Handbuch des Strafrechts. Группа авторов

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schon durch die bloße Veranlassung der Tat mittelbarer Täter.

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      Von allen diesen Auffassungen ist diejenige Steins – also die letztgenannte – von vornherein abzulehnen. Der Grund ist von Hoyer[41] schlagend formuliert worden: „Mittelbare Täterschaft ist … keine Ausfallhaftung für entgangene Inanspruchnahme des unmittelbaren Täters.“ Es gibt keinen Grund, den Hintermann für eine Selbstschädigung verantwortlich zu machen, die der Rechtsgutsinhaber sich aus freiem Entschluss selbst zufügt.

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      Alle anderen Lösungen laufen darauf hinaus, dass ein mehr oder weniger starker vom Hintermann ausgeübter Druck die mittelbare Täterschaft begründet. Auch die am meisten verbreitete, auf § 216 StGB und die Voraussetzungen wirksamer Einwilligung abstellende Lehre will bei einer „gewichtigen Drohung“ jedenfalls eine mittelbare Täterschaft annehmen.[42] Denn in einem solchen Fall kann man, wenn man dieser Auffassung folgt, weder von einem ernsthaften Verlangen des Suizidenten noch – bei anderen Selbstschädigungen – vom Vorliegen wirksamer Einwilligungsvoraussetzungen ausgehen. Auch das Abstellen auf § 240 StGB, auf eine Abwägung in Anlehnung an § 34 StGB oder auf Vernunft oder Unvernunft der Selbstschädigung macht die Entscheidung letztlich vom Gewicht des angedrohten Übels abhängig.

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      Jedoch verbürgt allein eine Abgrenzung auf der Grundlage der in § 35 StGB geschilderten Gefahren die Rechtssicherheit, die für die Voraussetzungen der Strafbarkeit gemäß Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich ist. Alle Versuche, unterhalb dieser im Gesetz angelegten Schwelle eine Grenzlinie für die Annahme mittelbarer Täterschaft zu finden, bleiben zu unbestimmt. Es haftet ihnen auch etwas Beliebiges an, wie die zahlreichen Varianten der vom Verantwortungsprinzip abweichenden Lösungen zeigen.

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      Der am häufigsten vertretene Rückgriff auf die Einwilligungsregeln krankt daran, dass das Gesetz für die Voraussetzungen wirksamer Einwilligung keinerlei Anhaltspunkte bietet. Auch die Rechtsprechung liefert keine sicheren Kriterien.[43] Wenn Herzberg in dem angeführten Beispiel eine Frau wegen Körperverletzung bestrafen will, die eine andere durch eine Drohung mit der Offenbarung eines Seitensprungs dazu veranlasst, sich die Haare abzuschneiden, so ist keineswegs eindeutig, dass eine Einwilligung in eine von fremder Hand erfolgende Zurechtstutzung der Haare unwirksam wäre.[44]

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      Ähnliches gilt für ein Abstellen auf den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB). Dieser Tatbestand gehört, indem er die Strafbarkeit von der „Verwerflichkeit“ der Täterhandlung abhängig macht, zu den unbestimmtesten des StGB. Aber auch die Ergebnisse, zu denen seine Anwendung führt, korrespondieren keinesfalls immer mit dem Ausmaß der psychischen Wirkung, die eine Drohung ausüben kann. Wenn Murmann jemanden wegen Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft bestrafen will, der einen Nachbarn zur Fällung eines Baumes in seinem Garten durch die Drohung bestimmt hat, andernfalls seinen Hund zu erschießen, andererseits aber die Androhung eines Mannes, er werde sich von seiner Partnerin trennen, wenn diese „nicht ihren Faltenrock auf den Müll“ werfe, straflos lassen will, so liegt zwar im ersten Fall eine strafbare Nötigung vor, an der es im zweiten Fall fehlt. Es ist aber nicht zweifelhaft, dass der Verlust eines Partners den zur Selbstschädigung Veranlassten viel schwerer treffen kann als der Verlust eines Hundes. Die bessere Lösung liegt darin, den Hintermann in keinem der beiden Fälle wegen Sachbeschädigung, im ersten aber wegen Nötigung zu bestrafen.

