Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
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dd) Der Arzt muss die Voraussetzungen der Indikation kennen. Die fahrlässige, ja sogar leichtfertige, Annahme der Indikationen ist als solche nicht strafbar (BTD 7/4696 S. 8). Die Auffassung des Gesetzgebers, in diesen Fällen sei wegen § 218b Abs. 1 S. 1 in der Regel zumindest bedingter Vorsatz gegeben (aaO), trifft nicht zu. Jedoch verlangt das Merkmal der „ärztlichen Erkenntnis“ über die (u.U. nur vermeintliche) Kenntnis des handelnden Arztes hinaus die Beachtung der generellen Sorgfaltspflicht des gewissenhaften Arztes (vgl. BTD 7/4696 S. 7). Damit laufen die subjektiven Voraussetzungen im Wesentlichen auf das Gleiche hinaus wie nach der überkommenen Rechtsprechung (BGH 3, 9), und bleibt bei fahrlässiger Annahme der Indikationen die Strafbarkeit nach § 218 bestehen[26].
Legt der Täter dagegen die Indikationen weiter aus, als es dem engen Willen des Gesetzgebers entspricht, so befindet er sich in einem Verbotsirrtum, der selten unvermeidbar sein wird, aber u.U. eine Strafmilderung erlaubt (§ 17).
Anmerkungen
Zur Einschränkung insbesondere von Spätabbrüchen (polemisch auch „Früheuthanasie“ genannt) hat das G. v. 13.5.2009 bei dringenden Gründen für die Annahme einer Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Kindes besondere Beratungspflichten und eine Wartepflicht eingeführt und mit Bußgeld bewehrt (§ 2a SchKG). S.a. Tröndle NStZ 99, 463 anhand eines bedrückenden Falles. –
Einzelheiten bei BTD 8/3630 S. 79; Krauß aaO; Weißauer Zschr. Geburtsh. u. Frauenheilk. 83, 193; Lau aaO 123 ff.
Umstr.; vgl. Kröger LK § 218a 45 m.Nachw.
Vgl. auch BGH JZ 77, 139 m. Anm. Schroeder; Sax JZ 77, 334. A.A. Eser/Weißer S/S § 218a 63; Rogall SK 54; Gropp MK 47.
3. Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen seit der Empfängnis ohne Beratung (§ 218 i.V.m. § 218a Abs. 1 Nr. 1)
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Dieses Verbot war bei den Beratungen überaus umstritten. Während die eine Seite hierin eine unangebrachte Bevormundung der Frauen sah, sah die andere in der Beratung den unabdingbaren letzten Versuch, das werdende Leben möglicherweise doch noch zu retten. Der Streit um das Erfordernis der Beratung überhaupt setzte sich hinsichtlich deren Inhalts fort. Das BVerfG hat die Inhaltsbestimmung der Beratung in § 219 i.d.F. des SFHG für verfassungswidrig erklärt und in seiner Vollstreckungsanordnung eingehende Vorgaben für den Inhalt der Beratung gemacht (BVerfGE 88, 210).
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Den Inhalt der Beratung regelt § 219 Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 5, 6 Schwangerenkonfliktgesetz. Nach § 219 Abs. 1 S. 1 dient die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens. Restriktiv ist allerdings schon die Bestimmung, dass der Frau „dabei bewusst sein“ muss, dass das Ungeborene auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat. § 5 Abs. 1 S. 1 SchKG sagt dann ausdrücklich, dass die Beratung „ergebnisoffen“ zu führen ist. Die „Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft“ der Schwangeren darf nicht erzwungen werden (Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SchKG).
Die Beratung muss – zur Förderung ihrer Wirkung[27] – mindestens drei Tage vor dem Abbruch und ferner durch eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle erfolgen und durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden (§ 219 Abs. 2). Der beratende Arzt darf den Abbruch nicht vornehmen (S. 3; § 218c Abs. 1 Nr. 4), doch ist die Strafdrohung für einen Verstoß sehr gering.
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Erforderlich ist außerdem ein „Verlangen“ der Schwangeren[28]. „Verlangen“ ist mehr als Einwilligung; der Gesetzgeber hat sich hier offensichtlich an § 216 StGB angelehnt (s.o. § 2 Rn. 62). Allerdings ist diese Einschränkung kaum praktisch, da schon die Inanspruchnahme der Beratung und das Aufsuchen des Arztes den Wunsch der Schwangeren nach dem Abbruch hinreichend zum Ausdruck bringen. Immerhin zwingt das Erfordernis eines Verlangens zu der Prüfung, ob die Schwangere nur dem Druck von Angehörigen nachgibt. Das Verlangen der Schwangeren entbindet den Arzt nicht von der für die Wirksamkeit der Einwilligung erforderlichen Aufklärungspflicht (BVerfGE 88, 289; s.o. Rn. 41).
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Sollte ein Schwangerschaftsabbruch ohne Verlangen der Schwangeren einmal vorliegen, so dürfte dies auf einer fehlenden Äußerungsfähigkeit der Schwangeren beruhen (Bewusstlosigkeit bei Unfall oder Operationskomplikation) und der Abbruch daher nach § 34 StGB gerechtfertigt sein.
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Eine Rechtfertigung ist – neben der Rechtfertigung nach § 218a Abs. 2 (s.o. Rn. 34 ff.) – möglich, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf einer rechtswidrigen Tat nach den §§ 176–178 StGB beruht (§ 218a Abs. 3), sog. kriminologische oder ethische, besser kriminogene Indikation.
Die Rechtswidrigkeit entfällt nur, wenn der Abbruch innerhalb von zwölf Wochen seit der Empfängnis erfolgt. Diese Voraussetzung deckt sich daher mit der fehlenden „Tatbestandsverwirklichung“ nach § 218a Abs. 1 nach einer Beratung. Der Vorteil liegt darin, dass hier die fehlende Rechtswidrigkeit ausdrücklich festgestellt wird; damit tritt eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ein (BT-Dr. 13/1850 S. 26).
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Ausgeschlossen als Vortaten sind insbesondere der Beischlaf mit Verwandten (§ 173), der Sexuelle Missbrauch von Jugendlichen (§ 182) und die eigenmächtige Befruchtung und Embryoübertragung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 ESchG[29]. Die Tat braucht nicht schuldhaft zu sein. Nach ihrem Sinn muss die Regelung auch vorsatzausschließende Irrtümer des Täters, z.B. über das Alter des Kindes, umfassen, obwohl diese nach neuerer Dogmatik bereits den Tatbestand ausschließen (Kröger LK 59).
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Nach der eigenartigen, auf BVerfGE 88, 203 beruhenden, Konzeption des geltenden Rechts, wonach eine Rechtfertigung mehr bedeutet als ein Tatbestandsausschluss (s.o. Rn. 2), ist