Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
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![Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt Praxis der Strafverteidigung](/cover_pre1171410.jpg)
c) Gefahrenprognose
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Ist ein Ausweisungstatbestand erfüllt oder zu erwarten, dass im Falle der Verurteilung dessen Voraussetzungen vorliegen werden, kommt der erforderlichen Gefahrenprognose die entscheidende Bedeutung zu; grob fehlerhaft wäre jedoch die Annahme, der Verteidiger könne insoweit keinen Einfluss nehmen, „da es sich um eine gebundene Entscheidung handele, die letztlich vom Verwaltungsgericht zu treffen sei“. Die Entscheidung setzt nämlich u.a. eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung voraus; da insoweit zumeist auf die schriftlichen Urteilsgründe des Strafgerichts zurückgegriffen wird, sollte bereits im Strafverfahren die Basis für eine dem ausländischen Mandanten günstige Entscheidung der Ausländerbehörde geschaffen werden. Je milder die Urteilsgründe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausweisung unterbleibt (vgl. Rn. 87 ff.).
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Im Rahmen der erforderlichen Gefahrenprognose ist weiter zu berücksichtigen, dass die Ausweisung grundsätzlich sowohl auf spezial- als auch generalpräventive Gründe gestützt werden kann[68]. Insoweit ist aber stets zu prüfen, ob die Möglichkeit der generalpräventiv motivierten Ausweisung aufgrund Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrages ausnahmsweise ausgeschlossen ist, da in diesen Fällen die Ausweisung regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Einzelnen gilt Folgendes:
aa) Spezialpräventive Ausweisungsgründe
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Die Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen setzt die Gefahr voraus, dass der Ausländer durch sein persönliches Verhalten erneut einen Ausweisungsgrund verwirklichen wird. Die Wiederholungsgefahr muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestehen. Bei der Prognose ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Je schwerer das Ausweisungsinteresse wiegt, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen der Wiederholungsgefahr;[69] bei Gewalttaten kann unter Umständen bereits die entfernte Möglichkeit weiterer Verfehlungen genügen.[70]
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Hat das Strafgericht in Erwartung zukünftiger Straffreiheit die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt (§ 56 StGB), muss die Ausländerbehörde dieser sachkundigen strafrichterlichen Prognose wesentliche Bedeutung beimessen und darf von dieser nur ausnahmsweise bei Vorliegen überzeugender Gründe abweichen;[71] die Ausweisung wird daher regelmäßig ausscheiden, wenn das Gericht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat.[72]
Hinweis
Liegt der Verurteilung eine Verständigung zugrunde, sollte das Gericht „gebeten“ werden, das Urteil bzgl. der günstigen Sozialprognose umfassend zu begründen, d.h. von der Möglichkeit eines abgekürzten Urteils (§ 267 Abs. 4 Satz 1 StPO) keinen Gebrauch zu machen; andernfalls besteht die Gefahr, dass die Ausländerbehörde zusätzliche – negative – Feststellungen bzgl. der Sozialprognose trifft, da sie die Urteilsgründe für nicht ausreichend erachtet.
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Hinsichtlich der Aussetzung des Strafrestes[73] (§ 57 StGB, § 88 JGG[74]) ist bislang die Ansicht vertreten worden, dass diese der spezialpräventiv motivierten Ausweisung grundsätzlich nicht entgegensteht. Zwar sei die Aussetzungsentscheidung von tatsächlichem Gewicht;[75] da die Aussetzung des Strafrests jedoch – anders als die Aussetzung gemäß § 56 StGB – den Ausschluss der Wiederholungsgefahr nicht voraussetze, sondern bereits zulässig sei, wenn verantwortet werden könne zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb der Strafhaft keine Straftaten mehr begehen wird, könne ihr nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden wie einer nach § 56 StGB erfolgten Aussetzungsentscheidung.[76] Vor dem Hintergrund, dass die „Erprobungsklausel“ durch Art. 1 Nr. 2 SexualDelBekG eine erhebliche Einschränkung erfahren hat, erscheint es allerdings fraglich, ob dieser Meinung noch zu folgen ist.[77]
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Die Beantwortung der Frage, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Annahme einer Wiederholungsgefahr gerechtfertigt ist, erfordert nach h.M.[78] nur in Ausnahmefällen – etwa bei Beurteilung psychischer Erkrankungen[79] – die Hinzuziehung eines Sachverständigen (vgl. 53.0.3.1.2 Anwendungshinweise zum AufenthG).
Hinweis
In geeigneten Fällen sollte daher der Verteidiger versuchen, bereits im Strafverfahren ein positives Sachverständigengutachten zu erwirken, um auf diese Weise den Spielraum der Ausländerbehörde zusätzlich einzuschränken.
Ein entsprechendes Vorgehen kann vor allem in Kapitalstrafsachen von Bedeutung sein; lehnt der Sachverständige die Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB ab, kann es gleichwohl eine wertvolle Hilfe darstellen, wenn er die Wiederholungsgefahr mit überzeugenden Gründen ausschließt. Hierzu sollte der Sachverständige eingehend befragt werden, um so die Feststellungen im strafrechtlichen Urteil „festschreiben“ zu lassen.
Hinweis
Im Rahmen der Strafvollstreckung gewinnt § 454 Abs. 2 StPO zusätzliche Bedeutung, der unter bestimmten Voraussetzungen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zwingend vorschreibt. Ein entsprechender Antrag sollte frühest möglich gestellt werden (vgl. Rn. 536), damit die Begutachtung noch vor einer möglichen Ausweisungsentscheidung vorgelegt werden kann.
Insoweit verdient auch die Tatsache Beachtung, dass die Entwicklung innerhalb der Strafhaft als nachträglicher Umstand in die Entscheidungsfindung einbezogen werden muss.[80]
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Im Übrigen ist die Frage, ob Wiederholungsgefahr vorliegt, anhand einer umfassenden Beurteilung der Person des Ausländers, seines Verhaltens, seiner Lebensverhältnisse, der Art und des Ausmaßes des Ausweisungsgrundes sowie der dabei zu Tage getretenen Umstände zu entscheiden.[81] Gemäß der bislang nicht angepassten Anwendungshinweise zum AufenthG (vgl. 53.0.3.1.3) sind – wohl auch weiterhin – insbesondere folgende Gesichtspunkte von Bedeutung:
• | Art, Unrechtsgehalt, Gewicht, Zahl und zeitliche Reihenfolge der vom Ausländer begangenen und verwertbaren[82] Straftaten; liegen weniger gewichtige Straftaten vor, kann deren Häufung ein eigenständiges Gewicht zukommen; |
• | Strafgericht einschließlich Gutachter haben eine Drogenabhängigkeit, einen kriminellen Hang, eine Neigung zum Glücksspiel oder eine niedrige Hemmschwelle vor einschlägigen Straftaten festgestellt; |
• | Frühere Bewährungsstrafen, Widerruf der Strafaussetzung, des Straferlasses oder der Aussetzung des Strafrestes, grobe und beharrliche Verstöße gegen Bewährungsauflagen, Scheitern von Resozialisierungsmaßnahmen, Widerruf von Strafvollzugslockerungen, Jugendverfehlung (Alter zur Tatzeit); |
• | Finanzielle Schwierigkeiten, Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit; |
• | Nichtbeachtung einer ausländerbehördlichen Verwarnung unter Androhung der Ausweisung; |
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Wesentliche Änderung
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