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      In dem von Kühl zur Verdeutlichung der Abwägungslehre gebildeten Fall ist schwer zu verstehen, warum jemand sich veranlasst sehen soll, seinen Kühlschrank zu zerstören, weil im Weigerungsfall ein anderer die Zerstörung angedroht hat. Verständigerweise wird man in einem solchen Fall den Kühlschrank unangetastet lassen und gegen die Zerstörungsandrohung durch den Hintermann die Polizei anrufen. Ob eine unvernünftige Selbstschädigung wirklich dem Hintermann als Sachbeschädigung angelastet werden sollte, lässt sich mit der von Puppe vertretenen Ansicht bezweifeln.

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      Aber auch eine Abgrenzung nach dem Maßstab der Vernunft oder Unvernunft einer Selbstschädigung liefert keine klaren Ergebnisse. So ist es in Puppes der Entscheidung RGSt 26, 242 nachgebildetem Beispiel entgegen ihrer Annahme keineswegs von vornherein unvernünftig, wenn sich der Lehrling dem Ansinnen des Meisters beugte, um sich dessen Wohlwollen zu erhalten. Andererseits ist es auch nicht ohne weiteres vernünftig (und damit für den Hintermann tatherrschaftsbegründend), wenn der Lehrling aus Furcht vor Entlassung die gesundheitsschädliche Speise gegessen hat. Denn das Motiv, unbedingt bei einem Meister bleiben zu wollen, von dem man gesundheitliche Beeinträchtigungen befürchten muss, kann man mit gutem Grund auch als unvernünftig bezeichnen. Eine mittelbare Täterschaft des Meisters lässt sich besser mit der Jugendlichkeit des Opfers begründen.

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      Die kritische Durchleuchtung der die Gegenansicht illustrierenden Beispiele zeigt überdies, dass ein über die meist verwirkte Nötigungsstrafe hinausgehendes Bestrafungsbedürfnis durchweg nicht besteht.

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      Die einzige Ausnahme bilden Fälle der Suizidbeteiligung, bei denen Gewinnsucht (etwa der Wille zur raschen Erlangung einer Erbschaft) oder andere eigennützige Beweggründe Anlass geben, den Suizid eines anderen zu befördern. Der im geltenden Recht zu geringe Suizidentenschutz war auch der eigentliche Ursprung der von Herzberg, einem Wortführer der Gegenmeinung, entwickelten Abwendung vom Verantwortungsprinzip.[45] Aber diese Strafbarkeitslücke wäre angemessenerweise durch eine Sondervorschrift im Bereich der Tötungsdelikte zu schließen, wie sie etwa der Alternativ-Entwurf „Leben“ in einem zu schaffenden § 215a StGB vorgesehen hat:[46] „Wer die Selbsttötung eines anderen aus Gewinnsucht unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Man sollte freilich den „Eigennutz“ noch hinzunehmen.

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      In einer über das Verantwortungsprinzip hinausgehenden Weise strafwürdig ist auch die in Bereicherungsabsicht erfolgende Nötigung zu vermögensschädigenden Dispositionen. Aber hier hat der Gesetzgeber in § 253 StGB schon eine Sondervorschrift geschaffen, die erheblich höhere Strafen ermöglicht, als sie in § 240 StGB vorgesehen sind.

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      Alle übrig bleibenden Fälle lassen sich auch dann ausreichend ahnden, wenn man darauf verzichtet, den Hintermann unterhalb der Schwelle des § 35 StGB für die Selbstschädigung zu bestrafen. Dies mag meine Auseinandersetzung mit den von der Gegenmeinung vorgeschlagenen Abgrenzungen und den dafür vorgebrachten Beispielen gezeigt haben.

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      Dies mag aber auch noch ein Weiteres zeigen: dass nämlich jenseits der vom Gesetzgeber schon erfassten Erpressungsfälle praktisch relevante, eine Ausdehnung der mittelbaren Täterschaft herausfordernde Sachverhalte überhaupt nicht existieren. Die von den Vertretern der Gegenmeinung ersonnenen Beispiele sind samt und sonders lebensfremd und

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