Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt страница 20

Автор:
Жанр:
Издательство:
Verteidigung von Ausländern - Jens Schmidt Praxis der Strafverteidigung

Скачать книгу

eingestellt wird, „der Beschuldigte habe jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt“. Zwar ist die Staatsanwaltschaft – nach h.M.[38] – nicht verpflichtet, das Ermittlungsverfahren mit dem Ziel des Nachweises der Unschuld fortzuführen; ist jedoch der hinreichende Tatverdacht bereits aus anderen Gründen nicht gegeben, sollte jedenfalls in eindeutigen Fällen der Versuch der Gegenvorstellung unternommen werden. Andernfalls sieht sich der Rechtsanwalt der Gefahr ausgesetzt, der Ausländerbehörde gegenüber erklären zu müssen, dass das Ermittlungsverfahren zwar mangels Schuldfähigkeit eingestellt worden sei, das Verhalten seines Mandanten aber dennoch keinen Straftatbestand erfülle. Dass der Versuch, die Staatsanwaltschaft zu überzeugen, eher von Erfolg gekrönt sein wird, bedarf keiner weiteren Erklärung.

      50

      Erhebliche Bedeutung kommt der Verdachtsausweisung vor allem für solche Tatbestände zu, die eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzen, da der Ausländer in diesen Fällen bereits im Ermittlungsverfahren ausgewiesen werden kann. Eine entsprechende Vorgehensweise ist in den Anwendungshinweisen zum AufenthG (vgl. 55.2.2.5) ausdrücklich vorgesehen.

      Hinweis

      51

      Hinweis

      Soweit die alte Rechtslage u.a. die Möglichkeit der Ausweisung im Falle längerfristiger Obdachlosigkeit (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG a.F.) oder Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie oder Hilfe für junge Volljährige nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG a.F.) vorsah, sind die entsprechenden Regelungen ersatzlos gestrichen worden.

      52

      Das Ausweisungsinteresse wiegt besonders schwer, wenn ein in § 54 Abs. 1 AufenthG genannter Tatbestand erfüllt ist:

      53

      § 54 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. Besonders schwer wiegt das Ausweisungsermessen gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist.

      54

      

      Gegenüber der alten Rechtslage (vgl. § 53 Nr 1 1. Alt. AufenthG a.F.) wird das Mindeststrafmaß von drei auf jetzt zwei Jahre gesenkt; ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, spielt keine Rolle (mehr), was nicht nur eine erhebliche Verschärfung des bislang geltenden Rechts darstellt, sondern ein Umdenken erfordert, herrschte bislang doch die – wenn auch fehlerhafte – Vorstellung vor, dass eine Verurteilung erst ab einem Mindestmaß von drei Jahren ausländerrechtlich als „richtig kritisch“ einzustufen sei.

      55

      

      Neben den zu § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG dargestellten Grundsätzen (Rn. 23 ff.), die bzgl. der einzelnen Tatbestandsmerkmale entsprechend gelten, wird also – jedenfalls in einer Übergangszeit – vor allem die Unwissenheit der Beteiligten in die Verteidigungsstrategie einzubinden sein; den wenigsten Strafrichtern war die bislang geltende Ausweisungssystematik im Detail bekannt, erst Recht wird dies für das neue Ausweisungsrecht gelten. Demnach muss in Erwägung gezogen werden, dass Strafrichter Bewährungsstrafen ausurteilen, ohne die gravierenden ausländerrechtlichen Konsequenzen zu überblicken. Erscheint eine Verständigung (§ 257c StPO) möglich, sollte daher der Versuch unternommen werden eine Strafe auszuhandeln, die knapp unter der für eine Bewährung maximal möglichen Obergrenze liegt; steht der Verteidiger einer Verständigung aus „grundsätzlichen Erwägungen“ kritisch gegenüber, sollte die Position jedenfalls in diesem Fall überdacht werden. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten wird ohne Verständigung kaum erreichbar sein, so dass das eigentliche Verteidigungsziel, die Ausweisung zu vermeiden, oftmals nur über den Weg des § 257c StPO erreichbar sein wird.

      Hinweis

      Soweit das alte Ausweisungsrecht die Möglichkeit vorsah, einen Ausländer auszuweisen der wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mind. drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 53 Nr. 1 2. Alt. AufenthG a.F.), ist dieser Ausweisungstatbestand ersatzlos gestrichen worden.

      56

      

      § 54 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. Wird im Rahmen der letzten Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet, ist der Tatbestand des § 54 Abs. 1 2. Alt. AufenthG erfüllt.

      Hinweis

      57

      § 54 Abs. 1 Nr. 1a. Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG bei einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe von mindestens einem Jahr besonders schwer, wenn diese wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verhängt wird, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gewalt für Leib oder Leben oder List begangen worden ist; liegt der Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes eine serienmäßige Begehung zugrunde, ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter keine Gewalt, Drohung oder List angewendet hat.

      58

      

      Die zu § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ausgeführten Erwägungen (Rn.

Скачать книгу