Kriminologie. Tobias Singelnstein

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Kriminologie - Tobias Singelnstein

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empirisch-wissenschaftliche Satz (muss) durch Angabe der Versuchsanordnung u. dgl. in einer Form vorgelegt werden, dass jeder, der die Technik des betreffenden Gebiets beherrscht, imstande ist, ihn nachzuprüfen.“51

      7 Nach dem von Poppers Kritischem Rationalismus geprägten Wissenschaftsverständnis der objektivierenden empirischen Forschung muss man sich als Kriminolog:in von der eigenen persönlich-moralischen Werthaltung zur Kriminalität freimachen, muss sich auf die Aufstellung solcher Behauptungen („Hypothesen“) beschränken, die experimentell überprüfbar sind, d. h. an Erfahrungen scheitern können. Die Wahl eines bestimmten Wirklichkeitsausschnitts der Kriminalität – etwa Kriminalität als mögliches Ergebnis einer bestimmten biologischen Veranlagung oder einer bestimmten gesellschaftlichen Struktur – ist im Kritischen Rationalismus zwar Teil des unverbindlichen Entstehungszusammenhanges, in dem Forschende nach ihren persönlichen Neigungen ein ihnen anregend erscheinendes Thema wählen. Die Wissenschaftlichkeit ihres Vorgehens ergibt sich hingegen allein aus dem Begründungs- oder Rechtfertigungszusammenhang, in welchem die Beobachtungen und Schlussfolgerungen ohne subjektive Beimengung rein objektiv empirisch getestet und systematisch geprüft werden.

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       Aber wie sollen ausgerechnet Kriminalität und Bestrafungsvorgänge, die doch eminente Leiden schaffen und heftiges Mitfühlen auslösen, völlig leiden-schaftslos studiert werden können? Die kriminologischen Untersuchungsgegenstände sind jedenfalls keine rein wertneutral zugänglichen Präparate unter dem Mikroskop der Forschenden, sondern Produkte menschlicher Handlung und Deutung, die die Forschenden interpretativ erschließen und auf die sie mit ihrer Forschung verändernd einwirken. Bereits die Wahrnehmung als erster Filter der empirischen Beschäftigung mit sinnlich erfassbaren Aspekten von Kriminalität ist vom Menschen als einem empathisch empfindenden Sozialwesen geprägt. Davor vermag auch das Bemühen um scheinbar „objektivierende“, menschliches Verhalten quasi naturwissenschaftlich erschließende Zugangswege nicht zu schützen. Zudem fließen bei der Wahl eines dem:der Forschenden unter den Nägeln brennenden Themas interindividuell unterschiedliche [50] Empfindungen und Assoziationen zum Kriminalitätsthema unvermeidlich mit ein (→ § 2 Rn 11).

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       Diesem Eindruck entspricht die Vorstellung, die erhobenen Beobachtungen ergänzten einander und würden sich, Mosaiksteinchen ähnlich, à la longue zu dem linearen Gesamtbild eines gesicherten Wissensbestandes zusammenfügen. [51] Diese Vorstellung eines schrittweisen Erkenntnisfortschritts durch quantitatives Wissenswachstum wäre nur in dem Maße zutreffend, wie homogene Erkenntnisraster verwandt und Beurteilungen getroffen würden, über die in der Forschendengemeinschaft Konsens bestehen. Indes ist jede Erhebung von Daten theorie- bzw. hypothesengeleitet. Die jeweils gewählten methodischen Instrumente bestimmen die Untersuchungsanordnung, die sich notwendig auf die Prüfung bestimmter Aspekte des zu untersuchenden Phänomens beschränkt. Die theoriegeleitete Wahl des Untersuchungsfeldes und die Entscheidung, gewonnene Ergebnisse als vorläufig verbindlich zu akzeptieren, verlangen wertende Entschlüsse, die nicht erfahrungswissenschaftlich begründbar sind, sondern nur in dem Maße Gültigkeit beanspruchen, wie sie diskursiv begründet, argumentativ belastbar und von der Gemeinschaft der Forschenden akzeptiert sind.

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       Der von der kriminologischen Bedarfsforschung (→ § 1 Rn 8) erweckte falsche Anschein der strikt wertneutralen Wissensproduktion trifft jedoch den Bedarf der Politik. Von der Vorstellung scheinbar makellos wertfrei gewonnener Befunde geht eine Faszination aus, der die praktische Kriminalpolitik bereitwillig erliegt. Die Magie scheinbar eindeutiger „Fakten“ verleiht dem kriminalpolitischen Argument, das sich darauf bezieht, etwas vermeintlich Objektives und Definitives. Foucault macht angesichts dessen für diese Richtung eine „geschwätzige und aufdringliche“ Anbiederung an die offizielle staatlich dominierte Kriminalpolitik aus:

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