Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
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Wiegt das Bleibeinteresse des betroffenen Ausländers besonders schwer, wird eine rein generalpräventiv motivierte Ausweisung regelmäßig unverhältnismäßig sein.[104]
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Der generalpräventive Ausweisungszweck ist schließlich nur begründet, wenn der Ausweisungsgrund durch ein zurechenbares Verhalten verwirklicht wurde. Bei krankheits- oder suchtbedingten Handlungen, Hangtaten[105], gänzlich singulären Verfehlungen – sog. Leidenschafts- oder Konflikttaten[106] – oder leicht fahrlässigen Delikten[107], derentwegen im Falle der Ausweisung keine messbare Verhaltenssteuerung anderer Ausländer erreicht werden kann, entfällt somit die generalpräventive Wirkung der Ausweisung[108].
Hinweis
Insbesondere bei Kapitalstrafsachen ist es somit von besonderer Bedeutung, ob die Straftat in den Urteilsgründen als „Konflikttat“ gekennzeichnet wird; ist dies der Fall und erstellt der Sachverständige darüber hinaus eine positive Sozialprognose, kann die Ausweisung selbst im Falle hoher Freiheitsstrafen vermieden werden.[109]
Im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität gewinnt vor diesem Hintergrund die Unterbringung nach § 64 StGB erhebliche Bedeutung, da diese einen Hang voraussetzt, d.h. eine generalpräventiv motivierte Ausweisung ausscheidet. Kann die Therapie erfolgreich abgeschlossen werden, ist auch einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung die Grundlage entzogen, so dass die Ausweisung unterbleiben muss; diesbezüglich hat das neue Ausweisungsrecht – paradoxer Weise – eine erhebliche Verbesserung gebracht, da nach altem Recht bei hohen Freiheitsstrafen in der Regel die Voraussetzungen der „Ist-“ oder „Regelausweisung“ vorlagen, so dass im Ergebnis kein Ermessenspielraum vorlag. Bzgl. der neuen Rechtslage gilt es jedoch auch zu beachten, dass die Ausländerbehörde grundsätzlich nicht gehalten ist, den Verlauf einer Therapie abzuwarten. Wird eine Ausweisungsverfügung vor Abschluss der Therapie erlassen, sollte daher unbedingt Widerspruch eingelegt werden. Im Strafvollzug ist auf diesen Umstand ebenfalls hinzuweisen, wenn dem Gefangenen unter Hinweis auf die drohende Ausweisung die notwendige Drogentherapie (§ 35 BtmG) verweigert wird. Soweit die Rechtsprechung[110] vereinzelt davon ausgeht, das die Zurückstellung der Strafvollstreckung der Ausweisung nicht entgegensteht, sollte einem möglichen Missverständnis entgegengetreten werden; die Rechtsprechung verweist allein auf die Zurückstellung, nicht den zeitlich nachfolgenden Therapieerfolg. Wird dieser erzielt, ist die weitere Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht gerechtfertigt.
Anmerkungen
BT-Drucks. 18/4097, S. 49; Bergmann/Dienelt-Bauer § 53 AufenthG Rn. 11.
Vgl. BVerfG NVwZ 2007, 946, 948.
BT-Drucks. 18/4097, S. 29; Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 1.
Bergmann/Dienelt-Bauer § 53 AufenthG Rn. 13.
Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer § 53 AufenthG Rn. 25.
Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 13, § 53 AufenthG Rn. 5; BT-Drucks. 18/4097, S. 1, 23, 50.
Bergmann/Dienelt-Bauer § 53 AufenthG Rn. 8.
Bergmann/Dienelt-Bauer § 53 AufenthG Rn. 24; zum alten Recht GK-AufenthG-Discher § 55 AufenthG Rn. 80/81 m.w.N.
Vgl. 53.1.1.1 Anwendungshinweise zum AufenthG.
Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer § 54 AufenthG Rn. 8.
Vgl. 53.1.1.1 Anwendungshinweise zum AufenthG; Bergmann/Dienelt-Bauer aaO.
Bergmann/Dienelt-Bauer § 54 AufenthG Rn. 54.
Bergmann/Dienelt-Bauer § 54 AufenthG Rn. 54.
Fischer StGB, § 53 Rn. 5 m.w.N.
So auch GK-AufenthG-Discher § 53 AufenthG Rn. 142; Bergmann/Dienelt-Bauer § 54 AufenthG Rn. 9.
Vgl. Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I, 3183), Gesetz zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29.10.1997 (BGBl. I, 2584), Terrorismusbekämpfungsgesetz (BGBl. I 2002, 361 ff.) und Zuwanderungsgesetz (BGBl. I 2004, 1950 ff.).
GK-AufenthG-Discher § 53 AufenthG Rn. 126 m.w.N.