. Der unmittelbar Ausführende nimmt irrtümlich die Voraussetzungen ausgeschlossener Verantwortlichkeit an
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Diese Fallgruppe wird in der Regel unter dem Stichwort der irrigen Annahme schuldausschließender Umstände behandelt. Sie spielt jedoch bei Schuldausschließungsgründen im engeren Sinne keine Rolle. Wenn ein Zurechnungsfähiger sich fälschlich für zurechnungsunfähig hält, ist er gleichwohl vorsätzlicher Täter und der Hintermann nur Anstifter.
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Jedoch können Irrtümer des Handelnden über die Voraussetzungen ausgeschlossener Verantwortlichkeit in den Fällen des § 35 StGB und auch bei übergesetzlichem Verantwortungsausschluss vorkommen. Wenn jemand durch eine Todesdrohung zu einer Strafvereitelung (§ 258 StGB) veranlasst wird, die Drohung aber nur vorgespiegelt war, so ist der unmittelbar Handelnde gemäß § 35 Abs. 2 StGB straflos, wenn der Irrtum unvermeidbar war; im Fall der Vermeidbarkeit ist die Strafe zu mildern.
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Bei Konstellationen solcher Art ist der Hintermann mittelbarer Täter, weil er allein die Sachlage übersieht und die psychische Situation des Ausführenden derjenigen entspricht, die beim Vorliegen einer wirklichen Notstandssituation gegeben ist. Das gilt auch dann, wenn der Irrtum vermeidbar war. Denn die Ausnahmen, die bei einem Verbotsirrtum nach der hier vertretenen Auffassung (oben Rn. 93 ff.) in Fällen der Rechtsfeindschaft des Ausführenden in Betracht kommen, haben bei irrtümlicher Annahme von Notstandssituationen nach § 35 StGB keine Parallele. Die Regeln, nach denen ausnahmsweise beim wirklichen Notstand des Ausführenden nur eine Teilnahme des Hintermannes in Betracht kommt (oben Rn. 38 ff.), gelten hier freilich entsprechend.[75]
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Um die irrtümliche Annahme der Voraussetzungen eines übergesetzlichen Verantwortungsausschlusses handelte es sich im Katzenkönig-Fall (oben Rn. 94 ff.), wo der Handelnde glaubte, zur Rettung von Millionen Menschenleben eine Tötung vornehmen zu sollen.[76] Auch die Hervorrufung eines solchen Irrtums begründet – ob dieser nun vermeidbar war oder nicht – stets eine mittelbare Täterschaft.
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Die irrtümliche Annahme verantwortungsausschließender