Klausurenkurs im Arbeitsrecht II. Matthias Jacobs
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4.Rechtsfolge
5.Zwischenergebnis
III.Keine negative betriebliche Übung
IV.Ergebnis
2 › Klausur 1 Das harte Musik-Business › Lösung
Lösung
Frage 1: Kündigungsschutzklage des A
A. Begründetheit der Kündigungsschutzklage
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Die Kündigungsschutzklage des A ist begründet, wenn die von P ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 5. März 2007 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen A und P daher nicht aufgelöst hat, vgl. § 4 S. 1 KSchG (sog. punktuelle Feststellungsklage).
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Wiederholung und Vertiefung:
Der Begriff punktuelle Feststellungsklage erklärt sich daraus, dass Gegenstand der Kündigungsschutzklage als spezieller Feststellungsklage nicht – wie bei der allgemeinen Feststellungsklage – das Bestehen eines Rechtsverhältnisses ist (vgl. § 256 ZPO), d.h. das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses insgesamt. Vielmehr beschränkt sich der Streitgegenstand (ausnahmsweise) auf die Prüfung, ob die konkret angegriffene Kündigung als (eigentlich nicht feststellungsfähiges) Rechtsgeschäft unwirksam ist.
Daneben ist aber auch zu prüfen, ob zwischen den Parteien überhaupt (noch) ein Arbeitsverhältnis bestand, vgl. § 4 S. 1 KSchG a.E. Nach Ansicht des BAG[1] wird bei stattgebendem Urteil auch festgestellt, dass dies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sowie zum in der Kündigung genannten Beendigungstermin der Fall war (sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff).[2] Der Arbeitgeber kann daher in einem späteren Verfahren keine (andere) frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr geltend machen. Sofern am Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses keinerlei Zweifel bestehen,[3] kann dieser Prüfungspunkt freilich knapp bejaht oder auch übersprungen werden.
I. Wirksame Kündigungserklärung
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Eine der Form des § 623 BGB genügende Kündigungserklärung liegt auf Seiten des P – abgegeben durch dessen Personalabteilung (§ 164 I 1 BGB) – vor. Diese ist durch Zugang an A gem. § 130 I 1 BGB auch wirksam geworden.
II. Keine Fiktion
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A hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben, so dass keine Fiktion der sozialen Rechtfertigung und der sonstigen Wirksamkeit der Kündigung nach §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG eingetreten ist.
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Wiederholung und Vertiefung:
Für den richtigen Prüfungsaufbau der Begründetheit einer Kündigungsschutzklage bzw. der Wirksamkeitsprüfung einer Kündigung ist das Verständnis der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG entscheidend:
1) | Nach h.M. führen §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zur materiell-rechtlichen Fiktion der Wirksamkeit der Kündigung.[4] Die Vorschriften sind daher nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Kündigungsschutzklage zu prüfen. |
2) | Die Wirksamkeit der Kündigungserklärung als Willenserklärung ist vor §§ 4 S. 1, 7 KSchG zu prüfen (für Schriftform und Zugang vgl. den Wortlaut, gleiches gilt aber bspw. auch für die Bestimmtheit der Erklärung), da sie von der Fiktion nicht erfasst wird; die Wirksamkeit der Kündigung als Rechtsgeschäft (Verstoß gegen gesetzliche Verbote, soziale Rechtfertigung etc.) wird im Fall nicht rechtzeitiger Klage dagegen fingiert, so dass diese Voraussetzungen erst nach §§ 4 S. 1, 7 KSchG zu prüfen sind.[5] |
3) | §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG finden auch dann Anwendung, wenn ein Arbeitsverhältnis nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 I KSchG unterfällt, weil die Wartezeit von 6 Monaten noch nicht verstrichen ist oder der Betrieb nicht die erforderliche Größe hat, vgl. § 23 I 2 u. 3 KSchG: „mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und 13 I 1 u. 2 KSchG“. Es wäre daher falsch, bereits hier diese Punkte oder gar die „Anwendbarkeit des KSchG“ zu prüfen (s. auch weiter unten Rn. 79). |
III. Wirksame Betriebsratsanhörung, § 102 I 3 BetrVG
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P hat den Betriebsrat zwar zur Kündigung des A angehört, die Anhörung ist also nicht gänzlich unterblieben. Es fragt sich aber, ob eine fehlerhafte Anhörung nicht analog[6] § 102 I 3 BetrVG zur Unwirksamkeit der Kündigung führen muss.
1. Analogie zu § 102 I 3 BetrVG bei Fehlerhaftigkeit
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Voraussetzung einer Analogie ist das Vorliegen einer Lücke. Eine Lücke ist eine Unvollständigkeit des positiven Rechts, die sich – gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung – als planwidrig erweist.[7]
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Wiederholung und Vertiefung:
Die herrschende Meinung in der Methodenlehre definiert eine Lücke als Voraussetzung richterlicher Rechtsfortbildung im Anschluss an Canaris als planwidrige Unvollständigkeit.[8] In der Praxis, aber auch in der universitären Lehre ist dagegen häufig von einer „planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage“ die Rede.[9] Das ist aus mehreren Gründen ungenau: Erstens ist die Wendung „planwidrige Lücke“ eine Tautologie, zweitens ist die Begrenzung auf Regelungslücken[10] zu eng und drittens ist die Vergleichbarkeit der Interessenlage bei näherem Hinsehen zwar der wichtigste, aber doch nur ein Unterfall der Planwidrigkeit. Im Methodenschrifttum hat sich diese Definition daher zu Recht nicht durchgesetzt.
Gleichwohl wird die Wendung von vielen Prüfern und Korrektoren erwartet. Es bietet sich daher an, sie aus taktischen Gründen in der Klausur zu bringen, sodann aber im Einklang mit der ganz herrschenden Lehre zu prüfen, ob eine Unvollständigkeit („Regelungslücke“) vorliegt und ob sie planwidrig ist (was u.a. dann der Fall ist, wenn eine „vergleichbare Interessenlage“ gegeben ist). Formulieren lässt sich bspw. wie folgt: „Voraussetzung einer Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage. Erforderlich ist mithin eine Unvollständigkeit im positiven Recht, die sich gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung als planwidrig erweist.“