Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
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![Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt Praxis der Strafverteidigung](/cover_pre1171410.jpg)
§ 54 Abs. 2 Nr. 7. Der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG ist erfüllt, wenn der Ausländer in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde.
Hinweis
Soweit die Verweigerung von Angaben als Anknüpfungspunkt für einen möglichen Ausweisungsgrund genannt wird, ist eine mögliche Kollision mit dem Schweigerecht des Ausländers zu beachten.[28]
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§ 54 Abs. 2 Nr. 8. Gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG wiegt das Ausweisungsermessen schwer, wenn der Ausländer in einem Verfahren nach dem AufenthG oder zur Erlangung eines einheitlichen Sichtvermerks nach Maßgabe des Schengener Durchführungsübereinkommens falsche oder unvollständige Angaben zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels gemacht oder trotz bestehender Rechtspflichten nicht an Maßnahmen der für die Durchführung des AufenthG zuständigen Behörde im In- und Ausland mitgewirkt hat, wobei die Ausweisung nach dieser Vorschrift nur zulässig ist, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde.
Da vorsätzliche Falschangaben des Ausländers bzw. die Weigerung, erkennungsdienstliche Maßnahmen zu dulden, bereits nach altem Recht (vgl. § 46 Nr. 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 bzw. 1 Nr. 5 AuslG a.F.) die Ausweisung rechtfertigten, dürfte der Neuregelung – auch weiterhin – primär Klarstellungsfunktion beizumessen sein[29].
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§ 54 Abs. 2 Nr. 9. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entspricht im Wesentlichen der alten Regelung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.; danach konnte ausgewiesen werden, wer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen oder außerhalb des Bundesgebietes eine Straftat begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist. Die Neuregelung übernimmt den Regelungsinhalt fast vollständig; ersetzt wird lediglich das Wort „Straftat“ durch „Handlung“, womit der Gesetzgeber deutlich machen wollte, dass auch solche Handlungen die Ausweisung rechtfertigen können, die nach ausländischem Recht keinen Straftatbestand erfüllen[30] – wie z.B. die Beschneidung eines Mädchens.[31]
Hinweis
Die Regelung ist im Gesetzgebungsverfahren durch den Bundesrat[32] zu Recht – wenn auch letztlich ohne Erfolg – gerügt worden; hält man sich nämlich vor Augen, dass unter Geltung des alten Ausweisungsrechts bereits Geldstrafen von mehr als 30 Tagessätzen als „nicht mehr geringfügig“ eingestuft wurden (vgl. Rn. 46), d.h. ein „schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ begründen können, wären die übrigen, sehr viel schwerwiegenderen Ausweisungsgründe eigentlich überflüssig.
Da an der Regelung gleichwohl festgehalten worden ist, dürfte die zum alten Recht entwickelte Rechtsprechung fortgelten:
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Ein vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, d.h. Gesetze, Rechts-, Polizeiverordnungen oder Satzungen, erfüllt bereits nicht den Tatbestand. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch ein vereinzelter Verstoß den Tatbestand erfüllt, wenn dieser nicht geringfügig ist und ein geringfügiger Verstoß die Ausweisung rechtfertigen kann, wenn dieser nicht nur vereinzelt begangen worden ist.[33]
Wann ein strafrechtlich erheblicher Verstoß als nicht mehr geringfügig anzusehen ist, konnte früher nur anhand einer umfangreichen Kasuistik beantwortet werden; dem Grundsatz nach galt, dass ein strafbares Verhalten keinen geringfügigen Rechtsverstoß darstellt.
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Die Frage hat durch die Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz eine Präzisierung erfahren, deren Kenntnis unabdingbare Voraussetzung einer sachgerechten Verteidigung ist. Danach ist für die Bestimmung, ob ein geringfügiger Verstoß i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vorliegt u.a. Folgendes von Bedeutung:
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Eine Straftat, die zu einer Verurteilung bis zu 30 Tagessätzen geführt hat, ist als geringfügig anzusehen (vgl. 55.2.2.3.1 Anwendungshinweise zum AufenthG).
46
Eine mit Strafe bedrohte Tat kann nach erfolgter Einstellung des Strafverfahrens (§ 153a StPO) als geringfügig eingestuft werden, wenn der wegen dieser Tat festgesetzte Geldbetrag nicht mehr als 500 € beträgt (vgl. 55.2.2.3.2 Anwendungshinweise zum AufenthG)[34].
Hinweis
• | Diesen Gesichtspunkt sollte der Verteidiger stets bedenken, wenn er mit Gericht und/oder Staatsanwaltschaft über eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO verhandelt; gegebenenfalls kann dies auch ein Argument für die Reduzierung des festzusetzenden Geldbetrages sein. Lehnt der Mandant ein Einstellungsangebot – unterhalb der 500 €-Grenze – ab, sollte er dahingehend aufgeklärt werden, dass im Falle der Verurteilung bereits bei einer Geldstrafe von mehr als 30 Tagessätzen ausländerrechtliche Maßnahmen drohen. Wird dieser „Schwellenwert“ nicht erreicht, kann der Mandant wegen eines nicht nur vereinzelten Rechtsverstoßes ausgewiesen werden, wenn er über (einschlägige) Vorahndungen verfügt. Der Mandant geht also ein hohes Risiko ein, wenn er ein entsprechendes Angebot ausschlägt. |
• | Übersteigt der festzusetzende Geldbetrag die 500 €-Grenze, sollte – in Absprache mit dem zuständigen Staatsanwalt – eine (geständige) Einlassung vermieden werden; andernfalls droht die Gefahr, dass die Angaben des Mandanten im verwaltungsrechtlichen Verfahren zu seinem Nachteil verwertet werden. |
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Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von nicht mehr als 1.000 € geahndet werden kann, ist im Hinblick auf die in § 87 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung selbst dann als geringfügig anzusehen, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt[35]; in diesem Fall kann jedoch eine Ausweisung wegen eines nicht nur vereinzelten Verstoßes gegen Rechtsvorschriften in Betracht kommen (vgl. 55.2.2.3.3 Anwendungshinweise zum AufenthG).
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Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer höheren Geldbuße als 500 € geahndet worden ist, stellt gemäß 55.2.2.3.4 Anwendungshinweise zum AufenthG in der Regel keinen geringfügigen Rechtsverstoß dar.[36]
49
Der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG setzt nicht voraus, dass der Verstoß schuldhaft begangen worden ist; es genügt bereits die objektive Rechtswidrigkeit.[37]
Hinweis