Die Wiederaufnahme in Strafsachen. Klaus Marxen
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Den strukturellen Besonderheiten des Wiederaufnahmeverfahrens wird es nicht gerecht, die spezifischen Darlegungs- und Beweisführungslasten, die den Antragsteller treffen, lediglich als „gesteigerte Auswirkungen der Akkusationsmaxime“ anzusehen.[9] Die dafür vorgetragenen Argumente[10] sind nicht stichhaltig. Insbesondere steht die in § 244 Abs. 2 StPO normierte Amtsaufklärungspflicht dem hier skizzierten Strukturwandel nicht entgegen. Der Hinweis darauf, dass „die Handhabung aller Verfahrensvorschriften … unter dem beherrschenden Grundsatz des § 244 Abs. 2 StPO“ stehe, versperrt den Blick auf die strukturellen Unterschiede zwischen dem erstinstanzlichen und dem wiederaufgenommenen Verfahren auf der einen Seite sowie dem Aditions- und Probationsverfahren auf der anderen Seite, wie sie sich aus den betreffenden Verfahrensvorschriften ergeben.[11] Sie lassen eine derart deutliche Abkehr von dem das Erkenntnisverfahren prägenden Untersuchungsgrundsatz erkennen, dass es sachwidrig wäre, insoweit gleichermaßen von einem inquisitorisch strukturierten Verfahren zu sprechen. Dem hier angenommenen Strukturwandel steht auch nicht entgegen, dass erhöhte Darlegungsanforderungen anderen speziellen Bereichen des Strafverfahrens, etwa dem Wiedereinsetzungs-, dem Revisions- und dem Klageerzwingungsverfahren, ebenfalls nicht fremd sind. Die Besonderheiten dieser Verfahrensstadien belegen vielmehr, dass verschiedene Konstellationen des Strafverfahrens durchaus mehr oder weniger stark von akkusatorischen Strukturelementen geprägt sind, so dass der für das Wiederaufnahmeverfahren festzustellende Strukturbruch dem Strafprozessrecht keineswegs wesensfremd sein muss.[12] Schließlich spricht auch der Umstand, dass das Gesetz überhaupt eine Wiederaufnahmemöglichkeit vorsieht, nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Die akkusatorische Struktur des Wiederaufnahmeverfahrens bestätigt nur, dass das Wiederaufnahmebegehren lediglich als Ausdruck privaten Rechtsschutzinteresses angesehen wird, solange nicht die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet worden ist.
Anmerkungen
Vgl. zu entsprechenden Reformforderungen namentlich: Denkschrift des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 74 ff.; Dippel GA 1972, 97, 119 ff.; Deml S. 21 ff.; Rieß NStZ 1994, 153 ff. Ein von der SPD-Fraktion während der 13. Legislaturperiode in den Bundestag eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Wiederaufnahmerechts vom 29.1.1996 (BT-Drucks. 13/3594) sah u.a. eine Ausweitung der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten auf offensichtliche Rechtsfehler und die Einführung des Wesentlichkeitsprinzips bei der Strafmaß-Wiederaufnahme vor (dazu näher unten Rn. 93). Nach der Beratung im Rechtsausschuss (vgl. BT-Drucks. 13/10333) wurde allerdings lediglich der neue Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO (Wiederaufnahme bei festgestellter Verletzung der Menschenrechtskonvention) eingeführt (dazu näher unten Rn. 276 ff.). Die übrigen Änderungsvorschläge wurden seitens der SPD-Fraktion zurückgezogen und nicht im Einzelnen beraten. Zur Diskussion um den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vgl. van Essen Kriminalistik 1996, 762 ff.; Wasserburg ZRP 1997, 412 ff.; Stoffers ZRP 1998, 173 ff.
Vgl. etwa Schünemann ZStW 84 (1972), 870, 888; Peters FS Dünnebier, S. 53, 71 ff.; Schöneborn MDR 1975, 441; Wasserburg StV 1992, 104; Stern NStZ 1993, 409 ff.; Strate StV 1999, 228 ff.; Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille GA 2013, 328 ff.; KMR-Eschelbach, vor § 359 Rn. 5.
Z.B. Weihrauch/Bosbach Verteidigung im Ermittlungsverfahren, Rn. 91 ff.; Klemke/Elbs Einführung in die Praxis der Strafverteidigung, Rn. 337 ff.; Dahs Rn. 285 ff.; Barton § 8 Rn. 17 ff.; Handbuch des Fachanwalts Strafrecht-Bockemühl, 2. Teil 1. Kap., Rn. 59 ff.; Günther Strafverteidigung, S. 82 ff.
Vgl. etwa M.-G. vor § 359 Rn. 1 f.
Außerhalb der §§ 359, 362 StPO finden sich gesetzliche Wiederaufnahmegründe in § 79 BVerfGG (dazu unten Rn. 517 ff.) und in § 18 des Zuständigkeitsergänzungsgesetzes vom 7.8.1952 (BGBl. I, 407 ff.). Diese Wiederaufnahmegründe sind praktisch weniger relevant. Das gilt auch für die durch die Gesetze zur Beseitigung oder Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege gewährten, der Wiederaufnahme ähnlichen Möglichkeiten zur Aufhebung rechtskräftiger Urteile. Einzelheiten dazu bei LR-Gössel, vor § 359 Rn. 180 ff. Rechtsstaatswidrige Entscheidungen von Strafgerichten der ehemaligen DDR können nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG – vom 29.10.1992 aufgehoben werden. Näher dazu LR-Gössel, vor § 359 Rn. 186 f.
§ 371 StPO sieht in Ausnahmefällen, etwa wenn der Verurteilte bereits verstorben ist, eine Entscheidung ohne neue Hauptverhandlung vor.
Näher dazu Tiemann insbes. S. 68 ff., 92 ff. und 135 ff. Vgl. außerdem Marxen S. 288 ff.
Näher zu allem Tiemann insbes. S. 79 ff.
So allerdings LR-Gössel, vor § 359 Rn. 13.
Vgl. LR-Gössel, vor § 359 Rn. 13.
Näher dazu Tiemann S. 70 ff.; wie hier auch Hellebrand NStZ 2004, 413, 415.
Näher dazu Tiemann S. 70 ff.
Teil 1 Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags
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