Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen. Matthias Jahn
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Bei Geltendmachung höchstpersönlicher Ansprüche – darum wird es bei Verfassungsbeschwerden aus dem materiellen Strafrecht aber zumeist gehen – erledigt sich hingegen die Verfassungsbeschwerde in der Regel mit dem Tod des Beschwerdeführers.[7] Allerdings ermächtigt § 361 Abs. 2 StPO Angehörige des Verstorbenen ausdrücklich, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zu seinen Gunsten zu beantragen.[8] Mit Rücksicht darauf ist dem bezeichneten Personenkreis auch die Befugnis zuzubilligen, eine gegen das Strafurteil gerichtete Verfassungsbeschwerde noch nach dem Tode des Beschwerdeführers fortzuführen.[9]
2. Minderjährige
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Die Jugendkriminalität und folglich die Anzahl verurteilter jugendlicher oder heranwachsender Straftäter ist vergleichsweise hoch,[10] so dass vermehrt auch verfassungsrechtliche Eingaben im Strafrecht von Minderjährigen stammen.
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Auch nicht volljährige Personen sind grundrechtsfähig. Sie müssen aber unter Umständen ausreichend vertreten sein, soweit sie noch nicht grundrechtsmündig sind.[11] Zu beachten ist bei solchen Mandanten aber auch, dass eine strafgerichtliche Entscheidung, mit der der Staat auf eine Straftat des Jugendlichen reagiert, den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 GG berühren kann. Insoweit können die Eltern grds. die Verletzung eigener Rechte geltend machen.[12]
3. Ausländische Staatsangehörige
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Strafrechtliche Verfassungsbeschwerden von Ausländern haben eine erhebliche praktische Bedeutung.[13] Sie können besondere Fragen etwa dann aufwerfen, wenn die gerügten Beschwerdepunkte mit denen inländischer Beschwerdeführer identisch sind, wenn also bspw. ein Ausländer und ein Deutscher Täter oder Teilnehmer einer Straftat waren und sich beide gegen das Urteil im Ganzen wenden. Daneben gibt es eine Gruppe verfassungsrechtlicher Eingaben mit strafrechtlichem Bezug, welche ihrer Natur nach speziell Ausländer betreffen, so häufig in Auslieferungsfragen,[14] bei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz (früher: AuslG) und AsylG (früher: AsylVfG)[15] – insbesondere bei Ausweisung –[16], aber auch dann, wenn es um die verfassungsmäßigen Rechte eines der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Angeklagten geht, etwa wegen der Kostenlast für Dolmetscherkosten[17] oder wegen der Übersetzung von Schriftsätzen.[18]
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Einige Grundrechte (Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 11, Art. 12 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 33 Abs. 1, Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 GG) stehen ihrem Wortlaut nach nur Deutschen zu (sog. „Deutschengrundrechte“) mit der Folge, dass Ausländer sich nicht auf sie berufen können.[19] Für die Beschwerdefähigkeit kommt es demnach auf die Innehabung der deutschen Staatsangehörigkeit i. S. d. Art. 116 GG an. Ob dies wegen des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes (vgl. Art. 18 AEUV) auch für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union gilt, ist sehr strittig.[20]
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Selbst in diesen Fällen greift aber jedenfalls neben den allgemeinen „Menschengrundrechten“ zumindest Art. 2 Abs. 1 GG, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch insoweit in seiner Funktion als Auffanggrundrecht wirksam wird.[21] Die Entscheidung des Gesetzgebers, Ausländer vom personalen Schutzbereich mancher Grundrechte auszunehmen, darf aber durch diese Auffangkonstruktion nicht vollends umgangen werden. Aufgrund seiner weit gefassten Schranken ist der Grundrechtsschutz im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG deshalb insgesamt regelmäßig[22] weniger stark ausgeprägt.
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Daneben können sich Ausländer im Bereich der für das Strafverfahrensrecht besonders bedeutsamen Justizgrundrechte auf Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG[23] und des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG[24] berufen. Schließlich sind in Bezug auf das Asylgrundrecht aus Art. 16a GG ausschließlich Ausländer Grundrechtsträger.
4. Juristische Personen
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In Strafsachen treten juristische Personen häufig als Einziehungs- und Verfallsbeteiligte auf,[25] wenn sie nicht sogar ausnahmsweise selbst Beteiligte (etwa im OWi-Verfahren) sind. Sie können weiter bei Durchsuchungen von Firmen- oder Büroräumen und anschließender Beschlagnahme[26] eine Rolle spielen. Dies geht soweit, dass natürliche Personen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen darzulegen haben, dass nicht nur die juristische Person in ihren Grundrechten verletzt wird.[27] Auch können juristische Personen durch Straftaten verletzt sein und insofern die Verletzung ihrer Prozessgrundrechte geltend machen.
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Juristische Personen im engeren Sinne sind alle Personen- oder Sachgesamtheiten, deren Mitglieder sich zu einer rechtlich geregelten Organisation zusammengeschlossen haben und welche Träger von Rechten und Pflichten sein können. Dabei kommt es im Einzelfall auf die Natur des gerügten Grundrechts und darauf an, ob und welche Rechte eine Personengruppe nach allgemeinem Recht hat.[28] Die Beteiligtenfähigkeit steht daher in Folge extensiver Auslegung auch anderen rechtsfähigen Personenzusammenschlüssen zu.[29] Das BVerfG hat bei schlüssiger Behauptung einer Rechtsverletzung die Beteiligtenfähigkeit sogar nicht rechtsfähigen privaten Vereinigungen zugesprochen. Juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG sind damit letztlich alle Rechtssubjekte, die Träger von Rechten und Pflichten sein können und zu einer einheitlichen Willensbildung und Willensverwirklichung in der Lage sind.[30]
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Unterschiedliche Behandlung erfahren die so genannten juristischen Personen des Privatrechts und jene des öffentlichen Rechts. Innerhalb der Gruppen ist außerdem zwischen in- und ausländischen juristischen Personen zu differenzieren:
a) Juristische Personen des Privatrechts
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Juristische Personen des Privatrechts mit Sitz im Inland können nach Art. 19 Abs. 3 GG Träger von Grundrechten sein, soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Dies soll dann der Fall sein, wenn in der Bildung und Betätigung der juristischen Person die freie Entfaltung der privaten natürlichen Personen ihren Ausdruck findet, die hinter der juristischen Person stehen.[31] Das BVerfG hat dies bisher im Hinblick auf folgende Grundrechte bejaht: Art. 2 Abs. 1 GG,[32] Art. 3 Abs. 1 GG,[33] Art. 4 Abs. 1 GG,[34] Art. 5 Abs. 1 GG,[35] Art. 9 GG[36] Art. 12 Abs. 1 GG,[37] Art. 13 Abs. 1 GG,[38] und Art. 14 Abs. 1 GG.[39]
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